Lieferkette
Grüne für menschenwürdige Lieferketten
Spaichingen / Lesedauer: 3 min

Der Spaichinger Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen sorgt sich um die Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit der heimischen Autoindustrie. Gerade im Bundestagswahlkreis Rottweil-Tuttlingen gehören spezialisierte Betriebe zu den wichtigen Lieferketten der Fahrzeugproduktion. Die Partei erweiterte das Problemfeld bei ihrer digitalen Gesprächsrunde am Montagabend mit den teilweise problematischen Verhältnissen im globalen Rohstoffabbau.
Der zugeschaltete Fachmann aus dem Entwicklungsministerium, Jürgen Kretz , hat sich beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo intensiv mit den sozialen und ökologischen Bedingungen beschäftigt. Denn in dem krisengeschüttelten Land werden so dringend benötigte „Konfliktrohstoffe“ wie Kobalt oft unter abenteuerlichen Verhältnissen abgebaut. Und weil für die beginnende Massenproduktion der Elektrofahrzeuge künftig noch größere Mengen an Rohstoffen geschürft werden müssen, fordert die Partei einen Aktionsplan für die Einhaltung der Menschenrechte.
Die bereits existierenden OECD-Leitsätze für humane Verhältnisse würden momentan nur von einer Minderheit befolgt. Deshalb appellieren die Grünen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht, die Sicherheit für die Menschen zu beachten und anständige Löhne zu bezahlen. Die Abnehmer müssten künftig ihr Einkaufsverhalten klar ausrichten, für die entsprechende Überwachung sorgen und jährliche Berichte veröffentlichen, damit die Behörden mindestens stichprobenartig kontrollieren können. „Wenn man sich bemüht, dann geht es auch mit fairen Arbeitsbedingungen“, fordert Kretz deshalb. Verbindliche Standards zu einem entsprechenden Lieferkettengesetz würden im Entwurf bei der Bundesregierung liegen, aber die Koalition könne sich seither nicht einigen.
Annette Reif , die selbst seit einem Jahrzehnt in einem großen Zuliefererbetrieb tätig ist, sieht aus der eigenen Berufswelt die Herausforderungen der Verkehrswende hautnah. Trotz dem prognostizierten Wegfall von zweieinhalb Millionen Arbeitsplätzen sieht die Bundestagskandidatin jedoch auch die Chancen der Zukunft mit pragmatischem Optimismus. „Tesla hat zum Beispiel schon früh auf das richtige Pferd gesetzt und erkannt, dass es immer mehr auf die Digitalisierung ankommt. Den Umbruch in der Arbeitswelt finde ich nicht unbedingt schlimm, und Softwarekenntnisse sind künftig wichtiger, als zu wissen wie man Bleche biegt“, betont Reif. Man könne den Umbau schaffen, wozu auch die Politik ihren lenkenden Beitrag zu leisten habe. Außerdem prognostiziert sie das Entstehen von neuen Berufen, gerade auch für Frauen.
Der Geologe Klaus Steinmüller beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Gewinnung von mineralischen Rohstoffen. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler stellt fest, dass die Europäer erkannt haben, dass man die Hälfte der Stoffe durch Recycling gewinnen kann. Trotzdem sei der Bedarf an primären Rohstoffen anwachsend, denn seltene Erden, Kobalt, Silizium und Nickel werden für die Batterieproduktion in großen Mengen gebraucht.
Steinmüller schätzt die Einhaltung der Menschenrechte differenziert ein. Im industriell organisierten Bergbau würden die Sicherheitsvorschriften gesetzlich geregelt und auch weitgehend eingehalten. Problematisch ginge es jedoch im sogenannten Kleinbergbau zu. Dort sei die Lage immer noch intransparent, Menschenrechte und Umweltstandards würden oft missachtet. Dazu sei es kaum möglich, hier die Lieferketten in einen legalen Rahmen einzubinden, obwohl die OECD sich um eine Verbesserung bemühe. Steinmüller plädiert für einen nationalen Plan mit einem regulierenden Lieferkettengesetz. Die Industrie solle jedoch schon vorab auf freiwilliger Basis auf die Einhaltung der Standards achten.
Im abschließenden lebhaften Chat kam die Frage auf, wer denn eine gesetzliche Regelung ausbremsen würde. Der Wissenschaftler sieht die Schuld nicht bei den einzelnen großen Firmen, sondern bei den Verbänden. Während in den vergangenen Jahrzehnten viele Umweltsünden im Bergbau geschehen seien, würden heute weitgehend Schäden wieder beseitigt und vorab schon Regeln für die Minenschließungen abgeschlossen.