Kulturring
Ein Experiment gerät außer Kontrolle
Fridingen / Lesedauer: 4 min

Schwäbische.de
Dramatisch, nachdenklich und manchmal sogar ein bisschen witzig. Diese Mischung ist den Darstellern des Kulturrings Fridingen bei ihrer Aufführung „Die Welle“ am vergangenen Sonntag voll und ganz gelungen.
Das Kulturringhaus war am vergangenen Freitag, Samstag und Sonntag mit jeweils rund 100 Zuschauern voll besetzt, als Spielleiter Robin Rathmann alle willkommen hieß. Zwölf Laiendarsteller des Kulturrings und insgesamt sechs Statisten warteten hinter der Bühne auf ihren Einsatz.
Das Drama „Die Welle“ startete in einem lauten Durcheinander. Schließlich sind Schüler, wenn sie Pause haben, nicht gerade still. So auch nicht die Schüler von Lehrer Ben Ross (Matthias Merk). Wer interessiert sich schon für den langweiligen Geschichtsunterricht? Niemand!
Schon gar nicht Robert (Benedikt Faude). Der Außenseiter pennt auf der Schulbank und wird von seinen Mitschülern gehänselt. Ganz anders sieht es bei Laurie (Paulina Hermann) aus. Sie ist die Musterschülerin und bestimmt, was in der Schülerzeitung steht.
Der Geschichtslehrer versucht den Chaoten das Dritte Reich näherzubringen. „Das ist doch längst vorbei. Das geht doch uns nichts mehr an. Als ob das heute nochmal so passieren könnte“, rufen seine Schüler ihm entgegen, während sie auf das Unterrichtsende warten. Zuhause überlegt sich Ben Ross, wie er den Schülern auf ganz eigene Art das Dritte Reich näherbringen kann. Ein Experiment soll seine Schützlinge in eine ähnliche Situation bringen.
Die Übergänge der einzelnen Szenen werden in der Aufführung gekonnt durch Licht und Ton gestaltet. Mit gerader Sitzhaltung und mehr Disziplin beginnt Ben Ross seine Schüler zu erziehen und verspricht: „Mit Disziplin stellt sich auch der Erfolg ein und ihr fühlt euch selbstbewusster“. Nach mehreren Übungen merken die Schüler: Er hat recht. Und der Lehrer bringt es soweit, dass ihn die Schüler vor jeder „präzisen Antwort“ zunächst mit „Mr. Ross“ ansprechen.
Die Fridinger Zuschauer merken, dass sich die Klasse zu einer Gemeinschaft entwickelt, eine Gemeinschaft, die sie als Bewegung ansehen und „Die Welle“ taufen. Und der einstige Außenseiter Robert geht in der Bewegung voll auf, verhält sich vorbildlich und fühlt sich wohl in diesem neuen Gemeinschaftsgefühl.
Etwas entwickelt sich in die falsche Richtung
Die Gruppe formuliert ihren Leitspruch: „Stärke durch Disziplin, Stärke durch Gemeinschaft“. Als weiteres Erkennungsmerkmal entwickeln sie ein Symbol und tragen wenig später Armbinden. Zudem gibt es Mitgliederausweise und neue Mitglieder sollen angeworben werden. Das Gefühl einer Einheit ist geschaffen. „Ist das ganze überhaupt noch ein Spiel?“, fragt Laurie. Sie stemmt sich gegen die Gruppe: „Ihr seid alle wie verwandelt, wie hypnotisiert“, stellt sie fest und schreibt in der Schülerzeitung gegen die Bewegung. Ihr Freund David (Louis Sattler) hält zunächst zur Bewegung, wird ihr gegenüber handgreiflich und merkt dann selbst, dass sich hier etwas in die falsche Richtung entwickelt. „Die Welle“ scheint eine eigene Dynamik entwickelt zu haben. Mehrere Schüler werden bespitzelt und bedroht. Auch Laurie wird als „Bedrohung“ bezeichnet.
Längst hat sich Ben Ross in die Rolle des Diktators gesteigert, bis Christie Ross (Tina Buschle), die Frau des Lehrers, ihren Mann nachdenklich macht: „Du machst das Experiment immer noch? Wie weit willst du noch gehen? Pass auf, dass dich die Welle nicht zu weit hinaustreibt“. Widerstand gibt es auch von Direktor Owens (Herbert Christoph).
Dann merkt auch Ben Ross, dass das Experiment aus dem Ruder gelaufen ist und will es mit einer Ansprache vor seinen Schülern, die längst zu seinen Anhängern geworden sind, beenden: „Ihr wärt gute Nazis geworden“, sagt er ihnen und löst „die Welle“ auf.
Allerdings ist nicht jeder seiner Schützlinge mit der Auflösung der Bewegung einverstanden. Auf dem Höhepunkt und hochdramatisch endet schließlich das Stück – ganz im Sinne von Spielleiter Robin Rathmann, der den Schluss extra umschrieb.
Eine Stimme aus dem Hintergrund setzt den endgültigen Schlusspunkt des Theaterabends mit der Frage: „Ist der Spaß am Bösen ein Teil von uns allen?“ Nachdenkliche Gesichter machen sich im Kulturringhaus breit, gefolgt von einem minutenlangen Applaus für ein perfekt in Szene gesetztes Drama.