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Wertvoller genetischer Schatz

Diese Männer vermarkten eine Wiese

Bubsheim / Lesedauer: 5 min

Zwei Bubsheimer Brüder haben ein kleines Grundstück im Grünen geerbt. Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche Geschäftsidee.  
Veröffentlicht:25.05.2023, 17:00

Von:
  • Frank Czilwa
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Es war kein „g‘mähds Wiesle“, was Harald und Elmar Mayer da von ihrem Vater geerbt haben. Doch was die beiden Bubsheimer Brüder dann aus ihrem Erbe gemacht haben, ist schon ungewöhnlich. Denn heute produzieren sie auf dem nur 6,5 Hektar kleinen Grundstück an der Graneggstraße naturnahes und regionales Saatgut, das den einheimischen Insekten zugutekommt.

Ein Mähdrescher auf einer Blumenwiese ist ein eher ungewohnter Anblick. Normalerweise sieht man diese Gerätschaften in Getreidefeldern. Im Sommer 2016 beobachtete der Bubsheimer Harald Mayer am Gemeindeverbindungsweg nach Königsheim zufällig einen Mann, der mit einer Art Kehrmaschine auf einem Feld auf und ab ging. Der Anblick weckte seine Neugier und er fragte ihn, was er da mache?

Genetischer Schatz auf der Wiese

Es war Biologe Jochen Kübler vom Büro „365° Freiraum + Umwelt“ aus Überlingen, der da mit einem kleinen, handgeschobenen Mähdrescher Gras– und Blumensamen erntete, um artenreiche Blumenwiesen auf dem Heuberg zu kartieren. Denn deren Saatgut ist ein wertvoller genetischer Schatz, der inzwischen immer mehr gefragt ist.

Als ich noch ein Kind war, gab es noch viele solcher kleinen Wiesen.

Harald Mayer

Genau so eine alte, naturnahe Wiese hatten auch die Mayer–Brüder von ihrem Vater geerbt. „Als ich noch ein Kind war, gab es noch viele solcher kleinen Wiesen“, erinnert sich Harald Mayer. Doch die wurden immer weniger und immer größer. Und während andere Landwirte längst auf Intensivlandwirtschaft und standardisierte Regelsaatgutmischungen umstiegen, blieb Nebenerwerbslandwirt Hermann Mayer — von den meisten Kollegen belächelt –bei der alten traditionellen Bewirtschaftungsweise. Seine Söhne haben es so belassen, „damit noch eine Blume auf dem Feld wächst“, so Harald Mayer.

Eine weise Entscheidung

Wie sich jetzt herausgestellt hat, war das eine weise Entscheidung. Denn nach Paragraf 40 des Bundesnaturschutzgesetzes dürfen seit März 2020 bei Einsaaten und Pflanzungen nur solche Pflanzen in der freien Natur ausgebracht werden, die ihren genetischen Ursprung im betreffenden Gebiet haben. Zur Umsetzung dieser Bestimmung wurden auf Bundesebene 22 verschiedene Ursprungsgebiete festgelegt. „Ursprungsgebiet 13“ ist die Schwäbische Alb bis zur Donau.

Allerdings hätten die großen Regelsaatgut–Hersteller Schwierigkeiten, das entsprechende regionale Saatgut von der Alb in der benötigten Menge zur Verfügung zu stellen, sagt Harald Mayer. Wenn zum Beispiel eine Gemeinde jetzt eine neue Grünfläche einsäen will, ist sie auf der Suche nach solchem regionalen Saatgut. So entstand, wissenschaftlich begleitet von Biologe Jochen Kübler und unterstützt vom Naturpark Obere Donau, die Idee, die Wiese mit einem Mähdräscher „abzuernten“ und die so gewonnene Mischung aus Saatgut zu verkaufen.

Hilfe vom Bio–Landwirt

Zur Vermarktung haben sie sich mit Lothar Braun–Keller, Biobauer aus Leibertingen und Grünen–Kreisrat im Landkreis Sigmaringen, zusammengetan, der bei Bedarf auch größere Mengen naturnahes Saatgut herstellen kann.

Im Oktober 2022 bescheinigte Jochen Küblers Büro 365° der Mayer’schen Wiese, dass diese gewachsenes altes Grünland ist, das sich durch seinen Artenreichtum auszeichnet; dass es viele charakteristische Blumen, Kräuter und Gräser enthält, aber keine Giftpflanzen. Daher sei es als wertvolle Spenderfläche für Saatgut einzustufen.

Die Azubis und die Bienen

Abnehmer sind zum Beispiel Gemeinden, aber auch Privatpersonen, die einen naturnahen Garten anlegen wollen, oder auch Firmen wie die Bubsheimer Anton Häring KG mit ihrem Azubi–Projekt „Bee Good“, bei dem Auszubildende und Studierende einen eigenen Bienenstand realisiert und eine Wildblumenwiese darum herum angelegt haben.

Leute, die gerne schnell ein blühendes Ergebnis sehen wollen, seien allerdings oft enttäuscht, da es mindestens zwei Jahre braucht, bis die naturnahe Mischung mit allen Arten voll erblüht. Aber „guter Käse oder Wein braucht auch seine Zeit“, so Mayer.

Es gibt zwar viele schnell wachsende Blühmischungen zu kaufen, „aber die sind für heimische Insekten meistens nicht hilfreich“, stellt Elmar Mayer fest. Heute weiß die Wissenschaft nämlich, dass Insekten wie Schmetterlinge und Wildbienen auf bestimmte, einheimische Pflanzen spezialisiert sind.

Der Imker und der Ingenieur

Sein Bruder Elmar ist Imker und bringt einige biologische Kenntnisse mit. Harald Mayer wiederum bringt seine Kenntnisse wirtschaftlicher Abläufe und der Förderlandschaft mit. Der Maschinenbau–Ingenieur war nach Jahren in der Industrie Geschäftsführer der von Markus Leiber gegründeten Naturtalente–Stiftung und berät heute freiberuflich als stärkeorientierter Coach Führungskräfte.

Man darf nur so groß mitspielen, wie es passt.

Harald Mayer über Wiesenernte

Hauptberuflich können die beiden ihre Wiesenernte nicht betreiben. „Man darf nur so groß mitspielen, wie es passt.“ Aber „es ist mehr als ein Hobby, es muss sich wirtschaftlich schon selber tragen“, so Harald Mayer. „Wo das noch hingeht, — ich habe keine Ahnung“, sagt er. Jedenfalls stecken er und sein Bruder bereits viel Zeit in das Projekt.

Weitere Landwirte sind interessiert

„Schön wäre es, wenn hier ein Netzwerk entstünde“, findet Mayer. Denn es sind schon Landwirte auf ihn zugekommen, die mit ihren Wiesen ähnliches machen wollen, aber die den Aufwand und die Alleinvermarktung scheuen.

Die Mayers und Braun–Keller sind zwar nicht die Einzigen und auch nicht die Ersten, die Wiesendrusch machen und regionales Saatgut verkaufen, doch gehören sie auf jeden Fall mit zu den Pionieren und müssen daher vieles neu ausprobieren und viel experimentieren. Anders als in der Industrie, in und für die Harald Mayer gearbeitet hat, lässt sich so ein Wiesendrusch nicht termingenau vorplanen und ist auch um einige aufwändiger als etwa das Dreschen eines monokulturellen Getreidefeldes, da die Blumensamen nicht alle gleichzeitig reif werden. Zudem muss das Wetter passen: Die Samen sollten — ebenfalls anders als Getreide — bei der Ernte feucht sein, aber nicht nass. Der Samen muss dann aber zügig trocknen, damit er nicht anfängt zu gären und bei Temperaturen von über 38 Grad seine Keimfähigkeit verliert.