Termin steht fest
Bubsheim bekommt ein Medizinisches Versorgungszentrum
Bubsheim / Lesedauer: 6 min

Frank Czilwa
Lange war es ruhig um das Gesundheitsnetzwerk Heuberg eG und das geplante Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in Bubsheim. Doch jetzt sind die Pläne konkret geworden. Ab 1. Januar 2024 wird das MVZ eröffnet –zunächst im Erdgeschoss des Rathauses, ab 1. Juli dann im ehemaligen Supermarkt mit zwei, ab Juli 2024 dann mit drei Ärzten. Schon seit 1. Juli dieses Jahres ist zudem Veronika Hermle-Wehl als „Patientenlotsin“ in Bubsheim tätig.
Im Juli kommt ein Kinderarzt
Das als gemeinnützige Genossenschaft organisierte Gesundheitsnetzwerk Heuberg gründet (vorbehaltlich der Zustimmung der KV) zum 1. Januar 2024 ein MVZ und beschäftigt dort Inna Zubova (43) und Dr. med. Hans-Jürgen Olpp (64) als Allgemeinmediziner. Zum 1. Juli 2024 wird dann noch Dr. med. Martin Piepkorn (49) als Kinder- und Jugendarzt das Team verstärken. Olpp wird seine bisherige Praxis in Kolbingen ‐ dann aber unter dem organisatorischen Dach des MVZ ‐ weiterführen.
Als Übergangslösung werden die Bubsheimer Praxisräume des MVZ vom 1. Januar 2024 bis Ende Juni im Erdgeschoss des Rathauses untergebracht sein. Die Verwaltung zieht so lange ins Obergeschoss um. Ziel ist es, zum 1. Juli dann neue MVZ-Räum im ehemaligen Supermarkts Irischka an der Straße Im Schnarz anbieten zu können.
Wunsch der Bürger
Es sei schon lange Wunsch der Bevölkerung gewesen, die Ärzteversorgung in Bubsheim und auf dem Heuberg zu verbessern, so Bubsheims Bürgermeister Thomas Leibinger. Die Ärzteversorgung gehört zwar zu den grundlegenden Interessen einer Gemeinde, aber nicht zu deren eigentlichen Aufgaben.
Vielmehr ist hierfür die Kassenärztliche Vereinigung (VK) zuständig. Die hat allerdings Schwierigkeiten, die freien Arztsitze im ländlichen Raum zu besetzen. Deshalb hatte die Gemeinde Bubsheim die Firma Diomedes GmbH aus Melsungen in Nordhessen als Berater hinzu gezogen und mit ihr die Genossenschaft „Gesundheitsnetzwerk Heuberg“ gegründet.
Mitglieder der gemeinnützigen Genossenschaft sind neben der Gemeinde Bubsheim und Dr. Olpp auch die Ärzte Dr. med. Gerd-Ulrich Kirn aus Aldingen und Dr. med. Torsten Erdmann aus Spaichingen. Geschäftsführer ist André Saliger von Diomedes.
Bürgermeister Thomas LeibingerDieser erste Schritt führt nicht voran, sondern stopft Löcher.
Der KV Baden-Württemberg bereitet die hausärztliche Versorgung im Landkreis Tuttlingen „große Sorgen“, bestätigt deren Pressesprecher Kai Sonntag. Derzeit sind im Kreis 23,5 Arztsitze unbesetzt (der halbe Sitz ergibt sich daraus, dass es auch Ärztinnen und Ärzte gibt, die in Teilzeit tätig sind).
Dazu kommt die Altersstruktur der Ärzteschaft im Kreis: Der Anteil der Über-60-Jährigen unter den Hausärzten beträgt laut dem Versorgungs- und Qualitätsbericht 2023 der KV Baden-Württemberg im Landkreis Tuttlingen 39 Prozent. Bei den Kinder- und Jugendärzten beträgt der Anteil der Über-60-Jährigen im Kreis sogar 50 Prozent.
Angesichts solcher Zahlen macht sich Bürgermeister Leibinger auch keine Illusionen: „Dieser erste Schritt führt nicht voran, sondern stopft Löcher.“ Bis zum Arbeitsantritt von Dr. Piepkorn in Bubsheim wird sich durch das neue MVZ auch die Zahl der Ärzte im Kreis nicht erhöhen.
Dr. Olpp praktiziert weiter in Kolbingen
Der 64-jährige Dr. Olpp wird seine Praxis in Kolbingen bis auf weiteres weiterführen ‐ künftig unter dem organisatorischen Dach des MVZ; und Inna Zubova, Fachärztin für Allgemeinmedizin, war bisher Mitglied einer Gemeinschaftpraxis in Spaichingen.
Von Hannover auf den Heuberg
Dr. Piepkorn, so André Saliger, Geschäftsführer des Gesundheitsnetzes Heuberg eG, arbeite seit vielen Jahren als Oberarzt in einem Kinder- und Jugendkrankenhaus in Hannover. Doch seien die Arbeitsbedingungen inzwischen so, dass sie nicht mehr erfüllend seien und Piepkorn nach Veränderung gesucht habe.
Eine Woche lang habe man ihm die Region, die beteiligten Menschen und das Konzept vorgestellt. „Er war vom Angebot und dem Konzept unserer Genossenschaft überzeugt“, sagt Saliger. „Wir bieten ihm Rahmenbedingungen, die ihm eine bessere Patientenversorgung ermöglichen. Dies ist nicht unbedingt überall gegeben. Flache Hierarchien und kurze Wege ermöglichen, Versorgung auch konzeptionell weiterzuentwickeln.“
Die Gründung des MVZ soll ein erster Schritt sein. Mittel- und Langfristig will sich die Genossenschaft auch in der Aus- und Weiterbildung von Nachwuchsmedizinern engagieren und daraus weiteres medizinisches Personal rekrutieren. Gesucht werden derzeit noch Medizinische Fachangestellte.
Was lange währt ...
„Das war kein Sprint, das war auch kein Mittelstreckenlauf, das war ein Langstreckenlauf“, stellt Bürgermeister Leibinger fest. Ende 2020 hatte der Gemeinderat die Gründung der Genossenschaft beschlossen, Mitte 2021 war die Gründung vollzogen worden. Grund für die lange Laufzeit bis zur Umsetzung des MVZ sei letztlich die langwierige Suche nach ärztlichem Personal gewesen.
2019 hatte die Diomedes GmbH das Modell einer Ärzte-Genossenschaft mit der Mednos e.G. im Nordschwarzwald erstmals erprobt, im April 2021 folgte dann eine MVZ-Genossenschaft im Kreis Waldshut.
Umbau kostet rund zwei Millionen Euro
Für die Beratertätigkeit von Diomedes hat die Gemeinde Bubsheim bisher eine Geldsumme „im oberen fünfstelligen Bereich“ in die Hand genommen, so Bürgermeister Leibinger. Der Umbau des ehemaligen Supermarkts soll die Gemeinde Bubsheim geplant rund 2,2 Millionen Euro kosten, wobei Leibinger aber davon ausgeht, dass der Planansatz unterschritten werden kann.

Die Genossenschaft wird die Räume dann von der Gemeinde als Eigentümerin mieten. Derzeit, so Leibinger, liefen zwei Förderanträge für das Projekt: bei der KV und beim Landesprogramm „Landärzte“.
Neue „Patientenlotsin“ für den Heuberg
Künftig ebenfalls unter dem Dach des MVZ wird auch die neue „Patientenlotsin“ („Community Health Nurse“) Veronika Hermle-Wehl aribeten. Die gebürtige Gosheimerin ist examinierte Krankenschwester und Diplom Pflegewirtin mit Erfahrungen sowohl im Krankenhausbereich als auch in der Altenhilfe.
Sie leistet Unterstützung und Hilfe für chronisch Kranke, mehrfach Erkrankte, psychisch Erkrankte, ältere Menschen und deren Angehörige. Ihnen soll sie mit Rat und Tat zur Seite stehen, hilft notwendige Maßnahmen einzuleiten und haupt- und ehrenamtliche Unterstützung zu koordinieren. Dabei arbeitet sie eng mit den Arztpraxen und allen am Versorgungsprozess Beteiligten zusammen.
Hilfe über das Medizinische hinaus
Ihre Aufgabe ist es, die medizinische und soziale Situation der Patienten zu analysieren und so umfassend deren Hilfebedarf zu ermitteln. In Zusammenarbeit mit den haupt- und ehrenamtlichen Angeboten wie Pflegediensten oder der Nachbarschaftshilfe MiKaDo vermittelt sie konkrete Hilfsangebote wie Nachbarschaftshilfe, ambulante Pflege oder Therapien. Es sollen also keine Doppelstrukturen geschaffen werden, betont Hermle-Wehl, sondern das bereits Vorhandene verknpft werden.
Hermle-Wehl hilft auch bei der Beantragung von Leistungen und Auseinandersetzung mit Behörden und Kostenträgern.
Das Projekt Community Health Nurse wird finanziert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Der Projektzuschuss ist bis 31. Mai 2024 befristet.