Jede Hilfe zu spät
Schrecklicher Fund: Mädchen will verletztes Rehkitz retten — vergeblich
Sigmaringendorf / Lesedauer: 4 min

Peggy Meyer
Wenn Sonne und Gras hoch stehen, ist die Mähsaison in vollem Gange. Doch die Mahd birgt Gefahren für junge Wildtiere. Besonders Rehkitze, von der Geiß zum Schutz vor Fressfeinden an diesem vermeintlich „sicheren“ Ort im hohen Gras abgelegt, sind gefährdet. Denn auch wenn die Landwirte verpflichtet sind, die Mahd 24 Stunden vorher beim Jagdpächter anzuzeigen, wird dies längst nicht von allen praktiziert. Und so erleiden Jahr für Jahr viele kleine Kitze einen qualvollen Mähtod. Wie so ein kleines Kitz mit abgemähtem Lauf schreit und leidet, hat vor kurzem Fenja Maile aus Sigmaringendorf erleben müssen.
Tier wirkte erstaunlich fit
Die 14–Jährige ist mit ihrem weißen Schäferhund unterwegs, als sie oberhalb des Kleintierzuchtvereins im Gras am Wegesrand eine Bewegung und ein Geräusch wahrnimmt. „Da lag das kleine Kitz und hat geschrien und versucht aufzustehen“, erzählt Fenja, „da habe ich gesehen, dass ihm ein halbes Bein fehlt“.
Fenja nimmt das Tier mit heim, sie will das hilflose Wesen nicht einfach liegen lassen. „Ich hatte Angst um das Kitz.“ Die Wunde scheint nicht frisch zu sein, das Tier wirkt erstaunlich fit. „Das ist nicht untypisch“, sagt Harald Holl von der Kreisjägervereinigung Sigmaringen und momentan mit dem Kitzrettungsteam im Dauereinsatz. „Auch wenn es dem Tier schlecht geht, zeigt es das nicht, es entwickelt eine Art Schutzreflex.“
Jäger meldet sich bei Familie
Fenjas Vater, Steffen Maile, setzt sich sofort ans Telefon, bittet die Polizei um Hilfe. Ein Jäger aus Wald meldet sich, sie sollen mit dem Kitz zum Tierarzt. „Der hat Antibiotika und Schmerzmittel gespritzt“, erzählt Bianca Maile. Ihr Mann kontaktiert im Internet eine Frau aus Klewe, die Tipps zur Nahrung gibt. Wieder fährt Fenjas Mutter los. „Ich habe dreiprozentige Ziegenmilch gekauft, mit Traubenzucker und Fencheltee gemischt und das Kitz mit einer speziellen Aufzuchtflasche gefüttert“, sagt sie.
Aber nach einigen Stunden geht es dem Kitz zusehends schlechter. Bianca Mailes Stimme zittert. „Ich kann es immer noch nicht fassen, jetzt ist das Tier in unserer Obhut und dann stirbt es.“ Fenja kommen die Tränen. Sie und ihre Eltern haben alles versucht, um das arme Tier zu retten.
14–Jährige macht sich Vorwürfe
Fenja hat helfen wollen, sie hat das Kitz mit seinen großen braunen Augen sofort ins Herz geschlossen. „Ich habe sie Franzi genannt“, verrät sie später. Sie wirkt still und traurig und mache sich sogar Vorwürfe. Ein entfernter Nachbar habe ihr gesagt, sie hätte das Tier nicht anfassen und mitnehmen dürfen. „Aber ich musste doch etwas tun“, sagt Fenja.
Kitzretter suchen Verstärkung
Harald Holl versucht sie zu beruhigen. „Ganz ehrlich, das Kitz hätte draußen noch große Qualen erlitten und eh nicht überlebt.“ Spontan schlägt er Fenja vor, zur nächsten Kitzsuche mitzukommen. „Wir brauchen immer Läufer und Helfer.“ Denn die Kitzretter fliegen mit Drohnen das zu mähende Feld ab, können anhand der Wärmebildkamera die Rehkitze aufspüren.
Diese haben in den ersten Lebenswochen keinen Fluchtinstinkt — im Gegenteil, bei Gefahr drücken sie sich fest auf den Boden. Die Läufer holen die Kitze aus dem Feld, legen sie am schattigen Waldrand ab und bringen sie nach der Mahd sofort wieder an die alte Stelle. Wichtig sei, die Tiere nicht mit bloßen Händen anzufassen, damit kein menschlicher Geruch an ihnen haftet.
„Sonst kann es passieren, dass die Mutter es nicht mehr annimmt“, sagt der Jäger. Auch wenn es für Fenja und ihre Mutter nur ein schwacher Trost ist — bereits am nächsten Abend laufen sie mit dem Drohnenteam übers Feld, um anderen Kitzen ein Schicksal wie Franzi möglichst zu ersparen.

Wer die Kitzretter unterstützen möchte, meldet sich bitte bei Harald Holl unter 0176/30699609