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Post-Vac-Syndrom

Piks mit Folgen: Sigmaringer erleidet Schlaganfall nach Corona–Impfung

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Kurz nach der zweiten Impfung bricht Bernhard Strobel zusammen. Die Konsequenzen spürt er bis heute. Jetzt zieht er vor Gericht.
Veröffentlicht:19.04.2023, 18:15

Von:
  • Mareike Keiper
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Der 30. Juni 2021 und ein kleiner Piks haben Bernhard Strobels Leben verändert, dabei sollte doch erst ein neues Kapitel beginnen. Einen Tag später wollte er seinen neuen Job bei der Huk Coburg in Sigmaringen antreten, das Büro war schon eingerichtet. Doch lange sollte er es nicht besuchen können.

Ich habe der Biontech–Impfung vertraut, sie hatte einen guten Ruf.

Bernhard Strobel

Nach der zweiten Impfung mit dem Biontech–Impfstoff zittert er nachts, bekommt starke Kopfschmerzen, kann plötzlich nicht mehr greifen. Als er aufstehen will, gibt sein Bein nach, er stürzt. Damit beginnt die Leidensgeschichte des Sigmaringers.

Inzwischen haben Ärzte bestätigt: Die Impfung hat bei ihm neurologische Schäden und einen Schlaganfall verursacht, er ist sogenannter Post–Vac–Patient (siehe Ende des Textes). Jetzt kämpft er sich zurück ins Leben und wirft seiner Versicherung wie auch den Behörden vor, ihn im Stich zu lassen.

Neurologische Schäden, ständige Schmerzen

„Mein Leben ist nicht mehr schön“, sagt der 60–Jährige im Gespräch mit der SZ. Seit dem Vorfall kann er nicht mehr arbeiten, verbrachte in der Zwischenzeit mehrere Monate im Krankenhaus, fünf davon am Stück. Die Schmerzen seien enorm gewesen, berichtet er.

Phasenweise habe er den Kopf nicht mehr drehen können, außerdem blau anlaufende Finger — neurologische Ausfälle. „Trotz starker Schmerzmittel ist es zuerst nicht besser geworden“, erinnert er sich. Nachdem er in mehreren Krankenhäusern behandelt worden ist, helfen ihm seit wenigen Wochen Schmerzmitteldepots, die ihm in den Schädel injiziert werden und über einen längeren Zeitraum vorhalten.

Leben aus den Fugen geraten

Verschwunden seien die Schmerzen aber nicht. Der Schlaganfall wirke sich weiterhin auf sein Bein aus, normal gehen kann er nicht mehr. Zwischenzeitlich habe er psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen, weil vieles in seinem Leben nicht mehr funktioniert: „Ich kann keinen Sport mehr machen“, nennt er ein Beispiel.

Darüber hinaus sei er ständig müde, müsse früh schlafen gehen. Sein Hobby, das Kochen, sei für ihn sehr mühsam, genauso Spazierengehen.

Auch sein soziales Umfeld habe sich stark reduziert: Fast alle Freunde haben sich von ihm aufgrund der Impfschäden abgewandt, von manchen habe er hören müssen, er solle nicht „philosophieren“, so Strobel mit Tränen in den Augen. „Achtsamkeit und Meditation tun mir gut, aber ich möchte wieder mehr machen“, fügt er an.

Krankenversicherung stellt Zahlungen ein

Genau das ist das Problem: Strobel will zurück ins Leben, ist zuversichtlich, dass die Symptome sich bessern und er wieder arbeiten gehen kann. Dafür muss er als arbeitsunfähig eingestuft werden, denn nur so erhalte er weiterhin Krankentagegeld, bis er genesen sei oder sich sein Zustand zumindest deutlich verbessert hat. Daran glaubt Strobel.

Seine Krankenversicherung, die Generali, stuft ihn allerdings als berufsunfähig ein. Die Antwort nach einer Anfrage bei Generali Deutschland bestätigt das: Ein medizinisches Gutachten habe die Berufsunfähigkeit festgestellt, womit die Krankentagegeldversicherung endet, so Sprecher Dirk Brandt. Strobel könne ein Gegengutachten einholen, was eine erneute Prüfung seines Falls bei der Gererali auslösen würde. Das sei bisher aber noch nicht geschehen. Infolge habe Strobel seine Krankentagegeldversicherung so umgestellt, dass er, sobald er arbeitsfähig ist, wieder zu den alten Bedingungen versichert ist. Bis dahin ruht das Versicherungsverhältnis.

Finanzielle Folgen

Das Problem zieht weitere Kreise: Weil seine Frau Erspartes auf ihrem Konto hat, lehnt das Jobcenter die beantragte Grundsicherung ab. Das Ehepaar muss vom Ersparten zehren und plant, im Anschluss übergangsweise die Grundsicherung erneut zu beantragen, bis Strobel wieder arbeiten kann.

Im Januar hat er zusätzlich beim Landratsamt Sigmaringen einen Antrag beim Versorgungsamt gestellt, um entschädigt zu werden. Das ist durch das Infektionsschutzgesetz möglich. Laut Karin Richter, Leiterin des Fachbereichs Soziales im Landratsamt Sigmaringen, kann es jedoch bis zu einem Jahr dauern, bis eine Entscheidung fällt.

Kritik an Impfstoff–Hersteller

Strobel zeigt sich enttäuscht: „Ich fühle mich von allen Seiten im Stich gelassen.“ Zwar vertraue er den Ärzten, die ihn behandeln und ernst nehmen, und sehe die Verbesserungen, allerdings kritisiert er, dass es überhaupt erst so weit gekommen ist. „Ich habe der Biontech–Impfung vertraut, sie hatte einen guten Ruf“, sagt er.

Aus diesem Grund klagt er derzeit gegen den Impfstoff–Hersteller. Gegen seine Krankenversicherung läuft ebenfalls eine Klage, um das Krankentagegeld wieder zu erwirken. Gleichzeitig hofft er, dass es nicht nur finanziell eine Antwort gibt, sondern auch eine gesundheitliche Verbesserung, denn Strobel will sein Leben zurück — möglichst ohne Schmerzen.


Das Post-Vac-Syndrom ist laut Robert-Koch-Institut die Beschreibung für gesundheitliche Einschränkungen nach einer Corona-Impfung. Die Symptome ähneln denen von Long Covid, längerfristigen Folgen nach der Erkrankung mit dem Coronavirus. Nach Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es bisher keine einheitliche Registrierung der Nebenwirkungen. Auch die Ursache sei weiter unbekannt.