Stoffarbeiten haben in Frauenklöster Tradition. Seit Jahrhunderten stellen Nonnen in ihren Werkstätten kostbare Paramente her und arbeiten in weißen Leinen transparente Motive ein. Ein großes Wissen und viel Erfahrung haben die Frauen in der beschaulichen Zurückgezogenheit zusammen getragen.
Als das Seelsorgeteam des Kreiskrankenhauses Sigmaringen - Pfarrer Edwin Müller und die Pastoralreferenten Hermann Brodmann und Daniela Segna-Gnant - für die Krankenhauskapelle eine Kunstinstallation bei der Sießener Franziskanerin Schwester Pietra Löbl in Auftrag gab, nahm sich die Klosterfrau Zeit, ihren Ansatz zu finden. Über zwei Jahren hat sie sich inhaltlich mit dem Thema auseinander gesetzt. "Ich habe die Krankenhausseelsorger auf die Intensivstation begleitet. Wir haben Pfleger, Patienten und Angehörige gebeten, ihre Erfahrungen, Sorgen und Wünsche auf Postkarten zu formulieren und Gesprächsrunden gemacht", erzählt Schwester Pietra. Bewegende Rückmeldungen hat die Künstlerin gesammelt: Intimität ist im Krankenhaus nicht immer möglich. Würde wird von Menschen unterschiedlich definiert: Ein Mehrbettzimmer miteinander zu teilen, kann belastend, aber auch tröstlich sein. Als zutiefst menschliches Bedürfnis nach Beziehung und Nähe, Annahme und Bestärkung ist Intimität wesentlicher Teil der Menschenwürde.
Relativ bald wusste die Klosterfrau, dass sie ihren bildnerischen Antwortversuch als einfachen Stoffarbeiten gestalten werde. In den Kloster eigenen Werkstätten der Paramentik und Schneiderei hat sie unterschiedliche Techniken ausprobiert, um ihren ureigenen Weg zu entwickeln.
Gewisse Worte wiederholten sich in den Aussagen von Patienten und Pflegepersonal. Schwester Pietra hat sie gesammelt, auf weißen Stoffbahnen und in weichen Kissen verarbeitet. "Es gibt Worte, da ist so viel drin. Mit denen wird man nicht so schnell fertig. Sie lösen beim Betrachter viele Assoziationen aus", erklärt die Klosterfrau. "Bloß" oder "sich berühren lassen" hat sie zum Beispiel in halbleinenen Stoffbahnen im Format einer Untersuchungsliege eingearbeitet. In vielen stillen Arbeitsstunden hat sie minutiös zweidrittel der Schussfäden und die Hälfte der Kettenfäden abgenommen. Es blieb ein großes quadratisches Feld, transparent wie eine Kompresse. "Die Fäden sind dadurch beweglich geworden. Ich konnte sie einfach zu Worte zusammenziehen", erklärt Schwester Pietra das Ergebnis.
In 20 weichen Kissen hat sie positive und negative Worte in Ausbrenntechnik hinein geprägt. Dafür ist sie in die Werkstätten der Stuttgarter Kunstakademie, wo sie nach ihrem Klostereintritt von 1993 bis 2000 studierte, gereist und hat in zahlreichen Versuchen, sich für einen hauchdünnen Baumwoll-Synthetikstoff entschieden. Mit Säure hat sie die Baumwolle geätzt und Worte wie "geborgen", "ausgeliefert", erscheinen lassen. Patienten, Angehörige und Pflegepersonal tragen in die Kapelle des Kreiskrankenhauses ihre Fragen und Sorgen. In diesem Raum wird Schwester Pietra ihre Kissen auslegen und die Stoffbahnen aufstellen. Sie werden Menschen leise weiterhelfen.