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Klinik in Not

Im Sigmaringer Krankenhaus verlieren 125 Mitarbeiter ihre Jobs

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Erst kürzlich sind zwei Kliniken im Kreis geschlossen worden. Nun steht ein weiterer großer Personalabbau an. Ein Blick auf die Finanzen lässt Böses erahnen.
Veröffentlicht:23.10.2023, 19:00

Von:
  • Michael Hescheler
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Turbulenzen im SRH-Krankenhaus: Wegen eines Verlusts in Höhe von 14 Millionen Euro zieht die Geschäftsleitung die Notbremse und beabsichtigt einen einschneidenden Personalabbau. Etwa 125 Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren. Über die Eckdaten anstehender Kündigungen ist die Belegschaft am Montagnachmittag in einer Betriebsversammlung informiert worden, am Dienstag gibt es ein weiteres Mitarbeitertreffen.

Zeitgleich tagte der Kreistag des Landkreises, der mit rund 42 Prozent am Krankenhaus beteiligt ist. In öffentlicher Sitzung gab die Landrätin eine bereits vor längerer Zeit beschlossene Finanzspritze für das Krankenhaus bekannt.

Noch vor der Sommerpause hatten die beiden Gesellschafter ‐ die Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) und der Landkreis Sigmaringen ‐ beschlossen, dass bis zu 8,5 Millionen Euro neues Kapital in die Klinik fließen werden.

Landkreis überweist 3,5 Millionen Euro

In diesem Jahr hat das Krankenhaus bereits 5,3 Millionen Euro bekommen, im kommenden Jahr werden je nach weiterer wirtschaftlicher Entwicklung bis zu 3,2 Millionen Euro fließen.

Das Geld wird von den beiden Gesellschaftern an die Kliniken-GmbH überwiesen. Nach Höhe ihrer Gesellschaftsanteile übernimmt der Mehrheitsgesellschafter SRH fünf Millionen Euro und der Landkreis Sigmaringen 3,5 Millionen Euro.

Wir wollen den Personalabbau so gestalten, dass ihn die Patienten nicht spüren.

Klinik-Pressesprecherin Barbara Koch

Von den 1340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen rund 125 mit einer Kündigung rechnen. Auf Nachfrage der Schwäbischen Zeitung erläutert Geschäftsführer Jan-Ove Faust, dass knapp zehn Prozent der Mitarbeiter ihre Stelle verlieren werden.

Jan-Ove Faust ist Geschäftsführer des Sigmaringer Krankenhauses. (Foto: SRH-Klinik Sigmaringen)

Betroffen seien alle Berufsgruppen mit Ausnahme der Pflege. Wenn Mitarbeiter aus anderen Abteilungen eine Qualifikation für die Pflege mitbringen, erhielten sie einen neuen Arbeitsvertrag, so Geschäftsführer Faust.

Servicekräfte sollen wegfallen

Das größte Sparpotenzial sieht die Geschäftsführung bei sogenannten Servicekräften, die Ärzte und Pflegekräfte bei Verwaltungsaufgaben unterstützen. Zudem würden in der Verwaltung und in technischen Abteilungen Stellen wegfallen.

Uns war immer klar, dass wir das Krankenhaus Sigmaringen sanieren müssen.

Geschäftsführer Jan-Ove Faust

Mittelfristig wolle das Krankenhaus das Essen zukaufen und vor Ort lediglich noch erhitzen. „Wir wollen den Personalabbau so gestalten, dass ihn die Patienten nicht spüren“, sagt Pressesprecherin Barbara Koch.

Gesellschafter fordern einen Sanierungsplan

„Uns war immer klar, dass wir das Krankenhaus Sigmaringen sanieren müssen, aber die jetzigen Umstände erfordern mehr Tempo“, sagte Faust. Von den Gesellschaftern wurde die Aufstellung eines Sanierungsplans gefordert, weil die Zahl der Patienten rückläufig ist, weshalb die Umsätze sinken.

Geplant waren für dieses Jahr Erlöse in Höhe von 119 Millionen Euro, aktuell rechnet Faust mit einem Rückgang von neun Millionen Euro. Viele Patienten, die vor Corona noch stationär aufgenommen worden sind, würden nun nur noch ambulant versorgt, so der Geschäftsführer.

Ziel ist, die Gespräche mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen. „Wir wollen uns mit den Mitarbeitern, die uns verlassen sollen, schnell einigen“, sagt Faust.

Verluste summieren sich auf 38 Millionen Euro

Für das aktuelle Geschäftsjahr rechnet das Krankenhaus mit einem Verlust in Höhe von 14 Millionen Euro, im Vergleich zum Vorjahr käme dies einer Verdopplung gleich. Die in den Vorjahren aufgelaufenen Verluste zusammengerechnet, wächst der Verlustvortrag in der Bilanz mit diesem Jahr auf rund 38 Millionen Euro an.

Jeder Euro, den Landkreise in Kliniken geben, fehlt den Landkreisen, den Städten und Gemeinden bei der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben.

Landrätin Stefanie Bürkle

Um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, hilft der Gesellschafter SRH mit einem Übergangskredit aus, der bei 9,5 Millionen Euro liegt. Zu marktüblichen Konditionen leiht die Stiftung dem Krankenhaus Geld.

Das sagt die Landrätin

Landrätin Bürkle macht deutlich, dass es sich bei der Finanzierung von Krankenhäusern um keine kommunale Aufgabe handle, sondern diese vielmehr vom Bund und den Krankenkassen zu leisten sei.

Die CDU-Politikerin will sich gegen eine stillschweigende Verschiebung der Verantwortung in die kommunalen Haushalte wehren: „Jeder Euro, den Landkreise in Kliniken geben, fehlt den Landkreisen, den Städten und Gemeinden bei der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben.“

+++ Lesen Sie hier einen Kommentar von Michael Hescheler zum Personalabbau im Krankenhaus +++

Die Landrätin unterrichtete den Kreistag am frühen Montagabend in nichtöffentlicher Sitzung über die anstehenden Entlassungen. Dem Krankenhaus steht nach der Schließung der beiden Häuser in Bad Saulgau und Pfullendorf die nächste Bewährungsprobe bevor.