Engagement
Diese Frau aus Scheer strickt nach Krebserkrankung "Onkomützen"
Scheer / Lesedauer: 4 min

Jennifer Kuhlmann
Als ihr durch Bestrahlung und Chemotherapie die Haare ausfielen, war Stefanie Wobbe im vergangenen Jahr dankbar, dass sie sich im Sigmaringer Krankenhaus ganz unkompliziert ein Exemplar aus einem Stapel Mützen aussuchen konnte. „Es ist nur eine kleine Geste, aber mir hat die Mütze das Gefühl gegeben, dass ich mit meiner Krebserkrankung nicht allein bin“, sagt sie.
Kaum fühlte sie sich fit genug, trat Stefanie Wobbe dem Netzwerk „Onkomütze“ bei und begann ihrerseits Mützen zu nähen. Mittlerweile betreut sie auch die Facebook–Gruppe der Regionalgruppe für Baden–Württemberg und lagert bei sich zu Hause in Scheer Mützen, Wolle und Stoffe.
Diese Botschaft hat das Netzwerk
„Gebt dem Krebs eins auf die Mütze!“ Die Botschaft der Gemeinschaft „Onkomütze“ ist eindeutig. Menschen, die Freude am Nähen, Häkeln und Stricken haben, haben sich zusammengetan, um Menschen in schweren Situationen während einer Krebserkrankung zur Seite zu stehen. „Wenigstens mit einer Mütze oder einem Kissen“, sagt Stefanie Wobbe. Unter der Mütze bleibe der Haarausfall für Unbeteiligte unentdeckt und sie schütze vor Wind, Kälte oder Sonnenbrand. „Gleichzeitig ist sie auch ein Zeichen der Solidarität und Empathie.“
Auch ganz individuelle Exemplare sind möglich
Ihr selbst habe das sehr gutgetan, erinnert sich Stefanie Wobbe. Obwohl sie nach der Brustkrebs–Diagnose nie wirklich allein war. Ihr Mann Sebastian und ihre Kinder haben sie unterstützt und umsorgt. „Trotzdem hat es mir geholfen, dass da auch noch andere an mich und andere Krebspatienten denken“, sagt sie.
Motto der GemeinschaftGebt dem Krebs eins auf die Mütze!
Vor allem, dass das „Onkomütze“–Netzwerk auch das Angebot mache, eine ganz individuelle Mütze maßschneidern zu lassen, habe sie sehr beeindruckt. „Ich habe Fotos von verschiedenen Stoffen in meiner Lieblingsfarbe zugeschickt bekommen und durfte mir ein Schnittmuster aussuchen“, sagt sie.
Dass die Schwestern und Pflegekräfte der Onkologie im Sigmaringer Krankenhaus auf diesen Service aufmerksam machen konnten, liegt daran, dass sich bereits eine Frau im Landkreis für das Netzwerk engagiert und das Krankenhaus mit Mützen versorgt hat. Deren Aufgaben hat Stefanie Wobbe nun übernommen. „Ich möchte mich engagieren, mir gibt das Kraft und Sinn“, sagt sie.
Das liegt schon hinter ihr
Sechs Operationen hat sie zusätzlich zur Chemotherapie überstanden. Beide Brüste wurden ihr dabei abgenommen, weshalb sie zuversichtlich ist, dass der Krebs nicht weiter gestrahlt hat. Ihre Haare sind wieder nachgewachsen und lockiger als vor der Therapie. Derzeit muss sie Medikamente mit Hormonen nehmen. „Ich bin noch nicht wieder topfit, aber die Arbeit und das Nähen lenken mich ganz gut ab“, sagt sie. Von daheim aus berät sie Interessierte zu Eltern–Kind–Kuren.
Arbeitszimmer wird zu Stoff– und Wolllager
In ihrem Arbeitszimmer stapeln sich Wollknäuel und Stoffbahnen. Die meisten sind Spenden von Unterstützern der „Onkomützen“–Bewegung. „Wenn jemand für uns nähen, häkeln oder stricken möchte, kann er bei mir das nötige Material bekommen“, sagt Stefanie Wobbe. Darauf würden nicht alle zurückgreifen, viele würden auch mit selbst gekauften Stoffen nähen und dann die Mützen zu ihr ins Lager schicken. Wenn Anfragen von Krebspatienten kommen, kümmert sich Stefanie Wobbe um die passenden Exemplare und verschickt sie.
Herzlicher Empfang im Krankenhaus
Gerade hat sie sommerliche Mützen ins Sigmaringer Krankenhaus gebracht, wo sie herzlich empfangen wurde. Einmal als Patientin, die immer noch regelmäßig zu Kontrollen vorbeikommt. Und einmal als Ehrenamtliche, die sich um Mützen-Nachschub kümmert.
„Es ist toll, dass es dieses Netzwerk gibt“, findet Gabriele Stalzer, die als Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in der gynäkologisch–onkologischen Tagesklinik arbeitet. „Es gibt den Patienten ein Stück Geborgenheit und Schutz.“ Sie nimmt das Paket deshalb gern stellvertretend für ihr Team entgegen. Im Alltag sind es meist die Krankenschwestern und Pfleger, die Patienten auf das Angebot aufmerksam machen und bei der Mützenauswahl behilflich sind.
Stefanie WobbeWir Krebspatienten haben oft in der Nähe des Schlüsselbeins einen Port, auf den die Gurte ohne Schutz schmerzhaft drücken würden.
Stefanie Wobbes neuste Anfrage kommt aus Ravensburg. Auch dorthin wird sie mit einem Karton voller Mützen und Kissen fahren. „Wir nähen Kissen in Herzform, die nach Brustoperationen unter den Arm geklemmt werden können“, erklärt Stefanie Wobbe. Außerdem gibt es kleine Kissen, die mit Klettverschlüssen an Anschnallgurten im Auto oder der Handtasche, die über der Schulter getragen wird, befestigt werden können. „Wir Krebspatienten haben oft in der Nähe des Schlüsselbeins einen Port, auf den die Gurte ohne Schutz schmerzhaft drücken würden.“
Verstärkung in der Region Oberschwaben kann das Netzwerk übrigens immer gebrauchen. Sei es beim Nähen oder auch beim Ausfahren oder Versenden der Mützen und Kissen. „Interessierte können sich gern über die Facebook–Gruppe „Onkomütze“ — Regionalgruppe Baden–Württemberg melden oder mich persönlich anrufen“, sagt Stefanie Wobbe. Telefonisch ist sie unter 07572/7137001 erreichbar.