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Mengens Bürgermeister reist ohne schlechtes Gewissen zur WM nach Katar

Mengen / Lesedauer: 6 min

Stefan Bubeck glaubt, dass Fußball die Völker mehr verbindet als Politik. Er findet die Boykott-Diskussion heuchlerisch.
Veröffentlicht:24.11.2022, 19:00

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Unter den deutschen Fans, die zur Fußballweltmeisterschaft nach Katar gereist sind, ist auch Mengens Bürgermeister Stefan Bubeck. Über einen Sportreiseveranstalter hat er ein pauschales Rundum-Sorglos-Paket gebucht und wird die drei Vorrunden-Spiele der deutschen Nationalmannschaft im Stadion erleben.

Es ist die sechste WM, bei der er das Gastgeberland besucht. „Für mich stehen der Sport und der Austausch mit Fußballfans aus der ganzen Welt im Vordergrund“, sagt er. Die politischen Diskussionen rund um die WM in Deutschland halte er persönlich für unangebracht und heuchlerisch.

Andere Fußballbegeisterte treffen

Dass er auch bei dieser Weltmeisterschaft live dabei ist, hat Bubeck schon vor vier Jahren entschieden. „Als Fußballfan möchte ich die Atmosphäre im Stadion erleben und andere Menschen treffen, die genauso begeistert sind wie ich“, sagt er. „Außerdem finde ich es spannend, andere Länder zu besuchen, ihre Kultur kennenzulernen und zu erfahren, wie die Menschen dort auf Deutschland blicken.“

Früher habe ich immer alles auf eigene Faust gebucht.

Stefan Bubeck

Mit Mannschafts-Trikot, Deutschland-Fahne und schwarz-rot-goldener Kopfbedeckung im Gepäck hat er sich einer Gruppe von rund 140 Fans aus ganz Deutschland angeschlossen, deren Anreise, Unterbringung, Stadion-Transfer, Eintrittskarten und Rahmenprogramm komplett von einem Reiseveranstalter organisiert wird.

„Damit habe ich 2018 in Russland gute Erfahrungen gemacht“, erzählt er. „Früher habe ich immer alles auf eigene Faust gebucht, aber das war oft sehr zeitaufwendig und kompliziert.“ Mittlerweile empfinde er es als einfacher, alles gegen entsprechende Aufpreise pauschal zu buchen.

Mit dem Flieger von Abu Dhabi zu den Spielen

Untergebracht ist die Gruppe, zu der auch Dieter Spitzfaden aus Altheim gehört, über dessen Reise die „Schwäbische Zeitung“ bereits Anfang der Woche berichtet hat, in einem Hotel in Abu Dhabi in den Vereinten Arabischen Emiraten.

Zu den Spielen mit deutscher Beteiligung geht es mit dem Flugzeug nach Doha und anschließend wieder zurück ins Hotel. „Katar hat die Einreise für ausländische Gäste so geregelt, dass es einen Mindestaufenthalt von 30 Tagen in Hotels gibt“, so Bubeck. „Das kommt ja für die meisten Fans nicht infrage, deshalb ist unser Veranstalter auf Abu Dhabi ausgewichen.“

Auch, wenn der Flug nach Doha nur knapp eine Stunde dauert, sind die deutschen Fans am Mittwoch 24 Stunden auf den Beinen gewesen, um das erste Vorrunden-Spiel von Deutschland gegen Japan anschauen zu können. „Ich bin nachts um 3 Uhr aufgestanden und heute morgen zur gleichen Zeit todmüde ins Bett gefallen“, berichtet Stefan Bubeck am Donnerstagmorgen am Telefon. „Es war alles wirklich gut organisiert, aber wir hatten es uns doch weniger anstrengend vorgestellt.“ Vor allem die Wartezeiten an den Flughäfen seien recht lang gewesen.

Fußballcamps mit Dixiklos

Wie Bubecks Reisegruppe machen es die meisten ausländischen Fußballfans. „Es gibt zwar in Doha direkt sogenannte Fußballcamps, aber mit ihren Zelten und Dixiklos erinnern die mehr an Flüchtlingslager“, so Bubeck. Eine Nacht koste dort dennoch 200 Euro.

Die Fanmeilen in der Innenstadt von Doha seien am Mittwoch eher spärlich besucht gewesen. „Am Flughafen und am Stadion war hingegen beste Stimmung.“ Dort habe es den offiziellen Merchandise und jede Menge Gleichgesinnter gegeben.

Beeindruckend: Stefan Bubeck vor dem Khalifa International Stadium in Doha. (Foto: privat/Schwäbische.de)

Im Stadion hat Mengens Bürgermeister übrigens keinen Cent ausgegeben. Er verzichtete auf das alkoholfreie Bier, das aufgrund des im Stadion herrschenden Alkoholverbots ausgeschenkt wurde. „Wasser wurde in Flaschen kostenlos verteilt.“ Auf dem Hotelgelände in Abu Dhabi sei Alkohol kein Problem. „Dort gibt es einen großen Biergarten mit Leinwand, da können wir die anderen Spiele entspannt verfolgen“, sagt Bubeck. Auch die Preise seien dort nicht so exorbitant wie in Katar.

Es steht uns nicht zu, als Moralaposteln aufzutreten.

Stefan Bubeck

So, wie er die anderen Fans bisher erlebt hat, „ist die Diskussion um Menschenrechte und WM-Boykott typisch deutsch“. Selbst in anderen westeuropäischen Ländern würde man mit Kopfschütteln darauf reagieren. „Meiner Meinung nach steht es uns Deutschen nicht zu, so als Moralaposteln aufzutreten“, findet Bubeck. „Ich empfinde die Diskussion als recht heuchlerisch , denn bei einem Boykott dürfte dann auch in Deutschland niemand mehr einen VW fahren oder ein Konto bei der Deutschen Bank haben.“

Stefan Bubeck genießt den Austausch mit Einheimischen und Fußballfans aus der ganzen Welt. (Foto: privat/Schwäbische.de)

Von einigen Katari habe er gehört, dass sie nicht verstehen könnten, warum der deutsche Wirtschaftsminister einerseits Flüssiggas aus Katar importieren möchte, andererseits aber die Situation im Land öffentlich angeprangert werde. „Ich finde, bei der WM sollte der Fokus auf dem Fußball liegen und nicht mit Politik verknüpft werden“, sagt Bubeck. „Es herrscht hier ein Volksfest wie bei einer Olympiade und das verbindet die Völker ungemein und baut viele Barrieren ab.“

Er und seine Reisegruppe seien von den Einheimischen sehr herzlich und freundlich empfangen worden. „Durch die Akkreditierung über den Reiseveranstalter im Vorfeld gab es auch bei der Einreise oder am Stadion überhaupt keine Probleme.“ Nach der Niederlage der deutschen Mannschaft habe es von allen Seiten aufmunternde Worte gegeben. „Die Wertschätzung für die sportlichen Erfolge der Nationalmannschaft in der Vergangenheit ist überall sehr hoch.“

Reiner Calmund ist im selben Hotel

Zum gebuchten Reiseangebot gehört auch ein Rahmenprogramm mit viel Sightseeing und Diskussionsrunden rund um Fußball. So sind etwa Reiner Calmund, Matze Knop und Dieter Nuhr im selben Hotel untergebracht.

In der kommenden Woche wird sich Stefan Bubeck drei Tage vom Programm ausklinken und einen befreundeten Unternehmer besuchen, der im arabischen Raum lebt. „Da ist die Gruppe dann in Dubai, da war ich schon mehrfach.“

Kein Kopfzerbrechen wegen Energieverbrauch

Darüber, dass in der Heimat der eine oder andere Mengener darüber verärgert sein könnte, dass der Bürgermeister der Stadt die Weihnachtsbeleuchtung streicht, um ein Zeichen zum Energiesparen zu setzen, und dann selbst ganz schön viele Flugmeilen verbraucht, zerbricht Bubeck sich nicht den Kopf. „Solche Menschen wird es immer geben“, sagt er und dass in seiner Reise der CO2-Ausgleich schon gleich mitinbegriffen gewesen sei. „Da werden Bäume gepflanzt und Brunnen gebaut.“

Vielleicht lässt er ein Spiel sausen

Sollte nach dem zweiten Vorrunden-Spiel schon klar sein, dass Deutschland ausscheiden wird, überlegt Bubeck, das dritte Spiel einfach sausen zu lassen. „Statt wieder 24 Stunden unterwegs zu sein, könnte man natürlich auch einfach das gute Wetter und den Pool genießen.“