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Familiengeschichte

Familiengeschichten halten die Kriegsschrecken lebendig

Inzigkofen / Lesedauer: 3 min

Johannes F. Kretschmann und Edwin Ernst Weber arbeiten Kriegserinnerungen auf
Veröffentlicht:09.12.2016, 09:34

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  • Schwäbische.de
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Das kleine Büchlein „Familienerinnerungen aus dem Großen Krieg“ vom Gmeiner-Verlag enthält Geschichten von fünf Autoren, Fotos und die Bilder eines Malers. Zusammen versuchen sie, die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs in die Gegenwart zu transportieren und für die Zukunft lebendig zu erhalten. Edwin Ernst Weber und Johannes F. Kretschmann sind zwei dieser Autoren. Bei einem Lesungsabend in kleiner Runde im Gartenzimmer des ehemaligen Inzigkofer Klosters trugen die beiden ihre Kurzgeschichten aus diesem Buch vor und standen im Anschluss für persönliche Widmungen in den Büchern zur Verfügung.

Der Erste Weltkrieg ist inzwischen schon so lange Vergangenheit, dass der Bezug zu dieser Zeit für Edwin Ernst Weber dessen Großelterngeneration und bei Johannes Kretschmann sogar der der Urgroßeltern ist. Die Geschichten, die innerhalb der Familien weitergegeben worden sind, dienen in den Darstellungen der beiden Autoren als Grundlage und alle beide stehen beeindruckt vor den Kriegerdenkmälern auf den jeweiligen Friedhöfen und entdecken die Namen ihrer Familienangehörigen, die in den Kriegen gefallen sind. „Die Vogesen und der Erste Krieg haben seither für mich einen irgendwie beunruhigenden Klang, die vage Vermutung einer fernen Gefahr von etwas Unheimlichen, Bedrohlichen“, schrieb Edwin Weber. Die Geschichten beider Familien sind darin übereinstimmend, dass die eingezogenen Familienväter oder noch blutjungen Brüder ungern Soldaten gewesen waren. „Der Urgroßvater hätte lieber die Mistgabel anstatt des Bajonetts geschwungen“, wusste Johannes Kretschmann und die Großmutter von Edwin Weber hätte ihren Mann lieber mit einem Strohhut gesehen, anstatt mit Stahlhelm, Gasmaske und zwei Handgranaten. „Von Krieg und Militär wollte er danach ein Leben lang nichts mehr wissen“, schrieb Weber.

Viel später und unverhofft entdeckte Fotografien aus der Kriegszeit ermöglichten Edwin Ernst Weber einen direkteren Blick in diese Zeit. „Diese Bilder sind mir gleichwohl teuer und ich hüte sie wie einen Schatz“, las er und erlaubte sich gleichzeitig einige persönliche Interpretationen. Darin hatte sich sein Großvater damals offensichtlich mit Gottvertrauen mit dem Krieg abgefunden und ein anderes Foto von Frau mit Töchtern ließ seine Vermutung zu, dass dieses Foto an der Front an zuhause erinnert haben mochte. Ein außerdem entdeckter Stapel Sterbebilder aus dem Heimatort Webers, mit den Gefallenen mit Pickelhaube, veranschaulichte den Verlust der Familien und dass diese Gefallenen dann nur noch im Bild den Familien angehören konnten.

Kretschmann spircht von staatlich verordnetem Töten

Auch Johannes Kretschmann stellte seine Überlegungen an, was dieser Krieg wohl mit den Menschen und ihren Beziehungen gemacht haben mochte. Wie verlief wohl der Abschied nach dem Fronturlaub, wie trugen die Daheimgebliebenen später ihre Bürde am Verlust, wenn der Verwandte „mit Todesursache Krieg“ in einem Zink-Sarg oder gar nicht mehr zurückkehrte? Als „staatlich verordnetes Töten, wenn Männer anderen Männern ihr Leben in Weltkriegen opfern“, beschrieb Johannes Kretschmann den Wahnsinn der Weltkriege, während Edwin Ernst Weber den Krieg als „Dienst einer heiligen Pflicht, bei der die Soldaten ihr Leben für das Vaterland opfern“, von einem Mahnmal zitierte. „Gott, wie ich ihn verstehe, verlangt keine Opfer im Krieg“, hält er persönlich dagegen und schätzt das Schicksal seiner eigenen Familie „als Spiegel der großen Geschichte, gerade auch mit Katastrophen und Abgründen.“