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Liebhaber oder Abriss: Ältestes Gasthofgebäude der Stadt benötigt Investor
Gammertingen / Lesedauer: 4 min

Julia Brunner
Sie ist ein besonderes Gebäude, die Alte Post in Gammertingen. Die alten Holzdielen knarren, wenn man über die breiten Planken geht. In jedem Raum zeugen teils vergilbte, teils abblätternde Tapeten von einer anderen Zeit.
Ein Haus mit langer Geschichte
Damals, vor 100, 200 und beinahe 300 Jahren, als die alte Post erst Gasthof, dann Posthalterei, Unterbringung für russische Kriegsgefangene, Mietshaus, SA-Kaserne, Reservelazaret des Kreisaltersheim und schließlich Lager für die jetzigen Inhaber der Firma und Familie Spohn war. Es ist das älteste noch erhaltene Gasthofgebäude im Ort.
Heute ist die Imposanz der Post noch zu erahnen. Nicht nur von außen ist sie deutlich in die Jahre gekommen. „Die Tapeten und alles sind noch super authentisch. Die Stuckdecke und die Beschläge an den Fenstern sind noch aus dieser Zeit“, sagt Architekt Elmar Heinemann bei einem Gang durch das Gebäude.
Elmar HeinemannDiese breiten Holzdielen hat man so nur noch in Schlössern.
An einigen Decken zeigen sich Risse, das Geländer der Treppe ist von Holzwürmern durchlöchert. Die Dielen sind so abgelaufen, dass sich die Astaugen nach oben wölben. „Diese breiten Holzdielen hat man so nur noch in Schlössern“, sagt Heinemann. Schon 1750 stand laut dem Häuserbuch der Stadt Gammertingen an der Reutlinger Straße ‐ damals Bronnemer Gaß genannt ‐ der Gasthof „Zur Sonne“.
1787 zog die Thurn und Taxis’sche Posthalterei ein und das Gebäude erhielt um 1800 den Namen „Post“. Hier kehrten Reisende ein, Postkutschen hielten an der Straße und Pferde wurden versorgt. Mit Eröffnung der Bahnstrecke Burladingen-Sigmaringen 1908 wurde die Posthalterei aufgegeben.
Lange wurde die Post als Lager genutzt
Im mit Steinplatten ausgelegten Gewölbekeller, den man über zwei Treppenabstiege erreicht, wurden Vorräte, Bier und Most gelagert. Zwei alte, verstaubte kleine Holzfässer stehen in den beiden großen Räumen. Eine Jahreszahl, die darauf schließen lässt, seit wann sie sich im Keller befinden, ist nicht auf ihre Deckel gebrannt.
Katja Spohn, deren Großvater das Gebäude 1956 vom Landkreis Sigmaringen gekauft hat, nutze das Gebäude hauptsächlich als Lager. „Als Kinder haben wir hier nicht gespielt. Im Gewölbekeller haben wir aber lange Äpfel und Kartoffeln gelagert“, sagt sie und erinnert sich daran, dass diese trotz langer Lagerung immer gut geschmeckt hätten.
Ihr Großvater habe das Gebäude gekauft, weil es ein Nachbargrundstück war. Anfang der 1970er Jahre hat die Familie selbst in der Reutlingerstraße gebaut. Die Post durfte sie aber nicht abreißen und neu bauen, da das Gebäude damals noch unter Denkmalschutz stand. Jahrelang stand dann jeder Raum mit Regalen und Material voll.

„Wir haben alles als Warenlager genutzt“, sagt Spohn. Sie hat vor einigen Jahren angefangen, das Gebäude auszuräumen. Ein Schraubenlager kaufte ein Deutscher und exportierte es auf seine Plantage nach Afrika. Skizubehör ging nach Oslo in Norwegen. „Der Wandel der Jahrzehnte war hier gesammelt“, so Spohn. Seit etwa einem Jahr steht die Post leer.
Ein Liebhaber müsste viel Geld in die Post investieren
Wie es mit dem Gebäude weitere geht? „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder es findet sich ein Liebhaber oder es wird abgerissen“, sagt sie. Die Post zu restaurieren, wäre eine teure, aufwändige Aufgabe. Die Bausubstanz des Gebäudes ist schlecht, sagt Heinemann.
Elmar HeinemannDas machen Leute, die sich dafür interessieren, solche historischen Gebäude zu erhalten.
Andere Teile, wie die Dielen, sind aber gut erhalten und könnten wieder eingebaut werden. „Das machen Leute, die sich dafür interessieren, solche historischen Gebäude zu erhalten“, erzählt er. Dazu brauche es Geld, Spaß an der Aufgabe und Geduld. Geduld mit Behörden, aber auch für die Zeit, die eine Sanierung in Anspruch nehmen würde.
„So ein Haus spricht zu einem, wenn man sich längere Zeit darin bewegt“, sagt Heinemann. Eine Wand im Obergeschoss, so erkennt er mit einem Klopfen der Fingerknöchel gegen die Tapete, wurde nachträglich eingebaut. Einige Wände wurden nicht tapeziert sondern Muster mit einer Walze auf den Putz übertragen.
Runde Löcher in den Wänden und Bleche auf den Böden zeigen, wo früher Holzöfen zum Heizen standen. Möglich wäre es, in der Post Eigentumswohnungen einzurichten, so Heinemann. „In Stuttgart oder am See würde man das schon lange umbauen“, sagt er.
In Gammertingen aber bleibt die alte Post erstmal so wie sie ist. Bis sich ein Liebhaber findet oder das Gebäude dem Abriss weichen muss.