StartseiteRegionalRegion TuttlingenTuttlingenFotos vom Tatort belegen die Brutalität: Richter erleidet Schwächeanfall

Doppelmord in Elmshorn

Fotos vom Tatort belegen die Brutalität: Richter erleidet Schwächeanfall

Itzehoe / Lesedauer: 8 min

Vor dem Landgericht Itzehoe äußert sich der 30-Jährige zu seiner Tat. Bilder dokumentieren die Brutalität. Einem der Richter ist das zu viel, er kippt vom Stuhl.
Veröffentlicht:03.02.2023, 11:50

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HINWEIS: Die vor Gericht geschilderten Details sind äußerst verstörend und brutal. Sensible Personen sollten dies vor dem Lesen des Textes zwingend berücksichtigen.

Der Kripo-Beamte erlebte Hussein M. als „geständige, auskunftsbereite Person“. Der 30-Jährige aus Tuttlingen hatte die Besatzung eines Streifenwagens herangewunken und den Beamten eröffnet, dass er auf zwei Menschen eingestochen und sie umgebracht habe.

Später führte er den Kripo-Mann bereitwillig zu der Stelle, wo er das Messer weggeworfen hatte. In dem Prozess vor dem Landgericht Itzehoe wurde nun an zwei Tagen weiterverhandelt.

Verlobte ist gleichzeitig die Cousine

Hussein M. soll am 9. Juli 2022 in Elmshorn Zahra H. und Yusra B. erstochen haben. Die eine aus enttäuschter Liebe. Die andere, die in der gleichen Wohnung lebte, stand daneben und musste ebenfalls sterben.

In seiner Aussage bei der Polizei räumte er das Verbrechen ein und erklärte detailliert, wie die Bluttat ablief, erinnerte sich der Beamte im Zeugenstand. Zahra H. war die Cousine und Verlobte von Hussein M., die Beziehung zerbrach. M. wollte seine Verlobungsgeschenke im Wert von 2.500 Euro zurück.

Enttäuschte Liebe und Alkohol führen zum Mord

Am 8. Juli setzte sich Hussein M. alkoholisiert abends in Tuttlingen in den Zug. Er ging am nächsten Morgen in Elmshorn zum Haus von Zahra H., klingelte bei einem anderen Bewohner und kam so ins Gebäude.

Es war der Tag des muslimischen Zuckerfestes, M. war sich sicher, dass die Tür irgendwann aufgehen würde. In seiner Jackentasche steckte ein wuchtiges Taschenmesser.

Ihm ist alles egal

Er wartete ruhig, bis er hörte, dass das Türschloss betätigt wurde. Sofort hielt er die Tür mit der linken Hand offen und drängte in die Wohnung. Zahra H. schrie vor Schreck. Hussein M. stach auf sie ein.

Seinen Plan, mit ihr zu sprechen, gab er laut seines Geständnisses beim ersten Schrei auf: Jetzt sei alles egal, weil die Polizei sowieso kommen werden, erinnerte sich der Polizist an seine Aussage.

20 Mal zugestochen

Yusra B. stand im Wohnzimmer in Schockstarre, als ihre Freundin mit rund 20 Stichen getötet wurde. Sie hatte Hussein M. zuvor beleidigt: Er sei kein Mann. Auch sie tötete der 30-Jährige mit zahlreichen Messerstichen.

Anschließend trat Hussein M. auf Zahra H. ein und stellte fest, dass sie tot war. Er klappte und steckte das Messer ein, nahm seinen Rucksack und verließ die Wohnung. Dabei vergaß er seine Mütze.

Hussein M. ist geständig

Gleich neben dem Haus in der Friedenstraße erfasste eine Videokamera um 12.48 Uhr eine Person auf dem Gehweg, die zu seiner Beschreibung passt. Hussein M. ging wenige Hundert Meter zu einer Bushaltestelle. Dort winkte er den Streifenwagen heran.

Gut 20 Meter vor der Haltestelle warf er das Messer in eine Hecke. Dort fand die Polizei das mutmaßliche Tatwerkzeug mit Blutspuren. Der Mann aus Tuttlingen hatte dem Elmshorner Polizisten bereitwillig erklärt, was sich wie zugetragen hatte. Sogar gegen die Auswertung seines Handys wehrte er sich nicht.

Das Video der Vernehmung wurde am vierten Verhandlungstag vorgeführt. Dort hatte er sein damaliges Geständnis relativiert. Er habe die Frauen nicht töten wollen. Dass er ein Messer dabei hatte, sei ihm während der Wartezeit vor der Wohnungstür nicht bewusst gewesen. Aber schon als er Zahra H. an der Wohnungstür überrumpelte, habe er die Waffe in der rechten Hand gehabt. Als die Frau schrie, habe er zugestochen.

Täter und Opfer kennen sich jahrelang

Ausführlich schilderte Hussein M. die Vorgeschichte des Verbrechens. Sowohl er als auch seine Opfer stammen aus Eritrea. Kennengelernt hätten sich M. und Zahra H. 2015 in Ägypten, dort hätten sie sechs Jahre lang zusammen verbracht. Damals war H. nach seiner Darstellung noch mit einem anderen Mann verheiratet.

Der ging zurück nach Eritrea und holte seine Frau nach. Hussein M. gelangte per Schlauchboot übers Mittelmeer nach Italien und kam zehn Monate später nach Deutschland. Im Frühjahr 2022 meldete sich Zahra H. bei ihm: Sie sei ebenfalls in Deutschland und nicht mehr mit ihrem Mann zusammen. Hussein M. habe ihr seine Liebe gestanden, sie seine Gefühle erwidert.

Goldkette als Heiratsgeschenk

Nach zwei Wochen begab sich Hussein M. nach Elmshorn. Eine Woche lang habe er bei ihr und ihrer Freundin Yusra B. gewohnt. Zur Bekräftigung seines Heiratsversprechens habe er ihr eine goldene Halskette geschenkt. „Die hatte sie heute auch an“, stellte Hussein M. in seiner Vernehmung fest.

Wie es Brauch in seiner Kultur sei, habe er ihr noch mehr Geschenke gemacht: Gemeinsam hätten sie in Hamburg ein Kaffeeservice im Wert von 300 Euro gekauft, in einem Drogerie-Markt habe er Kosmetik für sie bezahlt.

Außerdem habe er Zahra H. 500 Euro zum Leben gegeben, weitere 500 Euro für Kleider überwiesen und ein Handy für sie gekauft, das er ihr allerdings noch nicht übergeben habe. „Ich habe jetzt 2.500 Euro für sie ausgegeben“, rechnete er dem Polizisten vor.

Verlobte bricht Beziehung ab

Doch die Beziehung kühlte schnell ab. Zahra H. ging nicht mehr ans Telefon. Als sie dann doch telefonierten, kam es zu einem Streit über Banalitäten. Hussein M. versuchte es über Yusra B., bis die ihm ausrichtete, dass Zahra H. nicht mit ihm sprechen möchte. Also kam Hussein M. nach Elmshorn, um zu klären, ob die Beziehung Bestand habe.

Um zwei Uhr nachts sei er am Bahnhof eingetroffen, aber keine der Frauen sei ans Telefon gegangen. Auf Klingeln an der Haustür hätten sie ebenfalls nicht reagiert; seine Textnachrichten hätten sie zwar gelesen, aber nicht beantwortet. Hussein M. lief bis zum nächsten Morgen durch Elmshorn, dann fuhr er mit dem Zug nach Hamburg. Seine Verbindung nach Tuttlingen sollte gegen 17 Uhr starten.

In der Wartezeit saß er in einem Restaurant, er fühlte sich sehr enttäuscht. Schließlich schrieb er Zahra H.: „Du bist eine Schlampe geworden.“ Sie antwortete im gleichen Tonfall: Seine Mutter sei eine Schlampe, er der Sohn einer Schlampe. Dann blockierte sie ihn.

Hussein M. will Geschenke zurück

Hussein M. wandte sich wiederum an Yusra B: Er habe verstanden, dass die Beziehung beendet sei. Aber er wolle sein Geld zurück. Schließlich blockierten ihn beide Frauen, M. wandte sich mit seiner Forderung an Zahra H.s Onkel und Bruder. „Ich will nur mein Geld“, habe er noch am Tag vor der Tat dem Bruder gesagt. Die Verwandten rieten ihm zur Geduld.

Dann fasste Hussein M. den verhängnisvollen Entschluss, nochmals nach Elmshorn zu fahren, um sein Geld von Zahra H. zurückzuverlangen. Dazu kam es aber nicht mehr. Als Zahra H. die Wohnungstür öffnete, erstach er die Frauen. „Dreamer“ steht in schwarzer Schrift auf dem roten T-Shirt, das Zahra H. bei ihrem Tod trug.

Es ist blutgetränkt und weist Einschnitte auf, als die Rechtsmedizinerin Antonia Fitzek das Kleidungsstück fotografiert. Sie war abends in Elmshorn eingetroffen, als Hussein M. auf dem Polizeirevier seine Aussage machte.

Frauen versuchten sich gegen Messerstiche zu schützen

Fitzek registriert tiefe, klaffende Wunden, an mehreren ist abzulesen, dass das Messer während des Einstichs bewegt wurde. Zahra H. wurde mindestens neunmal in Brust und Bauch getroffen, einmal an der Halsseite. Dazu kommen, wie bei Yusra B., Abwehrverletzungen an Händen und Armen.

Die Wunden reichen teilweise sehr tief, bei Yusra B. ist aus einem Schnitt Gekröse ausgetreten; Gewebe, das den Darm an seinem Platz hält. Bei ihr sind Brust- und Bauchhöhle aufgeschnitten; bei der Brust hat das zur Folge, dass die Lungenflügel kollabierten.

Mediziner findet Blutspritzer an der Wand

Die Leichen lagen in einer großen Blutlache. „Extrem viel Blutverlust“ führte bei beiden Frauen dazu, dass die Leichenflecke sehr schwach ausgeprägt gewesen seien, referiert die Medizinerin.

Im Hausflur hatte Fitzek Blutspritzer an der Wand dokumentiert, die fast bis auf die Höhe des Querbalkens einer Zimmertür hinauf reichten.

Richter erleidet Schwächeanfall

Gegen Ende ihrer Ausführungen und Fotos erleidet einer der Richter als Beisitzer in der Großen Strafkammer einen Schwächeanfall. Er arbeitet erst seit Jahresanfang als Richter am Landgericht, dieser ist einer seiner ersten Prozesse.

Er kippt von seinem Stuhl. Die Medizinerin Fitzek versorgt den Richter. Anderthalb Stunden später sitzt er wieder in seinem Stuhl und die Verhandlung wird fortgesetzt. Hussein M. studiert die Fotos der Leichname äußerlich ungerührt, er wirkt vielmehr interessiert.