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Stadtverwaltung

„Jugendliche sind nicht mehr leidensfähig“

Trossingen / Lesedauer: 3 min

Stadtjugendreferen Tobias Götz arbeitet in Zukunft mit ehemaligen Straffälligen
Veröffentlicht:05.10.2018, 16:16

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Stadtjugendreferent Tobias Götz verlässt zum Ende des Jahres die Stadtverwaltung. Er hat eine neue berufliche Herausforderung gefunden. Für die Jugendarbeit der Stadt bedeutet dies den zweiten spürbaren Umbruch innerhalb von knapp zwei Jahren.

„Es ist an der Zeit, was Neues zu machen“, sagt Tobias Götz im Gespräch mit der Trossinger Zeitung. Seinen Job als Jugendreferent in Trossingen hat er in den vergangenen fünf Jahren gerne gemacht. „Hier macht es sehr viel Spaß und die Verwaltung gibt einem viel Freiraum.“ Dennoch hat Götz sich um einen anderen Job bemüht und wird diesen im Januar auch antreten. „Ich übernehme die Heimleitung in einem Übergangswohnheim im Bereich der Strafgefangenenhilfe.“ Hat er bisher mit Jugendlichen zu tun, werden seine Schützlinge in Zukunft Erwachsene sein, die kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden sind. „Da wartet auch jede Menge pädagogische Arbeit auf mich“, ist sich Götz sicher. Denn Ziel sei es, die Menschen wieder an ein Leben in Freiheit, jenseits der Kriminalität und an ein geregeltes Arbeitsleben zu gewöhnen.

„Die Arbeit mit Jugendlichen wird mir ein Stück weit fehlen. Der Vorteil ist, dass man sieht, wie sie sich entwickeln – oder eben auch nicht“, sagt Götz und ergänzt: „An manchen Jugendlichen beißt man sich die Zähne aus.“ In seiner Zeit in Trossingen habe er eingesehen, „dass ich nicht alle retten kann. Wenn ich ein oder zwei Jugendliche erreiche, ist das aber schon mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“. Dieser rationale Blick werde ihm auch bei der Arbeit mit den ehemaligen Straffälligen helfen, ist er sich sicher. „Jeder Mensch entscheidet selbst, wie er seinen Weg geht. Der ein oder andere wird sicher wieder in die alte kriminelle Karriere einsteigen. Aber eben nicht alle.“ Die, die ihre zweite Chance nutzen wollen, die liegen Tobias Götz besonders am Herzen.

Hart aber herzlich, so wirkt er in seiner Arbeit mit Jugendlichen oft auch auf Außenstehende. Der verständnisvolle Kuschelpädagoge wolle er nicht sein, sagt Götz. „Wenn ein Jugendlicher was macht, was Mist ist, dann sage ich ihm das auch.“ Klare Worte und das Angebot zur Hilfe, das sei eine wichtige Kombination. „Zu viele Eltern wissen gar nicht, was ihre Kinder treiben und fallen dann aus allen Wolken, wenn bewaffnete Polizisten früh morgens ihren Sohn auf den Boden drücken und festnehmen“, berichtet der Sozialpädagoge von tatsächlichen Begebenheiten.

„Viele Kinder und Jugendliche leben heute in einer Blase, sie sind nicht mehr leidensfähig“, sagt Götz und nennt ein Beispiel. „Ich habe in meiner Zeit hier etwa 25 Jugendliche in eine Ausbildung gebracht. Immer wieder kam es vor, dass manche nach zwei Wochen wieder vor meine Tür standen. Sie hätten Schwierigkeiten mit dem Chef, die sie nicht klären könnten. Oft war es nur eine zwischenmenschliche Kleinigkeit. der Chef hatte schlechte Laune und der Lehrling im Handwersbetrieb fühlte sich gleich gemobbt.“ In manchen dieser Fälle sei auch mit gutem Zureden nichts zu gewinnen gewesen. „Diese Jugendliche scheuen die direkte Auseinandersetzung und weichen lieber aus“, so Götz weiter. Die oftmals verherenden Auswirkungen auf ihr weiteres Leben hätten sie dabei nicht im Blick.

In seiner Zeit in Trossingen hätten erst drei Mal Eltern den Kontakt zum Jugendreferat gesucht, weil sie merkten, dass ihnen ihre Kinder entgleiten. „Die meisten realisieren es erst, wenn sich Polizei und Jugendamt einschalten. „Wenn man aber frühzeitig gegensteuert, muss es gar nicht so schlimm kommen“, gibt Götz allen Eltern einen Rat mit auf den Weg.