2. Fußball-Bundesliga
Tim Kleindienst ballert den FCH über Nacht an die Spitze
Heidenheim / Lesedauer: 5 min

Schwäbische.de
Als Tim Kleindienst links neben dem Tor den Platz verließ und gemächlich vor der Heidenheimer Osttribüne entlangspaziert ist, da ist es noch einmal ganz laut geworden in der Voith–Arena. Man hätte meinen können, dieser 27–Jährige hätte soeben einen Treffer erzielt.
Nein, hat er nicht, das hatte er bereits zuvor erledigt. Und nicht nur einmal. Frank Schmidt wollte seinem Dreifachtorschützen diesen frenetischen Applaus gönnen. Einmal mehr war es der 1,94 Meter große Stürmer, der seinen 1. FC Heidenheim auf die Siegerstraße führte, dafür sorgte, dass der FCH an diesem 25. Spieltag mit 5:2 gegen den formstarken Karlsruher SC gewann. Es ist die Saison des FCH, der sich mit 50 Punkten nun ganz oben im Klassement wiederfindet und dort zumindest eine Nacht bleiben darf. Es ist aber auch die Saison des Tim Kleindienst, der mit seinen Toren 17,18 und 19 seinen bereits gebrochenen persönlichen Rekord weiter ausbaut. 14 Tore im Fußball–Unterhaus waren es bis dato.
Karlsruhe startet fulminant, FCH ist nicht wiederzuerkennen
Dass es zu dieser Szene vor der singenden Osttribüne in der Schlussminute eines wirklich ereignisreichen Spiels kommen würde, das hatte nach rund einer halben Stunde vermutlich niemand der anwesenden knapp 13.000 Zuschauer in der Voith–Arena gedacht. Karlsruhe ist bis zu dieser Partie neben dem FC St. Pauli so etwas wie die Mannschaft der Stunde der 2. Liga gewesen, reiste selbstbewusst, mit fünf Siegen in Serie an die Brenz. Dieses Selbstbewusstsein brachte der KSC schließlich auch auf den Rasen, kombinierte sicher und brachte Heidenheim an den Rand der Verzweiflung. Verzeifelt wirkte an diesem Abend auch Heidenheims Tim Siersleben, der im eigenen Sechzehner ins Dribbling ging, den Ball an Mikkel Kaufmann verlor und sich bei seinem Schlussmann Kevin Müller bedanken konnte, dass es nicht bereits in der siebten Minute 0:1 stand. Doch das 0:1 sollte folgen, weil der KSC weiter dominant war und Heidenheim nicht einmal im Ansatz an seine vor allem zu Hause beeindruckenden Leistungen anknüpfen konnte. Leon Jensen traf, nachdem zuvor Müller noch den Rückstand verhindern konnte. Der FCH bäumte sich nicht auf, im Gegenteil. Der KSC blieb spielbestimmend, durfte sich aber bei Siersleben bedanken, der erneut den Ball im Dribbling verlor. Paul Nebel schaltete schnell, klaute den Ball und legte quer auf Kaufmann, der zum 2:0 für die Badener einnetzte (23.). So ruhig war es schon lange nicht mehr im Stadion des heimstärksten Teams dieser Liga.
Ex–Heidenheimer verzieht nur knapp
„Das hätte niemand gedacht. Wir sind so unfassbar schlecht in das Spiel gestartet, schlechter geht es nicht“, resümierte auch Kleindienst nach diesen 90 Minuten. Der FCH schien immer noch nicht reagieren zu wollen, stattdessen verzog Philipp Heise nur knapp auf rund 18 Metern. Jener Heise, der von 2013 bis 2015 auch einmal das Heidenheimer Trikot trug. Es wäre womöglich der Knockout gewesen, doch es sollte anders kommen. Denn der FCH verfügt über Tim Kleindienst, über den Karlsruhes Trainer Christian Eichner nach der Partie sagte, dass er nicht in diese Liga gehöre. Von Florian Pick angespielt zog Kleindienst vom rechten Strafraumeck ab, schnurgerade flog der Ball zum 1:2 in die linke Ecke (38.). Diesem Treffer ging eigentlich nicht einmal eine Chance voraus, es war einzig die individuelle Klasse dieses Mannes, der am Ende so laut gefeiert wurde. Noch einmal, nur kurze Zeit später, bediente Pick seinen Stürmer erneut. Ein Haken, ein Schuss, diesmal mit links — 2:2, Halbzeit.
Kleindienst dreht per Kopf die Partie komplett
In der Halbzeit dann soll es laut geworden sein, wie aus Spielerkreisen zu hören war. Obwohl der Turnaround geschafft zu sein schien, wechselte Schmidt zweimal. Er erlöste Siersleben und wechselte auch den schwachen Christian Kühlwetter aus, Stefan Schimmer und Kevin Sessa kamen in die Partie. Und dann plötzlich spielte der FCH so, wie er es die ganze Saison über in seinem eigenen Zuhause getan hatte. „In der zweiten Halbzeit haben wir dann das gezeigt, wofür wir eigentlich bekannt sind. Es war eine brutale Energie. Jeder war auf einmal da, es war ein komplett anderes Spiel“, hatte auch Kleindienst festgestellt.
Der „alte“ FCH ist in Halbzeit zwei wieder da
Zunächst lenkte KSC–Schlussmann Marius Gersbeck einen Schuss von Jan–Niklas Beste an die Latte (49.), nach der anschließenden Ecke von Beste dann aber drehte Kleindienst per Kopf das Spiel komplett, jetzt spätestens war die Voith–Arena wieder so richtig laut. In der 62. Minute war es Pick, der das Leder aus der Distanz in die rechte Ecke zwirbelte, den Schlusspunkt dann durfte Heidenheims Eigengewächs Sessa setzen: ebenfalls aus der Distanz schweißte er den Ball in den linken Winkel zum 5:2–Erfolg des FCH. Es funktionierte letztlich alles bei diesen Heidenheimern — und das nach diesen so schwachen ersten rund 30 Minuten.
Damit hat sich der FCH auf den ersten Platz geschoben, nach 25 Spielen und vor der Länderspielpause. Was in Heidenheim passiert, ist längst kein Zufall mehr, die Bundesliga längst kein utopisches Ziel mehr.