StartseiteRegionalRegion OstalbHeidenheimFrank Schmidt: Das kann ja noch gar nicht der Höhepunkt sein

Oberliga

Frank Schmidt: Das kann ja noch gar nicht der Höhepunkt sein

Heidenheim / Lesedauer: 9 min

Frank Schmidt hat den 1. FC Heidenheim auf den dritten Platz der 2. Liga geführt – schon wieder
Veröffentlicht:10.12.2022, 18:50

Von:
Artikel teilen:

Erst in diesem Herbst hatte Frank Schmidt sein 15-jähriges Dienstjubiläum gefeiert. In diesen 15 Jahren führte er den 1. FC Heidenheim aus der Oberliga bis in die 2. Fußball-Bundesliga. Das Ende scheint aber noch nicht erreicht, überwintert der FCH doch in dieser langen Pause mit 33 Punkten auf dem dritten Platz der Tabelle. Komfortabel, vier Punkte Vorsprung sind es auf den Vierten. Redaktionsleiter Timo Lämmerhirt hat sich mit Frank Schmidt zum Ende der Saison unterhalten und wollte natürlich vor allem eines wissen: Steigt der FCH tatsächlich in die Bundesliga auf?

Eine beeindruckende Hinrunde liegt hinter Euch, mit einem dicken Ausrufezeichen zum Ende hin: neun Punkte in der finalen Englischen Woche, dazu die Spektakel in Sandhausen (4:3) und daheim gegen Regensburg (5:4). Beschreib doch bitte zunächst einmal diese Wahnsinnswoche.

Es war schon unglaublich, aber auf den anderen Plätzen ging es ja ähnlich turbulent zu. Es ist einfach dem geschuldet, dass bei den Mannschaften die Frische und die Konzentration nicht mehr vorhanden waren. Es waren Spiele mit offenem Visier. Wir haben in zwei Spielen unser Tor nicht gut verteidigt, was wir bis dato die ganze Saison über gut gemacht hatten. Es passt aber zu unserer Saison, dass es am Ende für uns ausgegangen ist. Deswegen war es im Nachgang ein wilder Ritt, den wir gerne gemacht haben.

Wenn man Euch von außen betrachtet, um Eure beeindruckende Heimbilanz weiß, dann könnte man meinen, in der stets ausverkauften Voith-Arena brennt es regelmäßig lichterloh. Dem ist nicht so, die Fans kommen nicht, zumindest nicht in der Form, wie man es erwarten könnte. Habt Ihr eine Erklärung dafür?

Das kann ich weder beurteilen, noch beantworten. Ich bin schon ein wenig enttäuscht darüber. In anderen Bundesländern sind die Stadien voll, da lechzen alle nach einem Stadionbesuch. Vielleicht hat das was mit der Region zu tun, vielleicht lassen sich die Menschen hier mehr beeinflussen, durch Corona, durch den Ukraine-Krieg. Im Ruhrgebiet beispielsweise ist man es gewohnt, dass nicht alles rund läuft im Leben, deswegen geht man dann zum Fußball. Hier ist es vielleicht umgekehrt. Wir sind noch ein junger Profiverein, müssen mehr Geduld haben – am Sportlichen kann es ja nicht liegen.

Fühlt Ihr Euch denn mittlerweile bundesweit genug beachtet, wenn schon nicht daheim?

Heidenheim wird unheimlich akzeptiert und wahrgenommen in Fußball-Deutschland. Das beste Beispiel ist doch Lukas Kwasniok (Trainer des SC Paderborn, d. Red.), der uns mit „unkaputtbar“ huldigt. Dafür stehen wir, das haben wir uns erarbeitet. Nicht nur in dieser Saison , im letzten Jahrzehnt.

Also liegt es am eigenen Understatement?

Häufig werden wir kleiner dargestellt, als wir sind. Was können wir denn noch tun, außer gut zu spielen, gut zu wirtschaften, hohe Transfersummen zu erzielen, wieder und wieder junge Spieler bei uns einbauen?

Du wurdest erst kürzlich bundesweit in den Medien rauf- und runtergespielt: 15 Jahre Trainer bei einem Verein...

Gott sei Dank ist das vorbei. Mir wäre es lieber gewesen, das wäre vielleicht nicht so gewesen, weil wir dann vielleicht das Spiel gegen Kaiserslautern gewonnen hätten (2:2, d. Red.).

Glaubst Du wirklich, dass es daran lag, dass Ihr noch den Gegentreffer in Überzahl kassiert habt?

Ich glaube schon, dass ein bis zwei Prozent Fokus in diesem Spiel weggefallen sind. Diese ein bis zwei Prozent haben vielleicht dazu geführt, dass wir dieses Spiel nicht gewonnen haben.

Jetzt hast Du ja schon einiges erreicht mit dem FCH. Ist das aktuell vielleicht der Höhepunkt?

Nein, denn die Saison ist ja noch nicht zu Ende. Es kann ja kein Höhepunkt sein, wenn die Saison noch läuft. Es ist wie in einem Unternehmen: am Ende gibt es eine Bilanz. Es gibt viele Beispiele von Mannschaften, die im Winter sehr gut platziert waren, dann aber falsche Entscheidungen getroffen haben und abgestürzt sind. Wenn man unsere Vorrunde analysiert, dann hätte es auch schlechter laufen können. Da haben wir überperformt, alleine gemessen an den Expected Goals. Wir haben mehr Tore geschossen, als es die Möglichkeiten ausgesagt hatten. Wir sind die effektivste Mannschaft in der Liga, gemessen an den herausgespielten Chancen. Trotzdem sind wir eine der Mannschaften, die die meisten Großchancen gehabt haben – die haben wir sehr effektiv genutzt. Man darf jetzt aber nicht den Fehler machen und denken, dass das automatisch so weitergeht. Es unheimlich schwierig gewesen, uns in diese Lage zu bringen und es ist vermutlich noch viel schwieriger, dies in der Rückrunde zu bestätigen.

Dennoch seid Ihr nun mehr Gejagter als Jäger...

Jäger oder Gejagter? Das interessiert uns nicht. Was uns interessiert: Was machen wir jetzt elf Wochen lang, damit wir am 28. Januar gegen Hansa Rostock perfekt vorbereit sind? Was danach kommt, interessiert mich null komma null. Was hier in 17 Spielen passiert ist, das war nicht vorhersehbar.

Und das unter nicht idealen Voraussetzungen. Mit Oliver Hüsing, Tobias Mohr und Robert Leipertz habt Ihr gleich drei Stammkräfte verloren. Stammspieler sind aktuell Lennard Maloney, den Ihr aus der 3. Liga geholt habt, oder Adrian Beck, der gar aus der Regionalliga kam. Das spricht für Dich als Trainer, dass Du diese Jungs in kürzester Zeit auf Zweitliganiveau gebracht hast.

Vergangenes ist für mich immer abgehakt, dafür stehe ich. Mich interessiert immer die Gegenwart. Wenn ein Spieler dann die Chance bei uns erkennt und das umsetzt, was wir sehen möchten und vorgeben und für die Mannschaft ein Mehrwert ist, dann ist mir egal, ob er 18 oder 35 ist, ob er schon fünf Jahre hier oder neu ist. Da muss man sich selbst treu bleiben. Das ist vielleicht ein Grund, warum ich so lange hier Trainer bin. Ich stelle nach Leistung auf und das ist nicht an irgendwelche Seilschaften geknüpft.

Und man weiß in der Fußballwelt grundsätzlich, was einen beim FCH blüht.

Jeder, der hier ist, hat alle Chancen – aber auch alle Pflichten. Das hat sich herumgesprochen, ja. Das weiß die Mannschaft. Wenn dann einer jammert, dann ist das schon mal ganz schlecht. Beim FCH weiß man in der Regel, wer der Trainer ist und wie wir Fußball spielen möchten. Man darf Fehler machen, muss sich aber mit Haut und Haar in die Mannschaft einbringen. Dann hat man es gut bei mir. Wer meint, sein eigenes Ding machen zu müssen, der wird eher wenig spielen. In diesem Jahr ist uns das besonders gut gelungen – das gilt aber nur für die Hinrunde. Da darf sich keiner darauf ausruhen.

Da bist Du schon ein „harter Hund“, wie man in der Fußballersprache häufig zu sagen pflegt?

Ich bin beides. Mit mir kann man auch Spaß haben und ich nehme auch jeden in den Arm. Ich sehe mich aber als Dienstleister der Mannschaft, der ganz klar vorgibt, wie es funktioniert, vor allem in der Zusammenarbeit. Da gibt es Leitplanken. Wenn ich das Gefühl habe, einer geht in die andere Richtung, dann baue ich ganz schnell ein Stoppschild auf.

Trotz dieses nachweislichen Erfolgs gibt es immer wieder vereinzelte Kritiker, die sagen: der Schmidt kann ja nur Heidenheim...

Damit muss ich leben, den Stempel habe ich drauf und dagegen kann ich mich nicht wehren, weil ich keine anderen Argumente vorweisen kann. Vielleicht wird es ja irgendwann nochmal so weit sein, dass ich mich woanders beweisen kann. Bis 2027 aber ist das kein Thema für mich. Ich glaube aber, dass ich auch woanders erfolgreich arbeiten könnte (schmunzelt). Früher habe ich mich über solche Aussagen noch mehr geärgert.

Tim Kleindienst hat nach dem letzten Spiel gesagt, dass man nicht wie in Hamburg ständig die Bundesliga zum Ziel ausrufen müsse, sondern einfach weitermachen wolle wie bisher. Dann sehe man, was dabei herausspringen werde.

Ich hätte das nicht besser formulieren können und ich hab ihm das nicht vorgesagt. Meine Spieler dürfen alles sagen. Er hat Recht. Alleine vom Quatschen gewinnen wir keine Spiele. Wir sind Arbeiter und können uns unheimlich stark auf den Moment fokussieren. Alles andere sind Träumereien, die uns nicht nach vorne bringen. Wenn wir alles so gemacht hätten, wie es uns zugetragen wurde, dann würden wir heute noch in der Oberliga spielen – oder wieder. Eine unserer Stärken ist es, dass wir von uns überzeugt sind. Wir sind so selbstbewusst zu sagen, dass wir unseren Weg weitergehen werden.

Aber der Aufstieg in die Bundesliga kann nur über Euch laufen in diesem Jahr, oder nicht?

Nein, warum das denn? Wir können doch die Spiele, die wir knapp gewonnen haben, in der Rückrunde genauso verlieren, das ist doch alles möglich. 33 Punkte in 17 Spielen zu holen ist eine Riesen-Leistung und dann eine Riesen-Herausforderung, das noch einmal zu bestätigen. Natürlich kann es passieren, dass wir dafür sorgen, dass wir am Ende Dritter in der Tabelle sind. Es kann aber auch sein, dass wir am Ende Sechster sind, weil ein paar Prozentpunkte gegen uns gelaufen sind. Dann soll mir hier aber keiner mit gesenktem Haupt herumlaufen. Dann wäre es auch eine starke Saison. Was bringt es mir denn jetzt, darüber nachzudenken, was passieren könnte? Für mich als Trainer – und das sehe ich als meine absolute Stärke – ist wichtig, was am 28. Januar gegen Rostock passieren wird. Das ist das einzige, was mich interessiert. Ruhe bewahren, wir wissen schon, was wir tun.

Wäre der FCH denn reif für die Bundesliga?

Das ist nicht die Frage. Ist es wahrscheinlich, dass wir mit unseren Mitteln und Transfers in die Bundesliga aufsteigen? Nein, nicht realistisch. Ist es ausgeschlossen? Nein. Es ist immer alles möglich. Es kann aber nie eine klare Zielsetzung sein.