Schwäbische. Klassik. Sterne!
So begeisterte die Neue Philharmonie Berlin in der Stadthalle
Ellwangen / Lesedauer: 4 min

Petra Rapp-Neumann
Es ist eine Premiere gewesen, die über Tag und Stunde hinaus in schönster Erinnerung bleiben wird: Im Rahmen der Konzertreihe „Schwäbische. Klassik. Sterne!“ hat die Neue Philharmonie Berlin auf ihrer Tour durchs Ländle zum ersten Mal in Ellwangen gastiert und ist vom Publikum in der nahezu ausverkauften Stadthalle enthusiastisch gefeiert worden. Unter der Leitung des Ensemblegründers Andreas Schulz widmete sich das glänzend aufgelegte Orchester in großer sinfonischer Besetzung mit jugendlich frischem Elan und ansteckender Spiellust den Klangfarben berühmter hoch- und spätromantischer Werke.

Stefan Malzew, Event-Chef von Schwäbisch Media, führte anstelle des erkrankten CEO der Schwäbischen Verlagsgruppe, Lutz Schumacher, ebenso launig wie kenntnisreich durch den Abend. Und behielt Recht, als er sagte, dass man der strengen Form der Klassik distanziert begegnen könne, wenn man das wolle. Bei der Romantik hingegen sei das nicht möglich.
Von Distanz jedenfalls war nichts zu spüren. Von Beginn an war Magie im Spiel. Das Orchester rollte prächtige Klangteppiche aus, auf denen das Publikum entrückt in jene fernen Gefilde schwebte, wo die Moldau lieblich fließt und die Weite der ungarischen Puszta sich bis zum Horizont dehnt. Über Bedrich Smetanas sinfonische Dichtung „Die Moldau“, unbestritten ein Pfeiler der Romantik, ist im Grunde alles gesagt. Selten aber hat man sie derart schön und mit so leidenschaftlichem Ausdruck dahinfließen gehört wie an diesem Abend. Verträumt reiste man von ihren Quellen an heiteren Festen vorbei bis zu den Stromschnellen, wo sie sich von ihrer ungestümen Seite zeigt. Die Melodie erstirbt in einem letzten Seufzer, bevor sie sich zum triumphalen E-Dur-Finale aufschwingt. Meisterhaft entfaltete das Orchester die majestätische Eleganz und Anmut des Werks.

Zum bravourösen Kabinettstück wurde das Solokonzert für Trompete des Österreichers Karl Pilss. Nach jahrzehntelanger Recherche, so Stefan Malzew, habe Lutz Schumacher die Noten des Werks, das ihn, einmal gehört, begeisterte, in Wien entdeckt. Zum ersten Mal brachten die jungen Berliner das spätromantische Stück mit volksliedartigen und tänzerischen Passagen zu Gehör. Als Solist brillierte der Luzerner Trompeter Philipp Hutter mit vor allem im dritten Satz mitreißendem „Tätärätä“, wie es Stefan Malzew humorvoll formulierte.

Mit Modest Mussorgskis „Nacht auf dem kahlen Berge“, ein starkes Stück Programmmusik in der Bearbeitung von Rimski-Korsakow, entführten die Berliner die Zuhörer in die von Hexen bevölkerte Unterwelt. Plastisch interpretierte das homogen agierende Ensemble das wilde Treiben der Geister in der Johannisnacht des 23. Juni auf einem Berg der slawischen Mythologie, ähnlich dem Blocksberg. Dort oben tanzen sie inmitten von Donner und Blitz, weben wüste Nebelschleier, brauen üble Zaubertränke und schwingen ihre Besen. Bis in der Ferne die Glocke einer Dorfkirche ertönt, der schrille Schabernack jäh endet und eine einsame Flöte ihr Klagelied anstimmt. Souverän und höchst sensibel meisterte das Orchester die Klippen dieser anspruchsvollen sinfonischen Dichtung.

Das galt nicht minder für Richard Wagners opulente „Tannhäuser“-Ouvertüre. In 13 knappen und doch intensiven Minuten steckt alles drin, was die süchtig machende Musik dieses Opern-Revolutionärs auszeichnet. Der schüchtern-keusche Minnesänger Tannhäuser erfährt im Venusberg ungezügelt erotische, ja orgiastische Verführung. Bis ins Letzte vollendet und hochkonzentriert interpretierte das Orchester diese spannungsvollen Gegensätze in Wagners buchstäblich „lüsterner“ Musik, das diabolische Tritonus-Teufelsintervall inklusive.

Und dann, zum krönenden Abschluss, natürlich Franz Liszt, dieser Tausendsassa, der den ihm nachfolgenden Pianisten bis heute alles abverlangt. Spielen wie er, meinte Malzew, könne man nur mit den vielzitierten 10.000 Übungsstunden. Und selbst dann…kein Zweifel aber, dass die Berliner genug geübt und geprobt hatten, um Liszts zweiter Ungarischer Rhapsodie in typischer Csárdás-Form vom würdevollen ersten Teil bis zu den folgenden rasanten Tempi in jeder Sekunde gerecht zu werden.
Nach diesem fulminanten Finale hielt es das begeisterte Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Mit Standing Ovations, Bravorufen und minutenlangem Beifall dankte es der Neuen Philharmonie für einen großen Konzertabend, eine unvergessliche Sternstunde: Schwäbisch. Klassisch. Grandios. Die Zugabe mit dem dritten Satz aus der „Karelia“-Suite von Jean Sibelius setzte noch eins drauf. Und auch hier behielt Stefan Malzew Recht: Die musikalische Verwandtschaft zwischen dem Ungarn Liszt und dem Finnen Sibelius war deutlich herauszuhören. Was will man mehr.

Wer sie gehört hat, freut sich auf eine weitere Begegnung mit den Berlinern. Das Zustandekommen dieser Ellwanger Premiere ist auch der Unterstützung der Sponsoren Stade Optik und VR-Bank Ellwangen zu danken.