Liebesgedicht
„Ich stehe nachts auf und übersetze Liebesgedichte von Ovid“
Ellwangen / Lesedauer: 2 min

Schwäbische.de
Ist Latein noch zeitgemäß? Dietmar Kuhn sagt im Gespräch mit Josef Schneider Ja, denn für ihn ist Latein sein größtes Hobby. Der Ellwanger, der im Nachhilfebereich tätig ist, hat Romanistik und Linguistik studiert und ein Faible für Sprachen.
Herr Kuhn, viele Schüler plagen sich mit Latein. Ist Latein noch zeitgemäß, oder Zeitverschwendung?
Für mich ist Latein keine Zeitverschwendung, für mich ist es mein größtes Hobby. Es kann sein, dass ich nachts aufstehe und Liebesgedichte von Ovid übersetze. Aber Schüler haben wegen der Schachtelsätze und der grammatikalischen Konstruktionen keinen Spaß an Latein und quälen sich in der Tat manchmal durch bis Klasse 10. Wenn sie dann Latein mit mindestens der Note vier abschließen, haben sie auf jeden Fall das Latinum. Latein ist die Basis, um andere romanische Sprachen wie Italienisch oder Spanisch, die auch an der Schule unterrichtet werden, einfacher zu lernen. Spanisch kann man in der achten Klasse als dritte Fremdsprache am Gymnasium als Hauptfach wählen, statt NWT (Naturwissenschaft und Technik) oder Französisch. Da muss man Latein als Basis gehabt haben.
Latein ist doch eine tote Sprache?
„Tot“, weil es keine lateinische Lektüre gibt, die wie „Bastei“-Romane im Großhandel erhältlich ist. Denn in der lateinischen Lektüre geht es meistens um Krieg, und das ist für Frauen zu langweilig. Cicero und Caesar sind keine leichte Lektüre, die man abends zur Entspannung liest. „Tot“ ist die Sprache auch, weil sie nicht gesprochen wird. Die Lebendigkeit, die Vitalität ist „tot“, gestorben bei Latein.
Sollte man anstelle von Latein nicht lieber Weltsprachen wie Spanisch und Chinesisch lernen?
Ja klar. Denn jedem Menschen, der eine Sprache lernt, geht es im Prinzip um die nachträgliche Anwendungsmöglichkeit der Sprache, er will die Sprache sprechen. Latein kann man diesen anderen Sprachen nicht richtig gleichsetzen, man hängt es immer an die römische Kultur. Wenn ich zum Stammtisch ginge und träfe den Ellwanger Heiner Stöckle, wir könnten uns lateinisch unterhalten. Mit dem wäre ein Stammtischgespräch möglich. Mit anderen leider nicht, sonst würde ich jeden Sonntag zum Stammtisch gehen.