Bopfingen-Trochtelfingen
Wie man Clownin wird
Bopfingen-Trochtelfingen / Lesedauer: 4 min

Anja Lutz
Bettina Heinicke ist gerade dabei, einen großen, weiß-rot gestreiften Koffer zu dekorieren. Darin liegt allerlei Buntes und Kreatives: Zum Beispiel, ein Farbkarton in Regenbogenfarben, Chiffontücher in lila, gelb und rot, ein geblümtes Schächtelchen, ein Zylinder mit einem Häschen darin. Der Koffer ist sozusagen ein Arbeitsmittel. Denn die Trochtelfingerin ist nebenberuflich Clownin im sozialen Bereich.
Hochzeit auf Hawaii
So bunt und vielfältig wie ihr Koffer ist auch der Lebenslauf der 56-Jährigen. Nach ihrer Ausbildung zur Konditorin in Stuttgart 1983 geht sie in die Schweiz. Dort lernt sie eine ihrer weiteren Leidenschaften, den Bauchtanz, kennen. Stationen als Reiseleiterin in der Türkei, als Konditorin in Ägypten, Expertin für Zucker- und Marzipanarbeiten in Japan folgen. 1995 heiratet sie ihren Mann auf Hawaii. „Wir haben morgens beim Frühstück geplant und nachmittags um vier geheiratet“, erzählt Bettina Heinicke. Kurze Zeit später eröffnet sie ihre Backstube „Bettinas Torten“ in Trochtelfingen, die sie bis 2018 betreibt.

Zahlreiche bunte Torten backt die Konditormeisterin zu dieser Zeit. Eine darf sie nach mehreren Anfragen auch dem FC Bayern überreichen. Parallel dazu leitet sie mehrere Jahre einen Frauentreff und eine Tribal-Bauchtanzgruppe in Trochtelfingen
Neben ihrer Selbstständigkeit fängt sie vor neun Jahren an, bei einem Ingenieur als Assistentin der Geschäftsleitung zu arbeiten. Eine Fortbildung bei der Deutschen-Angestellten-Akademie (DAA) in Sachen Excel, Outlook und PowerPoint folgt. Denn auch die Zahlen gehören zu ihr, sagt die 56-Jährige. „Der Clown ist eine Herzenssache“.
Erster Workshop in Aalen
Und diese „Herzenssache“ beginnt im Jahr 2015, nach einem Workshop bei der VHS Aalen, bei dem der Referent Winfried Schröter rote Nasen verteilt. „Nach zwei Wochen lag die rote Nase immer noch in meiner Küche und ich fing an mich darüber zu informieren, wie man Clown wird“, erzählt die 56-Jährige und holt eine Clownsnase aus ihrem bunten Koffer.

Recherchen zur Ausbildung beginnen, sie belegt Schnupperkurse und Clowncastings. Schließlich absolviert sie bei Christel Ruckgaber in Tübingen eine anderthalbjährige Ausbildung zur Clownin. Und die ist nicht ohne. Es gibt viel zu lernen. Dazu gehören zum Beispiel auch das Jonglieren, das Spielen der Ukulele und Auswendiglernen zahlreicher Gedichte. Auch viele der verwendeten Materialien aus dem Clownskoffer werden in der Ausbildung gebastelt. „Heute bin ich dankbar, dass soviel Wert auf das Material gelegt wurde, wenn ich sehe, wie es auf die Bewohner im Pflegeheim wirkt“, sagt Bettina Heinicke und zeigt auf einen bunten Schmetterling, den sie sich wie einen Ring über den Finger ziehen kann.
Vertraute Gegenstände im bunten Koffer
„Es war einmal ein buntes Ding, ein sogenannter Schmetterling“, rezitiert sie dazu ein Gedicht von Heinz Erhardt. Das Programm, das sie vor ihren oft demenzkranken Zuschauern zeigt, ist immer offen und liegt in der Begegnung. Viele Dinge aus dem Clownskoffer kennen die älteren Menschen von früher. Da ist zum Beispiel ein kleines, geblümtes Schächtelchen. „Darin ist der Duft der weiten Welt“, erklärt Bettina Heinicke. Als sie es öffnet, liegt ein parfümiertes Blatt Papier darin, das nach Maiglöckchen duftet. Vertraut ist vielen Zuschauern wohl auch der Duft von Kölnisch Wasser oder ein händisch betriebenes Rührgerät.
Auch beim Pusten oder Fangen von Seifenblasen kann die Clownin die Pflegeheimbewohner mit Bewegung in ihr Programm einbeziehen. Nachhaltigen Eindruck hat ein „Fußballspiel“ mit Luftballons bei den Heimbewohnern im Aalener Wiesengrund hinterlassen, wie Bettina Heinicke erzählt.
Ihr Programm passt die 56-Jährige auch immer an ihr Publikum und deren Gesundheitszustand an. Viele Emotionen weckt der Hase „Max“, eine weiße Handpuppe, die in einem schwarzen Zylinder ihr Zuhause hat. „Manche weinen dann auch, weil sie sich daran erinnern, selbst einmal ein Tier gehabt zu haben“, sagt Heinicke.
Vorsichtig legt die 56-Jährige „Max“ wieder zurück. Auch das habe man in der Clownausbildung gelernt, achtsam mit den Materialien umzugehen, und mit sich selbst. „Das ist auch fürs Leben an sich ein Training gewesen“, sagt Heinicke.
Der Clown liebt das Scheitern
Und wie ist so ein Clown? „Der Clown liebt das Scheitern, ist ständig verliebt und kennt nur drei Worte: ja, ja und ja“, erklärt Bettina Heinicke. Auch bei Poetry Slams ist sie schon aufgetreten und hat ihre eigene Performance „Clown und Poesie“ ins Leben gerufen. Auf der Bühne zu stehen ist dabei allerdings eine ganz andere Herausforderung, als die Arbeit mit Pflegeheimbewohnern, sagt die 56-Jährige. „Das geht dann nur in eine Richtung und man muss sofort präsent sein“. Im Heim hingegen schaue man sich zunächst die Stimmung der Bewohner an und gehe dann darauf ein.
Mittlerweile gibt sie ihr Wissen auch an mehreren Pflegeschulen weiter. Und vielleicht packt sie ihren gestreiften Koffer irgendwann noch einmal und reist wieder in ferne Länder. Denn Südafrika oder die „Clowns ohne Grenzen“, die ehrenamtlich in Krisengebiete reisen, um dort kostenlos aufzutreten, reizen sie schon noch.