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Sonnenuntergang

Ramadan: Erst nach Sonnenuntergang gibt’s volle Kochtöpfe

Aalen / Lesedauer: 5 min

Ramadan: Erst nach Sonnenuntergang gibt’s volle Kochtöpfe
Veröffentlicht:19.08.2011, 13:15

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  • Schwäbische.de
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Die Sonne scheint durch das Fenster. In der Kneipe ist an diesem späten Nachmittag nicht viel los. Erkan, Mehmet und Yilmaz sitzen beim Bier. Alltag, wie er überall sein könnte. Das Trio erstaunt dennoch, denn schließlich ist Ramadan. Und der Fastenmonat verbietet Muslimen Essen und Trinken in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Doch genauso, wie sich nicht alle Christen an christliche Gebote halten, so nehmen es Muslime mit islamischen Geboten ebenfalls nicht so streng. Es gibt keine geschlossenen Reihen. „Nur weil ich Muslim bin, heißt das noch lange nicht, dass ich faste. Ich esse und trinke, wenn es mir danach ist“, meint Mehmet. Jeder müsse für sich selbst entscheiden, ob er sich an den Ramadan halte oder nicht. Rund 5000 Muslime leben in Aalen, doch entgegen weitverbreiteter Meinung trifft sich beim Freitagsgebet in einer der beiden hiesigen Moscheen nur eine Minderheit. Der Vorsitzende des Fatih-Moschee-Vereins Mustafa Dermitas spricht von 300 bis 400, die regelmäßig erscheinen, in der benachbarten DITIB-Moschee soll die Zahl der Gläubigen ähnlich sein. Aalens Muslime sind dem säkularen Leben eben nicht abgeneigt. Der Ramadan macht hier keine Ausnahme. Viele halten sich dennoch an die Fastenvorschrift, ohne aber in die Moschee zu gehen.

„Euch ist vorgeschrieben zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist“, umschreibt die 2. Koran-Sure die Verhaltensregel für den Fastenmonat. Wann dieser allerdings beginnt, beschert der islamischen Welt alle Jahre wieder kontroverse Diskussionen, denn nicht astronomische Berechnung, sondern optische Erkennung gibt das Zeichen. Dabei gilt das prophetische Gebot: „Fastet erst, wenn ihr die Mondsichel seht.“ Wann genau diese zu sehen ist, bestimmt für Deutschland seit 2008 der Koordinierungsrat der Muslime. Für 2011 einigten sie sich auf die Zeit zwischen dem ersten und 29. August.

Männlein und Weiblein, Erwachsene und Kinder, Dicke und Dünne – wer es mit seinem Beruf vereinbaren kann, alt und gesund genug ist und es möchte, fastet. Jedoch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang keinen Schluck Wasser und kein Krümelchen Brot zu sich zu nehmen ist eine wahre Herausforderung. „Die ersten Tage seien die schwersten“, berichtet Haydal Misirlioglu. Da spüre man von Stunde zu Stunde die Entbehrung. Doch jetzt zur Halbzeit im Ramadan habe man sich daran gewöhnt. Mustafa Dermitas kennt noch einen weiteren Vorteil: „Ich nehme jedes Mal ein paar Kilo ab.“ Zugegebenermaßen nicht das maßgebliche Ziel, denn wie bei Christen ist auch den Muslimen das Fasten Mittel zum Zweck, um sich intensiver auf den Glauben zu konzentrieren. Der kleine Unterschied: Muslime fasten 29 Tagen, Christen 40, wenn auch nicht so streng.

„Fasten ist für uns kein Selbstzweck, wir fasten für Gott“, erklärt denn auch Dermitas und fügt an: „Wer immer satt ist, kann Armut nicht verstehen.“ Für gläubige Muslime eine Verpflichtung, anderen zu helfen. Bisher sammelte die Gemeinde bereits 10 000 Euro für die Somalia-Hilfe. Der „Aalener Tafel“ will der Verein Ende des Monats 220 gut gefüllte Essentüten übergeben.

Wer des Tags fastet, freut sich umso mehr auf den Abend, wenn in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten gegessen wird. „Wir essen dann nicht übermäßig viel“, versichert Dermitas, gelte doch das Gebot, dass ein Muslim seinen Magen nur mit je einem Drittel fester und flüssiger Nahrung füllen soll, das letzte Drittel solle aber leer bleiben. Die Frauen des Vereins sorgen für die ersten beiden Drittel. In der Fatih stehen Nejla Celik, Emine Baykla und Ayse Erkel jeden Abend an den großen Kochtöpfen. „Seit vier Stunden sind wir in der Küche, um rund 150 Essen zu kochen. Jeden Tag.“

Gegen halb neun hat das Fasten endlich ein Ende. Hungrige sammeln sich an der Essensausgabe. Doch es gibt zunächst lediglich einige Datteln und etwas Wasser, danach folgt ein Gebet. Erst dann werden die Kochtöpfe aufgedeckt. Heuer finden sich darin Pilzsuppe und Krautwickel. Dazu gibt es Salat und Tee sowie die obligatorischen Baklava als süße Dreingabe. Nach dem einstündigen Teravih-Gebet machen sich die Moscheebesucher gen Mitternacht auf den Heimweg. Vielleicht treffen sie dabei auf die letzten Gäste aus der Kneipe auf. „Ob wir fasten oder nicht, jedenfalls ist morgen früh die Nacht zu Ende, und wir müssen wieder zur Arbeit“, meint Mehmet.