Traditionelles Schabbat-Mahl
Kulturküche Aalen schafft Integration über gemeinsames Kochen
Aalen / Lesedauer: 6 min

Larissa Hamann
Für einen Abend in eine völlig andere Kultur eintauchen, ein Land allein durch seine Küche kennenlernen – dazu lädt die Kulturküche Aalen einmal im Monat ein. Der Kochtreff in der Bohlschule ist aber nicht nur für Einheimische eine willkommene Gelegenheit, fremde Kulturen kennenzulernen, sondern auch für die internationalen Gastgeber eine Chance, ihre Mitmenschen für die eigenen Traditionen zu begeistern.
Dieser Herausforderung hat sich auch Layla Liebe gestellt, die im September die Aalener zu einem jüdischen Schabbat-Mahl eingeladen hat. Beim Schabbat handelt es sich in der jüdischen Kultur um den siebten Wochentag, an dem nicht gearbeitet – und somit auch nicht gekocht werden darf. Die Gerichte, die im Laufe des Essens serviert werden, sind damit alle auf eine frühzeitige Vorbereitung ausgelegt.

Liebe ist in Tel Aviv geboren und mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Das Essen anlässlich des Schabbats, bei dem in der Regel viele Menschen in Gesellschaft einfach zubereitete Gerichte verzehren, ist eine der ersten Erinnerungen nach ihrer Ankunft in Deutschland. „In Rostock ist ein Rabbiner ist zu uns gekommen und hat mit uns Schabbat gefeiert“, so Liebe. „Das ist ein sehr prägendes Erlebnis für mich gewesen.“
So eine Erfahrung wollte Liebe mit ihrem jüdischen Abend auch den Aalenern bescheren und so in der Region zu mehr Akzeptanz und Verständnis für das Judentum beitragen. „Es ist gar nicht so einfach, jüdisch zu sein“, so die Sonderpädagogin. „Aber Vorurteile entstehen immer dann, wenn man etwas nicht kennt.“
Schabbat-Mahl muss gut vorbereitet sein
Für ihren Schabbat der Kulturküche hat sich Liebe ein Menü ausgesucht aus Pita, Hummus, Dillkartoffeln, einem Challah-Gebäck (ähnelt einem Hefezopf), einer Shakshuka-Pfanne mit Eiern, Tomaten und Schafskäse sowie ein sogenannter Fisch im Pelz mit roter Beete, und gefüllte Datteln zum Nachtisch. Alle Gerichte seien auf Vorbereitung ausgelegt, so Liebe, da am Samstag als Tag des gemeinsamen Mahls nicht gearbeitet und somit auch nicht gekocht werden darf.
Layla Liebe, ReferentinEs gibt viel Verbindendes zu anderen Kulturen.
Es handelt sich dabei um eine typisch jüdische Küche, die für Layla Liebe Zuhause bedeutet – jedoch gerade dieser Umstand, dieser persönliche Moment, den sie damit von sich preisgibt, ließ ihre Nervosität vor Beginn des Kochtreffs steigen, wie sie im Gespräch erzählt: „Es gibt viel Verbindendes zu anderen Kulturen. Aber man ist trotzdem etwas verunsichert, weil viele die Gerichte nicht kennen und man ja nicht weiß, ob es den Leuten schmeckt.“

Normalerweise stehe sie mit dem Thema Judentum nicht so gerne in der Öffentlichkeit. Über die Kulturküche als Ort, an dem alle Kulturen willkommen sind, habe sie sich wohl damit gefühlt, Religion und Tradition den Leuten näherbringen.
Ein inneres Wagnis, das bei Teilnehmern wie Thomas Eyring gut ankommt. Der Aalener hat zwar mit Liebes Abend zum ersten Mal an der Kulturküche teilgenommen, einen vagen Bezug zur jüdischen Kultur hatte er aber schon zuvor. „Ich habe als Kind mal eine Israelreise gemacht“, erzählt Eyring. „Für mich war das ein faszinierender Kulturmix, auch die Märkte und Basare mit einer unglaublichen Auswahl an Früchten, Obst und Süßwaren.“

Winfried Tobias ‘ Interesse am Jüdischen wurde bereits durch seine Eltern, beide Religionslehrer, geweckt. „Das Technische auf der einen und das Rituelle auf der anderen Seite finde ich an der jüdischen Küche sehr spannend: Wie gekocht wird, wenn am eigentlichen Festtag nicht gekocht werden darf.“
Für ihn steht bei den Kochtreffs aber vor allem die Geselligkeit im Vordergrund. „Man kann sich in einer Kultur auch annähern, wenn man miteinander kocht“, sagt Tobias. Mit seiner Frau und seinen Kindern ist er 2013 aus Berlin nach Aalen gezogen und hat über die Interkulturellen Tage die Kulturküche kennengelernt. „Dieses Konzept des gemeinsamen Treffens, des gemeinsamen Kochens fanden wir von Anfang an sehr schön“, sagt er. „Die Bevölkerung in Aalen ist so vielfältig und bunt, dass man das sichtbar machen muss. Menschen, die Lust auf Austausch haben, finden sich hier.“

Tobias erfasst damit den Kern, um den es bei der Kulturküche geht. Seit 22 Jahren setzt sich der Verein für die Belange, Interessen und Bedürfnisse von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Die Projekte der Kulturküche reichen dabei von einem Nähcafé bis zum Schulkochen weit über die interkulturellen Kochtreffs hinaus.
Kochtreffs als Herzstück des Vereins
Trotzdem bilden Letztere das Herzstück des Vereins, denn, egal mit welchen Zutaten und auf welche Zubereitungsweise: Essen verbindet Menschen und soll somit zu einer eine vorurteilsfreiere Integration beitragen – unabhängig von Aussehen, Hautfarbe, Sprache oder Herkunftsland.
Zu Beginn jedes Treffs bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die landestypischen Rezepte deshalb auch nur ausgeteilt und starten dann in Kleingruppen mit dem Kochen. Schritt-für-Schritt-Anleitungen durch die Gastgeberin gibt es nicht.
Jede Gruppe kocht für sich nach bestem Wissen und eigenen Vorstellungen. Aus einem Rezept entstehen dann fünf bis sechs unterschiedliche Varianten eines Gerichtes, die im Anschluss gemeinsam probiert werden. Statt geordnetem Kochkurs herrscht kreatives Chaos.
Durch das gemeinsame Arbeiten in der Küche werden Hürden abgebaut, die ein Vortrag, bei dem die Menschen nur passiv zuhören, nicht so einfach überwinden könnte, so Eva-Maria Frank, stellvertretende Vorsitzende des interkulturellen Kochtreffs.
Eva-Maria Frank, stellv. Vorsitzende der KochtreffsMich berührt es jedes Mal, wie stolz unsere Referentinnen und Referenten sind, wenn sie ihr Land und ihre Rezepte vorstellen.
Meist entscheiden sich die Referentinnen und Referenten in der Auswahl ihrer Rezepte zwar für Hausmannskost, trotz der vermeintlichen Bodenständigkeit sei die Begeisterung für die eigene Küche bei jedem Treff zu spüren. „Mich berührt es jedes Mal, wie stolz unsere Referentinnen und Referenten sind, wenn sie ihr Land und ihre Rezepte vorstellen“, so Frank.

Mit diesem Gefühl verabschiedet Layla Liebe am Ende des Abends ihre Gäste. Jüdisches Gemeindeleben sei in Ostwürttemberg kaum gegeben, die nächsten Zentren seien in Ulm und Stuttgart, dort allerdings mit unterschiedlichen Ausrichtungen des Glaubens.
Liebe wünscht sich mehr solcher Gemeinschaftserlebnisse
Im Privaten lebt Liebe ihre Religion vor allem zu Hause aus, die große Gemeinschaft zum Schabbat, wie sie sie in ihrer Kindheit in Tel Aviv erlebt hat, fehlt ihr. Ihre Traditionen in Aalen einen Abend lang vorstellen zu dürfen, bedeutet der zweifachen Mutter daher sehr viel: „Es ist wirklich toll, dass die Kulturküche so etwas ermöglicht. Ich würde mir für meine Kinder wünschen, dass sie öfter eine solche Gemeinschaft erleben könnten.“