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Schnellboot

Hilfe für die Ukraine: Dewanger sind im „Schnellboot“ unterwegs

Aalen / Lesedauer: 5 min

Vereine sammeln erneut Spenden: Nachdem ein Mann aus eigener Betroffenheit handelte, wurde eine große Hilfsaktion ins Leben gerufen.
Veröffentlicht:26.03.2022, 05:00

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Schon dreimal ist Patrick Holz-Maier nach Polen und in die Ukraine gefahren, um Spenden dort hinzubringen, wo sie benötigt werden. Gemeinsam mit Vereinen und Unternehmen aus der Region hat er eine Gemeinschaft auf die Beine gestellt, die große Hilfe leistet. Jetzt sind im Tennisheim Dewangen wieder Spenden gesammelt worden, denn die vierte Fahrt in das Kriegsgebiet steht kurz bevor.

„Patrick hat uns alle inspiriert“, erzählt Horst Körber , der sich Holz-Maier bei der zweiten Hilfsfahrt vor zwei Wochen angeschlossen hat. Zusammen sind sie nach Lwiw im Westen der Ukraine gefahren, um Hilfsgüter abzugeben und Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen. Er beschreibt die immer größer gewordene Gruppe als „Schnellboot“, das mehrmals in das Kriegsgebiet fahren könne, während die großen Organisationen erst eine gewisse Anlaufzeit bräuchten. „Bevor sie mit den vielen Spenden Großes bewirken können, dauert es eine Weile, und genau für diese Überbrückungszeit möchten wir da sein“, so Körber. Mittlerweile beteiligen sich die Vereine TSV Dewangen, TC Dewangen und SV Germania Fachsenfeld sowie die Firma Abele Fliesen GmbH, die Stadtwerke Aalen und die Floralwerkstatt Bopfingen an der Hilfsaktion.

Über eine WhatsApp-Gruppe organisiert sich die Gemeinschaft. Der Spendenaufruf, der hauptsächlich mit Hilfe der App verteilt wurde, listet auch die Güter auf, die gebraucht werden. Gaskocher mit Kartuschen, Medikamente und haltbare Lebensmittel seien besonders wichtig. Aber auch Windeln für Erwachsene und Hygieneartikel für Frauen werden dringend benötigt. An Babynahrung und Windeln sei der Vorrat ausreichend, diese müssen nicht mehr gespendet werden.

Die mittlerweile große Hilfsaktion begann aber als Sammlung, bestehend aus medizinischen Hilfsgütern, die Holz-Maier selbst organisiert hat. „Ich habe die Nachrichten gesehen und wollte unbedingt helfen. Wir können es uns leisten und müssen etwas unternehmen“, sagt der 37-Jährige. Mit Spenden hat er sich dann Anfang März zum ersten Mal auf den Weg in das Kriegsgebiet gemacht und konnte die Hilfsgüter an ein Flüchtlingslager an der ukrainischen Grenze in Polen übergeben.

Gleich bei der ersten Fahrt hat der Wasserversorgungstechniker Flüchtlinge mit nach Deutschland gebracht. Eine Frau, die mit ihrer zehnjährigen Tochter nachts die polnische Grenze bei Minusgraden überqueren musste, konnte Holz-Maier direkt nach München zu ihren Verwandten bringen. In ihrer Heimat in der Ukraine soll „alles“ zerstört worden sein. Ein 64-Jähriger, der vor 18 Jahren aus dem Irak geflohen sei, konnte ebenfalls aus dem Kriegsgebiet gerettet und in Görlitz (Sachsen) untergebracht werden.

Bei der zweiten Fahrt haben sich Holz-Maier und Körber einer polnischen Hilfsorganisation angeschlossen und sind zum Bahnhof in Lwiw gefahren. Diesmal hatten sie hauptsächlich Verbandsmaterial und Medizin im Gepäck, das die Aalener Stadtwerke und die Bopfinger Floralwerkstatt betriebsintern ebenso gesammelt haben wie Freunde und Bekannte. Diese Hilfsgüter wurden dann mit dem Zug in ein Krankenhaus in einem umkämpften Gebiet der Ukraine gefahren. „Bei der Rückfahrt nach Hause wurden wir sogar eine Weile von der Polizei eskortiert“, erzählt Körber.

Vor einer Woche wurde dann die dritte Fahrt gewagt. Mit der Unterstützung des Autohauses Widmann, der Gemeinde Riesbürg und Patrick Abeles, die jeweils einen Bus zur Verfügung gestellt haben, konnten weitere zehn Menschen nach Deutschland gebracht werden. Gemeinsam mit Bürgermeister Willibald Freihart hat Pflaumlochs Ortsvorsteher Julian Schwarz sogar die Spritkosten aus eigener Tasche übernommen. Letztes Wochenende wurde dann für die Flüchtlinge ein Haus der Erbengmeinschaft Hofer von den Ringern des SV Germania leergeräumt, geputzt und mit Spenden ausgestattet. „Das ganze Dorf hilft mit“, sagt Körber stolz, der trotz Mittelohrentzündung in das Kriegsgebiet gefahren ist.

Ein besonderer Dank gelte auch Olga Seibel und Katharina Buczynski, die der Gemeinschaft als Übersetzerinnen helfen. „Uns ist es wichtig, dass sich die Flüchtlinge hier auch wohl fühlen“, so Holz-Maier, der bei den Stadtwerken Aalen angestellt ist. Die ersten Kinder würden auch schon in die Schule oder zum Ringen gehen. „Wir wollen ihnen die Chance geben, die schrecklichen Dinge, die sie erleben mussten, in Ruhe zu verarbeiten“, erklärt der 37-Jährige weiter.

Die Hilfsbereitschaft der Vereine und der Gemeinde sei überwältigend. Katja Bux und Carina Rauch, die mit ihrem Blumenladen Floralwerkstatt in Bopfingen eine weitere Anlaufstelle für Spenden bereitstellen, mussten schon die eine oder andere Träne vergießen. „Wir sind einfach unglaublich dankbar“, sagen die Floristinnen. Gerne können sich auch noch Freiwillige bei ihr melden, die den Flüchtlingen hier vor Ort helfen möchten.

Bei der Frage, ob er Bedenken oder Angst davor hätte, in die Ukraine aufzubrechen, muss Horst Körber erstmal tief einatmen. „Wenn man die Grenze überquert, hat man schon ein mulmiges Gefühl und man ist einfach nur erleichtert, wenn man wieder heil rausgekommen ist“, so der 42-Jährige. Trotzdem können er und seine Freunde nicht davon abgehalten werden, zum vierten Mal in das Kriegsgebiet zu fahren. „Solange wir die Möglichkeit haben, werden wir weiterhin helfen“, sagt er überzeugt.