Aalen

Fachkäftemangel trifft auch das Handwerk

Aalen / Lesedauer: 3 min

„Es muss alles aus dem Weg geräumt werden, was junge Menschen von einer beruflichen Ausbildung abhält“, sagt Martin Grath.
Veröffentlicht:05.09.2023, 16:52

Von:
  • Schwäbische.de
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Ohne Nachwuchs, Nachfolger und Fachkräfte schauen Tausende von Handwerksbetrieben in Baden–Württemberg der Zukunft alarmiert entgegen. Ob im Landtag oder in der Backstube, der Heidenheimer Bäckermeister, der auch für den Betreuungswahlkreis Aalen zuständig ist, kämpft für Entbürokratisierung, gezielte Fördergelder und überbetriebliche Ausbildungsstätten. „Es muss alles aus dem Weg geräumt werden, was junge Menschen von einer beruflichen Ausbildung abhält“, sagt der Grünen–Abgeordnete und Handwerkspolitischer Sprecher im baden–württembergischen Landtag, Martin Grath, im Gespräch mit Susanne Rötter.

Was sind momentan die größten Herausforderungen im Handwerk in Baden–Württemberg?

Nachdem der Schreck der Pandemie und der Energiekostenexplosion langsam nachlässt, pressiert der Fach– und Arbeitskräftemangel im Handwerk arg. Und wir brauchen Handwerksmeister! Allein in Baden–Württemberg brauchen rund 23.000 Betriebe in den kommenden fünf Jahren einen Nachfolger.

Wie wollen Sie das Nachfolge– und Übernahmeproblem lösen?

Die Meistergründungsprämie erleichtert jetzt zumindest die Gründung eines neuen Betriebs. Damit ist aber das Problem der Nachfolge noch nicht gelöst. „Horizont Handwerk“, die gemeinsame Initiative vom Land und Handwerk BW, bietet bereits Beratungsangebote für vor der Übergabe stehende Betriebe. Das Handwerk muss für junge Menschen wieder attraktiver werden. Auch für junge Menschen mit Abitur. Attraktiver wird Handwerk unter anderem durch den Abbau (von) unnötiger Bürokratie — was jetzt im Staatsministerium zur Chefsache erklärt wurde. Betriebsinhaber und Handwerker verbraten wertvolle Wochenstunden mit Bürokratismus.

Helfen Fach– und Arbeitskräfte aus dem Ausland, wo Personal fehlt?

Ja, wir brauchen mehr geregelte Einwanderung und schnellere Verfahren, um Fachkräfte und junge Leute aus anderen Ländern in unseren Arbeitsmarkt zu integrieren. Geflüchtete und Immi–granten sollen einfacher in Arbeit oder in eine Ausbildung finden, wo händeringend Leute gesucht werden. Hierzu gibt es bereits tolle Initiativen der Innungen und Handwerkskammern, die junge Menschen aus Ländern wie zum Beispiel Indien oder den Balkan–Staaten holen, ihnen hier Wohnung und Ausbildungsplatz organisieren und so den Betrieben neue Fach– und Arbeitskräfte vermitteln.

Was, wenn kleineren Betrieben einfach die Kapazität und die neuen Technologien fehlen, um Top–Nachwuchs auszubilden?

Die fachlichen Herausforderungen im Handwerk wachsen rasend schnell. Kfz–Mechaniker müssen sich heute mit E–Autos auskennen, SHK–Installateure die neuen Wärmepumpen einbauen und so weiter. Deshalb setze ich mich vehement für gut ausgestattete Ausbildungsstätten im Handwerk ein. Dort können Azubis und Fachkräfte von Top–Experten aus– und weitergebildet werden.

Wie genau hilft weniger Bürokratismus zu mehr Azubis und Fachkräften im Handwerk?

Weniger Bürokratismus gibt Handwerkern wertvolle Arbeitszeit zurück und macht wieder Lust auf Handwerk. Wenn ein Nachkömmling im elterlichen Meisterbetrieb sein Leben lang mitbekommt, wie der Vater auch noch den ganzen Sonntag am Schreibtisch hockt, wird er sich eine Ausbildung im Handwerk zweimal überlegen. Schade.

Bei der Einwanderung müssen wir eventuelle bürokratische Hürden beseitigen. Wir müssen gezielt Anreize schaffen und eine attraktive Willkommenskultur ausbauen. Übrigens: Das fremdenfeindliche Gerangel der AfD schadet uns da immens. Auch AfD–Politiker brauchen Handwerker zum Häuslebauen und wollen im Alter gepflegt werden.

Mal ehrlich, was könnten die Grünen im Kampf gegen Fachkräftemangel gerade noch besser machen?

Noch mehr Förderung in der Berufsorientierung. Und eine Ausbildung im Handwerk sollte heutzutage einen sicheren Job garantieren — auch im ländlichen Raum.

Wo liegt die Grünen–Politik genau richtig im Kampf gegen Fachkräftemangel?

Noch nie war in einem Koalitionsvertrag so viel Handwerk, wie im gegenwärtigen. Mit der Umsetzung sind wir in vollem Gange. Die zentralen Fragen der Zukunft — Wohnen, Sanieren, Klima–schutz und die Nahversorgung — sind, ohne das Handwerk schlichtweg nicht zu bewältigen. Das Handwerk braucht die hohe Wertschätzung, die ihm zusteht. Durch die vielen Aufgaben im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung wird das Handwerk immer wichtiger. Das Handwerk zu stärken ist die politische Aufgabe der Zukunft. Denn wer das Handwerk stärkt, stärkt das Land.