Flächendeckender Test
Bei Blackout stehen „Ostalb-Leuchttürme“ bereit
Aalen / Lesedauer: 4 min

Heino Schütte
Landrat Joachim Bläse hat Mühe, all das an erlebten oder auch „nur“ denkbaren Krisenszenarien aufzuzählen, was ihm schon seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren begegnet sei: Corona, drohende Energieknappheit, Cyberangriffe, die Ahrtal-Tragödie. Noch als Bürgermeister musste er bereits 2016 die Gmünder Hochwasserkatastrophe bewältigen. „Wir wollen und müssen auf alle und bis vor kurzem auch noch als unmöglich erscheinenden Krisensituationen vorbereitet sein“, so gibt er zu verstehen. Daher auch die Einrichtung des Resilienzzentrums auf Landkreisebene, um die Bevölkerung einzubeziehen und zu sensibilisieren. Thomas Wagenblast, Dezernent für Ordnung sowie für den Brand- und Katastrophenschutz ergänzt: „Unsere überwiegend ehrenamtlich strukturierten Hilfsorganisationen leisten zusammen mit der Polizei für die Sicherheit unserer Bevölkerung eine unbezahlbar wertvolle Arbeit.“
All das waren Anmerkungen am Rande einer ganztägigen Stabsübung am Samstag im Landratsamt in Aalen unter Einbeziehung der Ostalb-Feuerwehren und der Polizei. Erstmals wurde das unter Federführung von Kreisbrandmeister Andreas Straub entwickelte „Leuchtturm-Konzept“ einem praxisnahen Stresstest unterzogen. Durchgespielt wurde ein flächendeckender Ausfall der alltäglichen Kommunikationsnetze wie Festnetz-Telefone, Handy, Internet, Fax, mithin auch der Notruf-Nummern 110 für Polizei und 112 für Rettungsdienst/Feuerwehr.
Erweiterbar wäre eine Stabsübung auch für den Komplettausfall der Energieversorgung. Doch die Verantwortlichen vor allem der Feuerwehren, Polizei und Landkreisverwaltung wollten ihr Konzept zunächst einmal in kleinerer Besetzung einem Härtetest unterziehen, um Erfahrungen zu sammeln. In einer großen Krisenlage wären die Vertreter sowie die Helferinnen und Helfer aller Blaulichtorganisationen im Führungsstab und draußen „an der Front“ gefragt.
Straub und Wagenblast hatten das Konzept schon seit 2022 vorbereitet. Dazu wurde und wird auch beträchtlich in eine krisenfeste, gegen Cyberangriffe widerstandsfähige Technik investiert, konkret beispielsweise in digitale Funkausrüstung oder in netzwerkunabhängige Laptops. Das Equipment wird mobil vorgehalten, kann also im Falle einer Evakuierung des Landratsamts kurzerhand an einen anderen Ort umziehen.
Die Mitglieder des Krisenstabs rekrutieren sich aus erfahrenen, kommunikationstechnisch speziell ausgebildeten Frauen und Männern der Feuerwehren. Regelmäßige Fortbildungen und Übungen sind für die Ehrenamtlichen obligatorisch und werden zusätzlich zum normalen Feuerwehrdienst geleistet.
Es ging am Morgen mit den Alarmmeldungen der ausgefallenen Telefon- und Handynetze los, nacheinander in vier großen Raumschaften, schließlich im kompletten Kreisgebiet. Wie können in einem solchen Fall in Not geratene Bürgerinnen und Bürger trotzdem Polizei oder Rettungsleitstelle erreichen? Bei einem solchen Blackout stehen die Türen von fast 100 Feuerwehrgerätehäusern in allen Städten, Gemeinden und auch Stadtteilen offen. Sie sind dann von Feuerwehrangehörigen besetzt, die als Ansprechpartner für die Weiterleitung der Notrufe und von dringlichen Anliegen zur systemrelevanten Infrastruktur über ein unabhängiges Funknetz zur Verfügung stehen. Noch ehe der Führungsstab zusammengetreten ist, sind die einzelnen „Leuchttürme“ in der Lage, die Rettungsleitstelle anzufunken oder aber situationsbedingt nach eigenem Ermessen auf kommunaler Ebene tätig zu werden.
Bei der Übung am Samstag prasselten bis zum frühen Nachmittag von den „Leuchttürmen“ rund 300 Not- und Hilferufe aufs Führungs- und Lagezentrum ein ‐ vom Einbruch in ein Milchhäusle über medizinische Notfälle bis zum Großbrand. Dem Führungsstab oblag das Sortieren und Weiterleiten an die Rettungsleitstelle, auch das Organisieren von Warnungen und Informationen an und für die Bevölkerung, beispielsweise über Radio oder Lautsprecherdurchsagen. Immer wieder erfolgte am Samstag der Fingerzeig auf die Ahrtal-Katastrophe, bei der die Warnung und Information der Bevölkerung sowie die Blaulicht-Kommunikation in den ersten Stunden nur mangelhaft bis überhaupt nicht funktionierte ‐ mit tragischen Folgen. Wenn die Rettungsleitstelle Ostalb tatsächlich ausfallen würde, so erklärt Straub, übernimmt deren Aufgabe vorübergehend der Nachbar im Rems-Murr-Kreis. Landrat und Kreisbrandmeister hoffen nun, dass das „Leuchtturm-Konzept“ auf kommunaler Ebeneverstärkt ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gerückt werden. Straub setzt auch auf eine weitere Digitalisierung der Funk- und Alarmierungssysteme.