Wenn das Smartphone regelmäßig in Zwei-Jahres-Abständen kaputt geht, ist das nicht in allen Fällen auf die Schusseligkeit der Besitzer zurückzuführen, sagt Christian Kreiß. Er ist Professor an der Hochschule – er hat den geplanten Verschleiß zu seinem Thema gemacht. Vor dem Bundestag hat er schon eine Abhandlung darüber gehalten.
„Viele Leute spüren intuitiv, dass es da etwas gibt.“ Mit „etwas“ meint der Ökonom nicht eingebaute Explosionskörper, die das Smartphone zerstören, sondern die gewollte Kurzlebigkeit von Produkten. Dass die Lebensdauer von Produkten planbar ist, stehe außer Frage. Kunden würden so zu Ersatzkäufen gezwungen, mit dem Ziel die Gewinne des Unternehmens zu erhöhen. „Aus Umsatzsicht ist nichts schwieriger als langlebige Produkte.“
Nicht immer werde der Kunde durch ein defektes Produkt gezwungen, ein anderes zu kaufen. Und tut es trotzdem. Kreiß spricht vom „psychologischen Verschleiß“. Modezyklen würden kürzer, sagt der Professor, und Güter die noch gebrauchsfähig sind, werden als altmodisch abgestempelt und entsorgt. „Die Leute wollen immer das neueste Produkt.“
Verantwortlich macht Kreiß dafür die Werbung, die bei Kunden das Gefühl erzeuge, dass das Produkt nicht mehr in sei. Kreiß spricht von „self-fullfilling-prophety“. Sprich: In der Werbung werde suggeriert: Ihr braucht das! Bis die Kunden tatsächlich glauben, dass sie das Produkt brauchen. Geräte, die in ständig neuen Versionen auf dem Markt erscheinen, fänden so Absatz. Dazu käme, dass alte Ersatzteile nicht mehr kompatibel seien. Bekanntes Beispiel: Apple. Seiner Meinung nach könnte man beispielsweise bei den Apple-Produkten immer eine Generation auslassen.
20-Stunden-Woche und 5 Wochen Urlaub
Dieses Phänomen gelte für gesättigte Märkte. In der Nachkriegszeit in den USA sei die Lebensdauer von Produkten rasant zurückgegangen. Die Arbeiter produzieren für die Tonne, sagt Kreiß. Seit 90 Jahren würden schlechte Glühbirnchen produziert. „Diese absurde Arbeit gehört abgeschafft.“ Dann – so seine Vision der Zukunft – müsste vielleicht nur noch die Hälfte produziert werden. Es gäbe eine 20-Stunden-Woche und drei Wochen mehr Jahresurlaub.
Ansetzen könne man am ehesten bei der Aufklärung der Kunden – und an gesetzlichen Rahmenbedingungen, die solche festgelegten Lebensdauern unterbinden könnten, mehr Transparenz fordern. „Wenn es mehr Transparenz gäbe und konkrete Hinweise auf den Produkten, dann würden die schlimmsten Ramschprodukte sofort verschwinden.“ Allerdings: Solange Werbung nicht eingedämmt werde und die Wallstreet regiere, gebe es wenig Hoffnung auf Besserung.
Der 55-Jährige hat kein Smartphone. Und was, wenn er mit seinen Kindern kommunizieren will? „Wir reden einfach“, sagt Kreiß ungerührt. Er beschreibt sich als notorischen Weltverbesserer. „Ich hoffe, dass ich dazu beitrage, eine kritische Masse an Menschen zu bilden.“