StartseiteRegionalOberschwabenWeingartenWie Stephen Hawking: Er kann bald nicht mehr laufen, sprechen und schlucken

Unheilbar krank

Wie Stephen Hawking: Er kann bald nicht mehr laufen, sprechen und schlucken

Weingarten / Lesedauer: 5 min

Siegfried Schmalz weiß seit zwei Monaten, dass er Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) hat. Doch er hat noch eine letzte Mission.
Veröffentlicht:20.11.2023, 07:00

Von:
  • Stefanie Rebhan
Artikel teilen:

Er weiß nicht, ob er nur noch wenige Monate oder fünf Jahre zu leben hat. Mehr werden es aber nicht, denn Siegfried Schmalz aus Weingarten hat ALS. Das weltweit wohl bekannteste Opfer der heimtückischen und seltenen Krankheit ist der Wissenschaftler Stephen Hawking. Der Erkrankung führt zur Muskellähmung und nicht unheilbar. Der 70-Jährige befand sich gerade erst auf einem guten Weg, seinen vor zwei Jahren diagnostizierten Krebs einzudämmen, da kam die nächste Schocknachricht.

Trotzdem ist der Weingartener nicht verzagt. Er will den Rest seiner Zeit unter anderem dafür nutzen, die Krankheit bekannter zu machen. Denn nur mit einer starken Lobby gibt es Geld für die Forschung nach einem Heilmittel.

Viele Untersuchungen

Erst vor zwei Monaten war die ALS bei Siegfried Schmalz diagnostiziert worden. Zuvor hatten seine Arme weh getan, waren lahm. Zwei Tage hatte er viele Untersuchungen an sich durchführen lassen, bis klar war: Es ist ALS.

„Bäm! Und dann steht man da. Mit dem Todesurteil“,

sagt Schmalz.

Dabei war er gerade auf einem guten Weg, was die Behandlung seines Prostatakrebses samt Metastasen angeht. Auf der einen Seite sei das besonders ärgerlich gewesen, auf der anderen habe er durch die Krebserkrankung aber auch gelernt, wie man mit einer derart erschreckenden Nachricht besser klarkommt.

Zu kämpfen hat er jedoch mit der Geschwindigkeit, mit der ALS Besitz von ihm ergreift. Vor zwei Monaten lebte der 70-Jährige noch ganz normal, jetzt kann er sich nur noch mit dem Rollator fortbewegen, spricht langsam, kann sich nicht mehr selbst anziehen. Er weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er eine Magensonde braucht, weil er nicht mehr essen kann. Irgendwann ist es ihm auch nicht mehr möglich, selbst zu schlucken und er muss beatmet werden.

8000 ALS-Kranke in Deutschland

Schmalz: „Am Anfang dachte ich, dass ich das nicht will und auf jeden Fall in die Schweiz gehe, wo es erlaubt ist, seinem Leben selbst oder mithilfe anderer ein Ende zu setzen.“ Dann aber habe ihm seine Logopädin von zwei Kindern erzählt, die im Rollstuhl sitzen und ebenfalls beatmet werden müssen, sich aber täglich auf die Schule freuen. „Da fand ein Umdenken bei mir statt“, so Siegfried Schmalz, der sich seit sechs Jahren ehrenamtlich bei „Bürger in Kontakt“ engagiert.

Seine Motivation war fortan nicht nur seine Familie und zahlreichen Freunde. Er möchte die Krankheit außerdem bekannter machen, damit die Pharmaindustrie einen Vorteil darin erkennt, nach Heilmitteln forschen zu lassen. Für die rund 8000 ALS-Kranken in Deutschland ist das derzeit wohl kein allzu profitables Unterfangen. Schon 2014 gab es einen weltweiten Vorstoß, die Krankheit ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen: durch die Ice-Bucket-Challenge.

Gesunden Personen wurde dabei ein Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet, sodass sie für einige Sekunden das Gefühl einer Lähmung im Körper ertragen mussten. So wie sie ein ALS-Kranker dauerhaft empfindet. Die teils lustigen Videos davon ‐ auch von berühmten Persönlichkeiten ‐ erregten große Aufmerksamkeit.

Kein Medikament hilft wirklich

„Sicherlich war das eine gute Idee, aber nach kurzer Zeit wusste kaum jemand mehr, weshalb sich die Leute Eiswasser über den Kopf schütten“, sagt Siegfried Schmalz, und so habe sich die Lage für die ALS-Kranken nicht merklich gebessert. Nach wie vor existiert kein Medikament, dass den Verlauf der Krankheit auch nur herauszögern könnte. Über Gruppen in Sozialen Medien tauscht er sich mit Leidensgenossen über die neuesten Erkenntnisse aus.

Das hat er schon bei seiner Krebserkrankung getan. Er hatte die Gruppe „Walk & Talk“ gegründet. Dort konnten sich Menschen mit ähnlichen Problemen kennenlernen und austauschen, dabei spazieren gehen. Siegfried Schmalz lächelt, wenn er an „seine“ Gruppe denkt, die er nun nicht mehr begleiten kann. Die Mitglieder geben ihm dennoch Halt, genauso wie seine Boule-Freunde, die Bekannten über Bürger in Kontakt und seine Familie. „Ich habe ein tolles Umfeld. Ich bin nicht mehr mobil, aber wenn ich irgendwo hin möchte, habe ich immer jemanden, der mich abholt und fährt“, so Schmalz.

ALS braucht größere Lobby

Weil er gesehen hat, wie wichtig der Austausch unter Leidensgenossen ist, möchte er eine ALS-Gruppe ins Leben rufen, Räumlichkeiten in Weingarten hat er schon. Zwar weiß er nicht, wie lange er noch sprechen kann, denn schon jetzt fällt es ihm schwer, doch er weiß auch, dass ein Sprachcomputer helfen kann. Und so sucht er sich die positiven Dinge in seinem Leben, und wenn sie noch so klein sind. „Motivation braucht man. Sonst liegt man in der Ecke und vergammelt“, so der 70-Jährige.

Wenn er in die Zukunft schaut, so denke er sich, dass es schon irgendwie gehen wird. Jeden Tag versucht er daher so gut es geht zu genießen und sich weiter dafür einzusetzen, dass ALS eine größere Lobby bekommt. Vielleicht wird die Diagnose für Erkrankte dann eines Tages kein Todesurteil mehr sein.


Betroffene können sich an Siegfried Schmelz unter der Mail-Adresse [email protected] melden.