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Jetzt wird’s teuer

Nachbargemeinden sollen Neubau der Weingartener Talschule mitfinanzieren

Weingarten / Lesedauer: 5 min

Die Stadt bittet fünf umliegende Gemeinden für das Millionenprojekt zur Kasse. Rechtlich gesehen müssen sie zahlen, aber die Bedenken sind groß.
Veröffentlicht:13.11.2023, 12:00

Von:
  • Stefanie Rebhan
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Das Vorgehen ist in der Region selten, wenn nicht einmalig: Die Stadt Weingarten ruft nach Drängen des Regierungspräsidiums Tübingen die Umlandgemeinden dazu auf, sich an den Kosten für den Neubau der Talschule zu beteiligen. Grund dafür ist das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) in dem Gebäude.

Dorthin gehen auch Kinder aus anderen Gemeinden zur Schule ‐ und sie sollen dann auch in den Neubau ziehen. Die Gemeinden sehen keine andere Möglichkeit, als zu zahlen, denn rechtlich betrachtet, steht Weingarten auf der sicheren Seite. Bedenken haben die Gemeinden allerdings, wenn es zu der Frage kommt, wer wie viel bezahlen soll.

Schulgesetz ist klar formuliert

Schon jetzt beziffert die Stadt Weingarten die Kosten für den Neubau der Talschule auf 32 Millionen Euro. Da die Stadtkasse klamm ist und die Zeit drängt, hat das Regierungspräsidium die Stadt dazu aufgefordert, die Gemeinden Baienfurt, Baindt, Berg, Fronreute und Wolpertswende an den Baukosten zu beteiligen.

Das Schulgesetz Baden-Württemberg sieht schon seit Längerem vor, dass Gemeinden Schulträgeraufgaben zusammen erfüllen können, um die Kosten auf breitere Schultern zu verteilen. Bisher wurde diese Möglichkeit auf kommunaler Ebene nur sehr wenig in Anspruch genommen. Auch Weingarten selbst habe sich zuvor noch nie an den Kosten für Schulbauten anderer Kommunen beteiligt.

Weingarten ist „vorsichtig optimistisch“

Den Anfang des Vorgehens macht die sogenannte freiwillige Phase. Das heißt, die Stadt bittet die Gemeinden um Beteiligung. Wenn dann nichts passiert, folgt die Zwangsphase. Die Umlandgemeinden bekämen dann Druck von den oberen Behörden. Dazu scheint es im vorliegenden Fall aber nicht zu kommen.

Wir sind zunächst informell auf die betroffenen Umlandgemeinden zugegangen. Dabei wurde von den Gemeinden grundsätzliches Verständnis signalisiert,

sagt Stadtsprecherin Sabine Weisel auf Anfrage.

Weingarten sei „vorsichtig optimistisch“, dass eine freiwillige Einigung zustande kommen wird.

Gleichzeitig habe es auch Bedenken gegeben, denn was würde passieren, wenn es nun ständig derartige Forderungen bei Schulsanierungen und -neubauten in der Region gäbe? Bei der Beantwortung dieser Frage hält die Stadt Weingarten, so Weisel, eine politische Klärung mit dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden für überfällig.

Das sagt Baienfurt

Günter A. Binder, Bürgermeister von Baienfurt, glaubt, dass kommunale Aufgaben immer mehr nur in einem konstruktiven und positiven Miteinander effektiv und erfolgreich bewältigt werden können. „Die Anfrage von Weingarten ist verständlich und nachvollziehbar“, sagt er.

Binder kritisiert gleichzeitig das Land Baden-Württemberg, das einer „längst fälligen“ Erhöhung der Schulbauförderung und des Auswärtigenzuschlags nicht nachkomme. Zudem dürften sich Anfragen wie die von Weingarten nicht inflationär häufen. „Sie müssen sachlich begründet sein und Maß und Ziel haben“, so Binder.

Das sagt Baindt

Die Anfrage von Weingarten sei für die Bürgermeisterin von Baindt, Simone Rürup, schwer zu verdauen, weil es auch in ihrer Gemeinde bei vielen Themen zu Mehrkosten komme. Vor allem werde sich die Frage stellen, wie die finanzielle Beteiligung konkret aussehen soll, denn rechtlich betrachtet, müssten sich die Gemeinden ohnehin an den Kosten des Schulbaus beteiligen. Der Austausch unter den Kommunen sei gut und kollegial. „Wir werden fair miteinander verhandeln“, sagt Rürup.

Das sagt Fronreute

Eine Finanzierung der Umlandgemeinden hält Oliver Spieß, Bürgermeister von Fronreute, durch das Schulgesetz für „unumgänglich“. Daher sei Fronreute grundsätzlich bereit, darüber zu verhandeln, ob eine freiwillige Lösung möglich sei.

Auch er betont, dass das Land den Schulbau stärker fördern muss, und er hält den durch ein Gerichtsurteil festgelegten Eigenanteil der Sitzgemeinde für viel zu niedrig, „weil zum einen der Standortvorteil zu niedrig angesetzt ist und auch der Finanzausgleich in Baden-Württemberg hier nicht berücksichtigt wurde“, so Oliver Spieß.

Weitere Infos

Gesetzesgrundlage gibt es schon lange

Das Schulgesetz sieht das Vorgehen seit Jahrzehnten vor, es wurde aber praktisch nicht vollzogen. Neu in den Fokus rückte das Thema Ende 2022, als der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim über einen Streit entschieden hatte.

Geislingen hatte eine Realschule grundlegend saniert. An den Kosten sollten sich Gemeinden aus dem Umland beteiligen, aus denen Schüler der Realschule stammen. Eine berechtigte Forderung, urteilte der VGH. Der Städtetag hat Anfang des Jahres eine Umfrage gemacht, berichtet Dezernent Norbert Brugger. 20 Städte im Land haben demnach geplant, andere Gemeinden für Schulbauprojekte zur Kasse zu bitten.

Das sagt Berg

Die Gemeinde Berg hat Sorge, dass weitere Kommunen mit dem Wunsch einer Kostenbeteiligung kommen werden, sagt Bergs Bürgermeisterin Manuela Hugger. Es gehe nun vor allem darum zu bestimmen, welche Gemeinde wie viel dazugibt.

„Was wäre denn ein gerechter Schlüssel? Die Einwohneranzahl der geldgebenden Gemeinden? Die Zahl der schulpflichtigen Kinder? Oder ein Mittelwert jener Schüler, die in der Vergangenheit nach Weingarten in die Talschule gegangen sind?“, fragt sich Hugger. Sie sei gesprächsbereit, um gemeinsame Antworten zu finden.

Das sagt Wolpertswende

Wie die finanzielle Beteiligung aussehen soll, das überlegt sich auch Daniel Steiner, Bürgermeister von Wolpertswende. Dass sich seine Gemeinde finanziell beteiligen muss, hält er für unumgänglich. Die Regelung sei nicht neu, in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nicht mehr groß angewandt worden. Er sagt: „Wir sind grundsätzlich bereit, in Gespräche mit der Stadt Weingarten zu gehen und darüber zu verhandeln.“