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Weingarten ächzt unter der Betreuung von Kindern

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Kindertagesstätten voll, Lage spannt sich in Zukunft an – Beck fordert mehr Hilfe vom Land
Veröffentlicht:09.10.2022, 12:00

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Derzeit gibt es in Weingarten 15 Einrichtungen, die insgesamt 912 Plätze für die Betreuung von Kindern anbieten. Noch kann die Stadt alle Kinder unterbringen – trotz der zugezogenen ukrainischen Flüchtlinge.

Jedoch, so prophezeit es Fachbereichsleiter Rainer Beck , „da kommt ein ganz, ganz großer Bedarf auf die Kommunen zu, und die Anzahl der Erzieher, die wir abgreifen können, geht fast schon gegen null.“

Nur noch sehr wenige Notfallplätze frei

Eltern schicken ihre Kinder laut der Stadt Weingarten immer früher in Kindertagesstätten, weil sie schneller wieder arbeiten gehen möchten oder müssen. Der Anteil dieser Eltern sei steigend, daher komme der Bedarfsdruck.

Momentan würden 35 Prozent der Eltern ihr Kind vor dem dritten Lebensjahr in eine Kita bringen. Ab dem dritten Lebensjahr hat ein Kind in Baden-Württemberg bis zum Schuleintritt ohnehin einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz.

Es gibt nur noch wenig Luft im System und nur vereinzelt freie Plätze, die für Notfälle gedacht sind. Wir müssen auf die Fluktuation hoffen,

erklärt Beck.

Hinzu komme die Herausforderung, auch die geflüchteten ukrainischen Kinder unterbringen zu müssen. Bisher ist das gelungen, sagt Doris Konya , Abteilungsleiterin Familie und Soziales. Was die 30 bis 40 Kinder im 14 Nothelfer angeht, wird das System vorerst nicht belastet. Da es sich um eine Notunterkunft des Landkreises handelt, ist die Bleibe nur vorübergehend, weshalb die Kinder nicht in Kitas verteilt werden.

Das sind die begehrtesten Kitas

„Wir möchten so vermeiden, dass Kinder ohne Bleibeperspektive zunächst in einem örtlichen Kindergarten eingewöhnt werden und diesen – in Folge einer Umsetzung – nach wenigen Wochen wieder verlassen müssen“, so die Stadt auf Anfrage.

Ein solcher Wechsel wäre für die Kinder belastend und würde die Kindergärten vor pädagogische und organisatorische Herausforderungen stellen. Daher greife das zusätzliche Betreuungsangebot der Caritas im 14 Nothelfer, für das aktuell Spendengelder akquiriert würden.

Rund 700 Eltern wurden und werden diesen Herbst von der Stadt angeschrieben. Für sie gibt es ein Online-Anmeldeverfahren, wenn sie ihr Kind in eine Betreuungseinrichtung geben wollen.

Für das Jahr 2022/23 können wir allen Eltern einen Platz für ihr Kind anbieten. Wer eine bestimmte Kita im Auge hat, die im Moment voll ist, den setzen wir auf eine Warteliste.

Konya:

Besonders begehrt sind die Kitas in der Nähe von Neubaugebieten, weil sich dort viele junge Familien niederlassen, beispielsweise der Kindergarten St. Lioba in der Weinbergstraße oder der Kindergarten Corbellini in der gleichnamigen Straße. Bei den Krippen seien das Kinderhaus „Bullerbü“ sowie das Kinderhaus „Wirbelwind“ sehr beliebt.

Mehr Bürger durch Martinshöfe und 14 Nothelfer

In Zukunft werde sich die Lage aus diversen Gründen weiter anspannen. Allein, dass der Einschulungsstichtag in Baden-Württemberg sukzessive um drei Monate vorgezogen wurde, bedeute für Weingarten 2,5 Kindergartengruppen mehr.

Einen Sprung erwartet Beck, sobald die Martinshöfe fertig sind, in die rund 1000 Menschen ziehen sollen – das gebe mindestens zwei Kindergartengruppen zusätzlich. Auch auf das Areal 14 Nothelfer würden in naher Zukunft Familien ziehen.

Ein weiterer Punkt seien die Geburtenzahlen. Seit 2018 gehen diese laut Rainer Beck leicht zurück, für die kommenden Jahre ist jedoch ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen.

Die Stadt habe laut Beck mit Extra-Gruppen „ständig nachgerüstet“. Die großen Kaliber kämen mit dem Neubau des Kindergarten Xaverius im Jahr 2023/24, der mit zwei Gruppen mehr in Betrieb geht. Im Bereich 14 Nothelfer entsteht ebenfalls ein Kindergarten, dessen Fertigstellung für 2026/27 geplant ist.

Die Stadt beginne derzeit mit den Planungen für einen Neubau mit Erweiterung des Eduard-Mörike-Kindergartens, durch den drei weitere Gruppen hinzukommen. „Das ist unser langfristiges Ziel für die Zeit nach 2029“, sagt Rainer Beck.

Eine Million Euro Kosten pro Kitagruppe

Dank all dieser Maßnahmen geht die Stadt davon aus, dass sie auch in Zukunft alle Kinder unterbringen kann, auch, wenn die Gelder knapp sind. Die Bezuschussung vom Land sowie die Elternbeiträge würden nicht ansatzweise die Kosten der Stadt decken.

Beck: „Es ist eine Permanentbelastung für den städtischen Haushalt, die weiter steigt. Wir verlangen mehr Hilfe vom Land.“ Die Regierung habe schließlich auch für die Rechtsansprüche der Eltern auf einen Kitaplatz gesorgt. Die Kosten pro neuer Kindergartengruppe kämen auf rund eine Million Euro, der Betrieb einer Regel-Ganztagsgruppe belaufe sich auf etwa 240.000 Euro.

Ein weiteres Problem ist das fehlende Personal. „Einige Träger mussten die Öffnungszeiten der Kitas bereits aufgrund Personalmangels kurzzeitig verringern“, sagt Doris Konya. Man überlege sich ständig Strategien, um an Personal zu kommen. Einrichtungen, die keine Ganztagsbetreuung anbieten, seien attraktiv, denn dort gebe es die ungeliebte Schichtarbeit nicht.

Auf kommunaler Ebene könne man den Mangel an Erziehern jedoch nicht lösen, so Beck. Es sei eine gesamtpolitische Aufgabe, den Beruf attraktiver zu gestalten. Dazu müsse man jetzt dringend die Weichen stellen.