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Mit vielen Bildern: Oberschwaben feiert den Blutritt in Weingarten

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Die Anzahl der Reiterinnen und Reiter ist konstant: 1808 Pferde waren beim Blutritt dabei. Doch es gab auch Protest gegen die Teilnahme von Tieren. Das sagt der Dekan dazu.
Veröffentlicht:19.05.2023, 17:37

Von:
  • Paul Martin
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Die Begeisterung für den Blutfreitag reißt nicht ab. 1808 Reiterinnen und Reiter haben mit ihren Pferden am Blutritt teilgenommen. Fünf mehr als im vergangenen Jahr.

Weniger genau zählen, oder messen, lässt sich die Atmosphäre, die die Wallfahrt nach Weingarten gebracht hat. Sie war ab dem frühen Nachmittag auf dem Martinsberg und in der ganzen Innenstadt zu spüren.


Eine kleine Gruppe Tierschützer hatte im Stadtgarten demonstriert. X–fach größer zweifelsohne die „Demonstration des Glaubens“, die Prozession rund um die Heilig–Blut–Reliquie.

Der Heilig–Blut–Reiter im feuerroten Gewand

Feuerrot war die Segensstola, die Dekan Ekkehard Schmid über den Schultern trug, als er um sieben Uhr die Reliquie empfangen hat. Auf seinem weißen Schimmel segnete er von dem Moment an über Stunden Pferde, Reiter, Pilger, Stadt und Natur. Die leuchtende Farbe des neuen Gewandes fiel treuen Blutfreitagspilgern auf.


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In den vergangenen Jahren hatte der Stadtpfarrer einen dunkelroten Rittmantel getragen. Das neue Outfit: Ein leuchtend rotes Schultertuch, ein sogenanntes Velum.

Das sei schon in früheren Jahrzehnten getragen worden, so Schmid. „Der Mantel kam erst in den 1970er–Jahren dazu“, wusste der Dekan. „Und außerdem ist die Segensstola beim Reiten bequemer.“

Worum es beim Blutritt geht

Aber genug der Äußerlichkeiten. Worum geht es beim Blutritt? „Mir ist wichtig, dass man beim Reiten den Kern des Ganzen mit sich trägt: Es geht um die Liebe Gottes zur Schöpfung — zu den Mitmenschen, zur Natur und zu den Tieren“, erklärte der Heilig–Blut–Reiter am Morgen.

Welchen Stellenwert die Verehrung der Blutreliquie in Weingarten hat, konnte auch der kirchliche Festgast, Fuldas Bischof Michael Gerber, feststellen: „Ich war gestern nach der Lichterprozession in der Nacht nochmal in der Basilika. Da hat man richtig gespürt, wie wichtig das für die Menschen ist.“

Gerber grüßte zusammen mit dem weltlichen Festgast, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Blutreiter vom Rathausbalkon aus.

Das sagt der OB den Blutritt–Kritikern

Auf dem Balkon stand Oberbürgermeister Clemens Moll zum zweiten Mal als Hausherr und Gastgeber. Dass es in den vergangenen Wochen Kritik am Blutritt, etwa durch Schmierereien oder Flugblätter gegeben hat, ist an ihm nicht vorbeigegangen. Aber:

Es gab schon immer kritische Stimmen zu dieser Veranstaltung.

Clemens Moll

„Die haben sich in diesem Jahr eben mehr Gehör verschafft.“ Und Clemens Moll ist sich sicher: „Die Bevölkerung steht hinter dem Blutfreitag. Wenn man Bürger fragt, was Weingarten auszeichnet, dann kommt als Antwort meistens der Blutritt an erster Stelle.“ Er gehöre maßgeblich zur Identität der Stadt.

Was bei der Gegendemo gefordert wird

Die Initiative „Tradition weiterdenken“ sieht das anders, zumindest was die Rösser angeht. „Wir wollen den Blutritt nicht abschaffen, aber durch den Verzicht auf die Pferde besser machen.“

Auf den Plakaten am Stand der Initiative im Stadtgarten steht etwa „Kein Applaus für Tierquälerei“. Sina Wagner, die den Vormittag über an dem Stand war, sagte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Voll viele Aspekte sprechen gegen die Teilnahme von Pferden. Zum Beispiel, wie gefährlich das Ganze für Mensch und Tier ist.“

Dekan hat klare Haltung zum Tierwohl

Dekan Ekkehard Schmid sieht das anders. „Die Pferdehalter sagen ganz deutlich: Es ist eine große Harmonie zwischen Ross und Reiter den ganzen Tag über, auch in den Quartieren.“

Bauhof, Tierärzte und Blutreiter täten alles für das Wohl der Pferde. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das für die Tiere ein großer Stress ist“, so der Stadtpfarrer.

Bischof Fürst zum letzten Mal im Amt beim Blutritt

Ein Geistlicher, der wohl zum letzten Mal als amtierender Rottenburger Oberhirte dabei war, ist Gebhard Fürst. Er wird im Herbst anlässlich seines 75. Geburtstags dem Papst sein Rücktrittsgesuch einreichen.

Wenn er auf die vergangenen 20 Jahre Heilig–Blut–Verehrung zurückdenkt, hat er vor allem eines in Erinnerung. „Als die Benediktiner den Martinsberg verlassen haben, war wirklich die Sorge da, dass die Wahlfahrt zum Heiligen Blut samt Reiterprozession zu Ende geht.“

Es ist Gott sei Dank anders gekommen, so Fürst. „Auch ohne Kloster verbinden die Menschen hier auf ihre spezielle, oberschwäbische Art das Religiöse mit dem Festlichen — auch weil sich Pfarrer und Pfarrei aus Weingarten dafür starkgemacht haben.“

Das ist die Bilanz der Polizei

Die Bilanz der Polizei zum Blutfreitag fällt überwiegend positiv aus. Mehr als 20.000 Pilger und Schaulustige haben nach deren Einschätzung die Prozession in der Innenstadt begleitet. Nennenswerte Zwischenfälle oder verletzte Reiter habe es nicht gegeben.

Bei wenigen Pferden gab es kleinere Verletzungen, etwa Schnitte. Sie wurden von den anwesenden Tierärzten behandelt. Eine ausführliche Reportage über die Arbeit der Tierärzte beim Blutritt folgt.