Musical-Star in Ravensburg: Wie der vegane Vampir zur Berümtheit wurde
Ravensburg / Lesedauer: 7 min

Wenn ein friedliebender Veganer es schafft, einem singend weiszumachen, dass er eigentlich ein blutrünstiger Vampir oder der Tod höchstselbst ist, dann hat er die Bezeichnungen Sänger und Schauspieler verdient.
Thomas Borchert ist dieser Veganer, der den Grafen von Krolock im Musical „Tanz der Vampire“ in 20 Jahren am häufigsten überhaupt verkörpert hat. Sein Name zieht auch beim Ticketverkauf.
Spät im Leben privates Glück gefunden
Im Oktober wird er mit seiner Frau Navina Heyne im Konzerthaus Ravensburg auftreten. Zum Interview getroffen hat ihn Schwäbische.de allerdings in einem Café in Stuttgart. Dort gibt er im SI–Centrum erneut den Vampirgrafen — denn das Musical „Tanz der Vampire“ feiert seinen 25.Geburtstag. Die Stadt Ravensburg kennt der Musicalstar, der zahlreiche Hauptrollen in ganz Europa gespielt hat, noch nicht: „ich habe früher nur die Spiele von Ravensburger gespielt“, gibt er zu. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Thomas BorchertMan kann ein Musicalstar sein und trotzdem kennt einen keine Sau.
Mit Sängerkollegin Navina Heyne (Hochzeit 2018 unter dem Motto „Liebe auf den ersten Ton“) habe er, wie er sagt, sein „großes privates Glück gefunden, und das sehr spät im Leben. Es ist nie vorbei, man muss nur offen bleiben“.
Der Star testet sein neues Programm in Ravensburg
Deshalb landete der junge Mann, der mit vier Jahren begann Klavier zu spielen und Rockstar werden wollte, auch an der Stage School of Music, Dance and Drama in Hamburg. „Ich habe das Gefühl, ich wurde als Musiker geboren, und dann kam noch der Schauspieler dazu“, sagt er.
Der heute 56–Jährige glaubt daran, dass sich hinter jeder Ecke etwas Besonderes befinden könnte, wenn man sich seine Neugierde bewahrt. Und so testet der gebürtige Essener in Ravensburg, wie das Programm die „Mystische Welt des Musicals“ wohl beim Publikum ankommen mag. Davon hängt auch ab, ob es weitere Auftritte dieses Formates geben wird. Der Kartenverkauf läuft laut Veranstalter vielversprechend, denn das Mystische und Gruselige liegt seit Jahren im Trend.
Er spielte schon Dracula und den Tod
Das kommt Borchert recht, denn aus einem ihm selbst unerfindlichen Grund, wird ihm fast immer die Hauptrolle des unheimlichen, fremden, düsteren Gegenspielers angetragen und nicht die des netten Liebhabers. Das machte ihn unter anderem zu Krolock, Dracula, den Tod, Judas oder Jekyll & Hyde. Vielschichtige Charaktere, die ihn herausfordern: „In jedem Bösewicht stecken viele Facetten. Oft lässt sich gar nicht sagen, ob er wirklich böse ist, denn es hat ja auch immer Gründe, weshalb ein Mensch geworden ist, wie er ist.“

So sei etwa der „Graf von Monte Christo“ im gleichnamigen Musical eigentlich gut gewesen, bis den Unschuldigen 14 Jahre Haft zu einem Racheengel werden ließen. Derart zerrissene Figuren zu verkörpern und sich nach dem Auftritt wieder davon zu distanzieren, sei schwierig. „Ich verschmelze mit der Figur, die ich spiele. Ich bin mit jeder Faser meines Körpers dabei, bis ich den letzten Ton gesungen habe. Dann streife ich die Rolle ab wie eine Jacke. Das gelingt mir immer besser, je älter ich werde.“
Ruhe findet der Sänger auf dem eigenen Hof
Tatsächlich ist dem Thomas Borchert im Café nichts von einem mit dem Schicksal hadernden und der Gier nachgebenden Vampir anzumerken. Dieser Thomas ist offen und freundlich, füttert die Vögel auf seinem Hof im Schleswig–Holstein, lebt vegan und hat ein Disziplinproblem beim Sport („mein Krolock–Höschen kneift mittlerweile schon etwas“).
Seine Impulsivität sorge zwar dafür, dass er schon mal im Schlafanzug aufspringe und die Übungen eines Sportlers auf einem Social–Media–Kanal nachahme. Das sei es dann aber auch gewesen mit der Disziplin. „Vielleicht muss ich akzeptieren, dass ich so was nicht regelmäßig hinkriege. Aber noch bin ich nicht soweit“, sagt der Mann, der das Improvisieren liebt und den deshalb — vermutlich im Gegensatz zu den meisten Kollegen — auch Pannen auf der Bühne nicht schrecken.
Wenn er etwas Kreatives erschaffen will, „wenn die Ideen fließen sollen“, dann brauche er Ruhe ganz ohne Pläne. Diese Ruhe findet der Vater eines Sohnes aus erster Ehe zwar am leichtesten zu Hause auf seinem Hof vor dem Ofen, doch dort hält er sich nur knapp die Hälfte des Jahres auf. Die meiste Zeit, so will es sein Job, lebt er dort, wohin ihn die jeweilige Rolle führt. Wie oft er umgezogen ist, weiß er nicht mehr.
Lukrativer wäre eine Karriere im Fernsehen
Ewig wolle er ja gar nicht auf der Bühne stehen: „Es wäre doch tragisch, als 70–jähriger gestandener Musicalsänger in der hintersten Reihe die Beine schwingen zu müssen.“ Es strenge ihn inzwischen beispielsweise an, mehrere Tage hintereinander zwei Shows am Tag zu spielen, während ihm der Körper mit Mitte 30 noch kein Limit setzte.
Vermissen würde er auch das Vorsingen für bestimmte Rollen nicht, das ihm trotz seiner Bekanntheit nicht immer erspart bleibe. Inbrünstig beschreibt er mit einer Kaffeetasse in der Hand: „Auditions sind der Horror!“ So richtig wohlhabend mache einen das Musicalsänger–Dasein auch nicht, und so gilt es, vor jedem neuen Projekt den Taschenrechner zu zücken. Lukrativer wäre eine Karriere im Fernsehen, doch das deutsche Publikum trenne den Schauspieler klar vom Muscialdarsteller, oder um es in Thomas Borcherts Worten zu sagen: „Man kann ein Musicalstar sein und trotzdem kennt einen keine Sau.“
Wärhend Corona–Pandemie ein Musical komponiert
Das Unternehmen Stage Entertainment, Produzent von Shows und Musicals mit Sitz in Hamburg, schreibt auf Nachfrage: „Thomas Borchert gehört zu den ganz Großen seiner Zunft in Deutschland und das auch schon seit Jahrzehnten. Der Begriff Musicalstar hat sich ja etabliert, aber bei ihm ist es wirklich wohlverdient.“ Der Name würde auch beim Ticketverkauf ziehen. Die Vorstellungen, in denen er kürzlich bei „Tanz der Vampire“ auftrat, seien heiß begehrt gewesen.
Breit aufgestellt hat sich Thomas Borchert jedenfalls schon. Er arbeitet mit seiner Frau als Coach für Sänger und Schauspieler und bestreitet Soloprogramme mit seinem Klavier wie „Der Vampir am Klavier“ oder „Novecento — Die Legende des Ozeanpianisten“. Durch die Corona–Pandemie hindurch komponierte er zweieinhalb Jahre an seinem ersten Musical mit dem Titel „Scholl — die Knospe der weißen Rose“. Der Inhalt beschäftigt sich mit dem Ursprung des Widerstandsgedanken der Geschwister Scholl im Zweiten Weltkrieg. Die Premiere: Im April 2023 im Stadttheater Fürth.
Ein unerfüllter Traum: Die Rolle des Macbeth
Ein eigenes Muscial zu schreiben, das war ein Traum von Borchert. Überhaupt fackelt er nicht lange, ehe er neue Projekte angeht. „Ich versuche, mich überraschen zu lassen und das zu greifen, was mir das Leben bietet. Man kann aus allem etwas machen“, findet er. Er habe zudem Vertrauen ins Leben, in dem er bisher jedes Unglück gemeistert habe.
Ad hoc fällt ihm auf Nachfrage keine Musicalrolle ein, die er derzeit noch gern spielen wollte, wohl aber eine Theaterrolle: Shakespeares Macbeth. Und da ist er wieder, einer der vielschichtigen, zwiespältigen Charaktere, für die Thomas Borchert gemacht zu sein scheint.
Thomas Borchert und seine Frau Navina Heyne treten am 14. Oktober um 19.30 Uhr mit dem Konzertformat „Mystische Welt des Musicals“ im Konzerthaus in Ravensburg auf. Geplant sind unter anderem die Höhepunkte aus den Musicals Tanz der Vampire, Das Phantom der Oper, Dracula, Rebecca, Elisabeth und Les Misérables. Tickets gibt es unter 0751/29555 777 und tickets.schwaebische.de