StartseiteRegionalOberschwabenRavensburgWeiter Streit bei der VHS Ravensburg um den „Zwangsvorsitzenden“

Kampfabstimmung erwartet

Weiter Streit bei der VHS Ravensburg um den „Zwangsvorsitzenden“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Der Vorwurf: Die Stadt will eine Notlage nutzen, um sich Einfluss zu sichern. Die Kritik wird lauter.
Veröffentlicht:24.05.2023, 17:00

Von:
  • Frank Hautumm
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Vor der Mitgliederversammlung am Freitag wächst der Widerstand gegen Pläne der Stadt und von Teilen des Vorstandes, die Volkshochschule Ravensburg (VHS) enger an die kommunale Verwaltung anzubinden. Wie berichtet, wird zur notwendigen Satzungsänderung eine Kampfabstimmung erwartet. Beobachter sprechen gar von einer Zerreißprobe. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die finanzielle Schieflage der VHS und die in der Folge von den Verantwortlichen bei der Stadt vorgetragene Bitte um Unterstützung.

Der Vorwurf, der im Raum steht: Die Stadt wolle die Notlage nutzen, um sich Einfluss bei der VHS zu sichern und einen Verein, der vor 75 Jahren bewusst als unabhängige Institution gegründet worden sei, an die Kandare zu nehmen. Der bislang nur in nichtöffentlicher Sitzung des Bildungsausschusses beratene Vorschlag sieht vor, die Satzung der VHS zu ändern. Demnach wäre der Oberbürgermeister oder ein von ihm benannter Vertreter automatisch Vorsitzender der Volkshochschule. Zudem sollen Dozenten nicht mehr Mitglieder der VHS sein. Die Stadt will nach Informationen der SZ im Gegenzug einen gewährten Kredit von 50.000 Euro in einen dauerhaften Zuschuss umwandeln.

„Verluste an Freiheit“

Der neue VHS–Vorsitzende Michael Horn und offenbar der Großteil des Vorstandes sind für diesen Vorschlag. Die Kritiker werden vom langjährigen Vorsitzenden Berthold Traub angeführt. Traub hatte sich im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ erneut hinter die Formulierung gestellt, er werde die „Struktur der Volkshochschule verteidigen, als wäre es der Heilige Gral“: Traub: „Der Staat soll nicht bestimmen können, nur helfen und fördern. Verluste an Freiheit hat es in den vergangenen Jahren schon genug gegeben.“ Unterstützung für eine Bildungseinrichtung dürfe zudem nicht davon abhängig sein, wer ihr Vorsitzender sei. Und es sei auch nicht sein Verständnis von Bürgerbeteiligung, wenn einem im Verein bestimmte Funktionen verwehrt blieben.

Jetzt hat Traub, weiter im Vorstand der VHS, das Regierungspräsidium angeschrieben. Der Rechtsanwalt will prüfen lassen, ob es von der Ravensburger Stadverwaltung rechtmäßig war, Sitzungen zur finanziellen Siuation und zur geplanten neuen VHS–Satzung im November 2022 und Mai 2023 nichtöffentlich einzuberufen. Zudem zweifelt der frühere Vorsitzende an, dass — wie von seinem Nachfolger Michael Horn und VHS–Geschäftsführerin Silke Pfaller argumentiert — der Oberbürgermeister als automatisch eingesetzer Vorsitzender des Vereins ein gängiges und erfolgreiches Modell bei vielen anderen Volkshochschulen sei. Laut Traub sei dieses Vorgehen im Gegenteil absolut unüblich.

„Eine politische Entscheidung“

Unterstützung bekommt Traub von dem Vorstandsmitglied und stellvertretendem Vorsitzenden Ulrich Höflacher. Beide waren früher Fraktionskollegen der „Bürger für Ravensburg“ im Gemeinderat. „Eine Bildungseinrichtung kostet Geld, damit kann man nichts verdienen, wenn die Gebühren sozialverträglich gestaltet sein sollen“, sagt Höflacher. Wie viel hauptamtliches und nebenamtliches Personal die Angebote der VHS erarbeiten sollen und in welchen Räumen, sei eine politische Entscheidung.

Einfluss und Einblick habe die Verwaltung sehr wohl jetzt schon, so der stellvertretende Vorsitzende: „Die Stadt Ravensburg als größter Zuschussgeber — Erwachsenenbildung ist eine Pflichtaufgabe — ist kraft Amtes im Vorstand mit Stimme vertreten, und das Rechnungsprüfungsamt der Stadt kann jederzeit die Buchhaltung der VHS überprüfen.“ In einer der letzten Vorstandssitzungen sei die Stadt sogar mit drei Vertretern anwesend gewesen. Höflacher: „Mehr Verzahnung von Stadt und Verein ist kaum denkbar.“ Dass durch die Coronakrise finanzielle Defizite entstanden seien, sei nicht selbst verschuldet gewesen und müsse durch die Zuschussgeber ausgeglichen werden. Man könne aber „selbstverständlich die VHS auch in die Liquidation treiben“.

Wenn aber die Arbeit an der VHS bestens läuft und die VHS das Geld kostet, das man sich politisch leisten möchte, stelle sich die Frage, warum nun die Stadt den Posten des Vorsitzenden kraft Amtes überhaupt beanspruchen will, so Höflacher. Zuschuss und Vereinssatzung hätten nichts miteinander zu tun „und eine Verquickung ist merkwürdig“. Auch werde durch die Übernahme des Vorsitzenden kein Cent gespart.

„Verlust an Basisdemokratie“

Das Vorstandsmitglied: „Nach meinem demokratischen Verständnis wird der Vorsitzende von der Mitgliederversammlung oder dem Vorstand gewählt. Sollte sich der OB oder sein Vertreter der Wahl stellen, ist es doch wohl sicher, dass die Mitgliederversammlung oder der Vorstand dafür das Votum abgeben würde.“ Man könne die VHS aber auch gleich kommunalisieren, statt einen „Zwangsvorsitzenden“ zu installieren, so Höflacher. „Wenn sich die Stadtverwaltung samt Gemeinderat aber unbedingt ein teureres Modell leisten möchten und sogar Mitglieder des Vorstands der VHS sich selbst des Königsrechts der Wahl des 1. Vorsitzenden entledigen wollen, ist dies in meinen Augen ein Verlust an Basisdemokratie.“