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Volkshochschule

VHS Ravensburg steht nach Satzungsstreit vor Zerreißprobe

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Nutzt die Stadt die finanzielle Notlage des Vereins aus, um sich Einfluss zu sichern? Dieser Vorwurf steht im Raum.
Veröffentlicht:11.05.2023, 17:00

Von:
  • Frank Hautumm
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Im Jahr ihres 75. Geburtstages steht die Volkshochschule Ravensburg (VHS) vor einer internen Zerreißprobe. Der Grund: Den Verein plagen nach den Jahren der Pandemie mit einem zwangsweise stark eingeschränkten Angebot erhebliche finanzielle Sorgen. Eine engere strukturelle Anbindung an die Stadt und entsprechende weitere Zuschüsse von der Kommune sollen das Problem lösen. Doch ein Streit um die Satzungsänderung, die dafür erforderlich wäre, könnte Ende Mai bei der Mitgliederversammlung in einer Kampfabstimmung enden. Der ehemalige langjährige Vorsitzende Berthold Traub hat sich über diese Frage mit dem aktuellen Vorstand überworfen und führt die Fraktion der Kritiker an.

Traub war mehr als 35 Jahre lang Vorsitzender des Vereins und hatte am Jahresanfang bei einer Vorstandssitzung angeboten, sein Amt zur Verfügung zu stellen, sollte ein anderes Mitglied eine Kandidatur anmelden. Daraufhin warf Michael Horn, bis zu seinem Ruhestand langjähriges Vorstandsmitglied der Landesbank und der Baden–Württembergischen Bank, seinen Hut in den Ring. Horn wurde einstimmig gewählt. Schon für diesen Schritt Traubs soll es Gründe gegeben haben.

Existenzielle Probleme

Mitte 2022 hatte sich das Loch in der VHS–Kasse erheblich vergrößert, die Rede ist von existenziellen Problemen. Die Stadt sprang in die Bresche, zuerst offenbar mit einem Kredit über 50.000 Euro, die aber nicht ausreichten. Woher dauerhaft das Geld kommen soll, um die finanzielle Schieflage zu beseitigen, darüber sollen schon damals die Meinungen zwischen Traub und anderen Verantwortlichen auseinander gegangen sein. Vor allem darüber, ob die Stadt als Geldgeber per neuer Satzung ein Mitbestimmungsrecht bekommen soll. Die Stadt soll signalisiert haben, in dem Falle den Kredit in einen Zuschuss umzuwandeln.

Wir profitieren von einem großen Zuschussgeber, und das ist die Stadt. Wenn wir dann mit der Bitte um verstetigte Hilfe auf die Stadt zukommen, kann ich verstehen, dass die Verwaltung umgekehrt mit der Bitte um mehr Einbindung antwortet.

Michael Horn

Nach der Wahl Horns flogen die Giftpfeile im Zusammenhang mit der geplanten neuen Satzung erst so richtig. Das Thema ist bislang nur nichtöffentlich im Bildungsausschuss des Gemeinderates behandelt worden. Dabei ist das neue Konstrukt, für das sich der VHS–Vorstand entschieden und das er nun dem Ausschuss vorgestellt hat, eines, das mehrere Volkshochschulen im Land als Modell fahren: Der Oberbürgermeister der Stadt oder jemand, den er beauftragt, würde automatisch zum Vorstandsvorsitzenden des Vereins und gesetzlichem Vertreter. Auch die Musikschule Ravensburg ist nach diesem Prinzip organisiert.

„Keinerlei Druck“

„Wir profitieren von einem großen Zuschussgeber, und das ist die Stadt. Wenn wir dann mit der Bitte um verstetigte Hilfe auf die Stadt zukommen, kann ich verstehen, dass die Verwaltung umgekehrt mit der Bitte um mehr Einbindung antwortet“, sagt Michael Horn, neuer Vorsitzender der VHS mit Sitz in der Gartenstraße. „Zumal es keinerlei Druck auf uns gegeben hat und das Konstrukt erfolgreiche Vorbilder hat.“

Sein Vorgänger Berthold Traub kann das nicht nachvollziehen. Traub hat die entscheidende Vorstandssitzung zum Thema Satzungsänderung nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ unter lautstarkem Protest verlassen und den sonst einstimmigen Beschluss nicht mitgetragen. Von „unglaublichen Anschuldigungen Traubs“ in diesem Zusammhang ist die Rede. Der Rechtsanwalt und ehemalige Stadtrat der „Bürger für Ravensburg“, der als Dozent unter anderem „skeptisches Denken“ unterrichtet, hat nie einen Hehl draus gemacht, dass er sich vor einer angeblich geplanten Vereinnahmung der freien Bildung durch die Kommune und den Staat fürchtet.

„Verluste an Freiheit“

Er werde die Struktur der Volkshochschule „verteidigen als wäre es der Heilige Gral“ — hinter dieser Formulierung steht Traub. Im Gespräch mit der SZ verweist er darauf, dass die VHS „nach den Erlebnissen des Dritten Reiches bewusst als Verein gegründet“ worden sei: „Der Staat soll nicht bestimmen können, nur helfen und fördern.“ Traub meint, „Verluste an Freiheit“ habe es „in den vergangenen Jahren schon genug gegeben“. Unterstützung für eine Bildungseinrichtung dürfe zudem nicht davon abhängig sein, wer ihr Vorsitzender sei. Und es sei auch nicht sein Verständnis von Bürgerbeteiligung, wenn einem im Verein bestimmte Funktionen verwehrt blieben.

Michael Horn sieht da keine Gefahr und überhaupt das Thema nüchterner. „Die Satzung der VHS stammt noch aus 1995, sie ist immer mal wieder angepasst und modernisiert worden. Die neue Form würde uns viel mehr Sicherheit geben, unsere Arbeit erfolgreich fortsetzen zu können. Das hätte auch unsere engagierte Geschäftsführerin Silke Pfaller verdient“, sagt der Vorsitzende. Eine Vereinnahmung durch die Stadt vermögen er und seine Mitstreiter nicht zu erkennen: „Die Verwaltung hat uns bei der Frage nach der geeigneten neuen Form freie Hand gegeben. Und am Ende ist es auch so, dass zu dem Oberbürgermeister als gesetzlichem Vertreter noch fünf aus dem Kreis der Mitglieder gewählte Vorstände kommen.“

„Wir stehen zur VHS“

Ravensburgs Bürgermeister Simon Blümcke, auch im Vorstand vertreten, sieht das genauso: „Es geht uns doch nicht ums Durchregieren. Wir stehen zu unserer VHS und wollen sie nach Kräften unterstützten. Durch die Vereinsform haben wir aber eine maximale Entfernung zur Verwaltung. Und wir wollen schon in einer partnerschaftlichen Nähe Dinge künftig auch voranbringen.“ Blümcke weiter: „Einfach nur Geld geben, das geht halt nicht. Da geht es auch um eine gewisse Sicherheit für beide Seiten.“ In Ausnahmefallen, meint der Bürgermeister, nicht in der Regel: „Der Alltag läuft ja sowieso geschmeidig und die Hauptarbeit macht die hervorragende Geschäftsführerin.“

Unter den zuständigen Stadträten scheint es eine klare Mehrheit für dieses Modell zu geben. Ob sich die VHS–Mitglieder mehrheitlich von den Vorstellungen und Argumenten des amtierenden Vorstandes und der Verwaltung überzeugen lassen, ist aber zumindest fraglich. Eine Zweidrittel–Mehrheit wäre bei der Versammlung am 26. Mai für die Satzungsänderung erforderlich. Beobachter rechnen mit einem offenen Ausgang. Rund 45 Mitglieder sind stimmberechtigt.

Wie es im Falle einer Ablehung mit den Finanzen der VHS weiterginge, bleibt offen. Ohne die Stadt, so ein Vereinsmitglied, steht die VHS vermutlich vor der Insolvenz.