Literaturnetzwerk

Treffen an einem ganz besonderen Ort

Wilflingen / Lesedauer: 3 min

Literaturnetzwerk Oberschwaben trifft sich in Wilflingen
Veröffentlicht:26.06.2019, 16:50

Von:
  • Schwäbische.de
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Etwa 50 interessierte Besucher haben sich am Montagnachmittag in Wilflingen getroffen. Auf Einladung des Literaturnetzwerkes Oberschwaben besuchten Mitarbeiter der acht Literaturorte der Umgebung und zahlreiche Gäste das Ernst Jünger-Haus und das Stauffenberg’sche Schloss zu geführten Rundgängen. In der Bibliothek des Schlosses wurden sie in etwa eineinhalb Stunden informiert über das Thema „Zur Zukunft der Erinnerungsorte. Die Beispiele Ernst Jünger und Martin Heidegger “.

Acht Erinnerungsorte zu sieben Schriftstellern betreut das Literaturnetzwerk Oberschwaben der Ernst Jünger-Stiftung, die von der Kreissparkasse Biberach verwaltet wird (siehe Kasten). Diese Stätten sind für die Jahre 2018 und 2019 in einer Projektphase zusammengefasst und möchten durch verschiedene Aktionen das Museumskonzept auf dem Lande bekannter machen, die kleineren Museen vernetzen, gemeinsame Auftritte und Projekte angehen. Jürgen Keller von der Jünger-Stiftung sagte dazu: „Wir wollen eine breitere Öffentlichkeit erreichen – für eine Perle wie zum Beispiel hier in Wilflingen .“ Die größere Basis der Besucher fehle; weitere Interessierte, Schüler und Gruppen, Einheimische und Fremde sollen aufmerksam gemacht werden. Überwiegend seien die Erinnerungsorte nur dem Fachpublikum bekannt – so wie dieser „authentische Wohn-, Lebens- und Arbeitsraum“ Ernst Jüngers (1895 bis 1998), in dem er fast 50 Jahre verbrachte.

Bei der Gesprächsrunde in der Bibliothek des Schlosses – dem ehemaligen Pferdestall, so Franz Schenk Freiherr von Stauffenberg schmunzelnd in seiner kurzen Begrüßung – saßen Jünger- und Heidegger-Experten am Tisch: Dr. Franz Schwarzbauer, noch wenige Tage Kulturamtsleiter der Stadt Ravensburg, und Professor Holger Zaborowski, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar nahe Koblenz. Dr. Thomas Schmidt vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach und federführend bei der Neugestaltung des Jünger-Hauses vor wenigen Jahren moderierte das Gespräch über die Erinnerungskultur im öffentlichen Raum und deren Zukunft. Solche Erinnerungsorte für einen Schriftsteller, so Franz Schwarzbauer, seien stilprägend geworden; als Beispiel beschrieb er das Goethe-Haus in Weimar. Sie verbänden die Privatsphäre mit der öffentlichen Wahrnehmung in einem „inszenierten“ Innenraum.

Auf unterschiedliche Gedenktraditionen in unterschiedlichen politischen Systemen wies Holger Zaborowski hin. Erinnerung sei wichtig für die Identität, werde jedoch zunehmend schwierig durch eine pluralistischer gewordene Gesellschaft. Bei Jünger sprach er das Aufbrechen an, das In-Frage-Stellen von Ideologischem, von Mythologischem: „Was ist Jünger für uns heute?“ Die Person müsse in ihrer Ambivalenz darstellbar sein an solch einem Erinnerungsort; auch das Zeigen ihrer „Gebrochenheit“, ihrer Komplexität sei möglich und notwendig: „Nicht überall gern gesehen!“ Bei der Einordnung in den geschichtlichen Kontext – bei Ernst Jünger wie bei Martin Heidegger (1889 bis 1976) – könnten solche Erinnerungsorte eine wichtige Rolle spielen.

Und Thomas Schmidt ergänzte die Gedanken mit dem Hinweis auf diesen Ort der Erinnerung im ehemaligen Forsthaus des Schlosses in Wilflingen: „Ein Höchstgrad an Authentizität“ sei hier möglich. Ein Sonderfall. Jüngers Lebenswelt werde gezeigt, entziehe sich jedoch jeder Einordnung von rechts oder links. Jünger habe sich gegen eine Vereinnahmung gestellt. Und Schmidt zitierte dazu den häufig umstrittenen Schriftsteller und Philosophen: „Ich bin nicht links, ich bin nicht rechts – und in der Mitte bin ich schon gar nicht!“

Die Herausforderungen der Zukunft, schloss Holger Zaborowski, lägen in der Veränderung der Gesellschaft – nicht nur durch neue Medien. Kritische Auseinandersetzungen mit Texten seien notwendig, solche Erinnerungsorte dabei wichtig. Sie böten Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen, öffneten „Gesprächsräume“. Wie in diesem Haus.