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Ravensburger Zehntscheuer

Ein bedeutender Teil der Stadtgesellschaft wird 40 Jahre alt

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Seit 40 Jahren gibt es in der Ravensburger Zehntscheuer Musik, Lesungen, Vorträge und Kabarett. All das stemmt ein Verein von Ehrenamtlichen.
Veröffentlicht:22.09.2023, 12:00

Von:
  • Bernd Adler
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Im Herbst 1983 nahm eine neue Kulturbühne in Ravensburg ihren Spielbetrieb auf, wie es sie in dieser Form in der Region bis dahin so gut wie nicht gegeben hatte. 40 Jahre ist das jetzt her ‐ und die Zehntscheuer aus dem Kulturleben der Stadt nicht mehr wegzudenken.

Es gibt nicht viele Veranstaltungsorte, die so eng mit dem Gebäude verbunden sind, in dem sie sich befinden, wie die Ravensburger Zehntscheuer. Und nur wenige, die auf eine so lange und wechselvolle Geschichte zurückblicken können.

Gebäude ist aus dem Jahr 1378

Das mittelalterliche Gebäude in der Grüner-Turm-Straße, am nordwestlichen Rand der Unterstadt gelegen, ist eine alemannische Fachwerkkonstruktion aus dem Jahr 1378. Über die Jahrhunderte hinweg unterlag es ganz unterschiedlichen Nutzungen, vielfach als Lagerstätte.

Diese historische Aufnahme zeigt das Gebäude in den 1920er Jahren. (Foto: Stadtarchiv Ravensburg)

Im Lauf der langen Geschichte wurde das Haus immer maroder. Ende der 1970er Jahre kamen die Behörden zu dem Entschluss, die Zehntscheuer sei ein Abrissobjekt, da zu 80 Prozent einsturzgefährdet.

1981 fand sich eine neue Konzeptidee

Gegen einen möglichen Abbruch mehrte sich aber Widerstand. „Aus der Mitte des Ravensburger Gemeinderats kam Anfang 1981 der Lösungsvorschlag, der die Erhaltung des Gebäudecharakters mit einer hochinteressanten kulturellen Nutzung zu verbinden wusste“, schrieb der damalige Oberbürgermeister Karl Wäschle in einer Broschüre nach Abschluss der Sanierungsarbeiten.

Denn bei näherer Betrachtung hatte sich ergeben, dass die tragenden Säulen der Scheuer bis auf die Südseite „in einwandfreiem Zustand“ waren, wie Hans Necker berichtet. Er ist einer der Gründungsmitglieder des Vereins Zehntscheuer, der sich 1982 konstituierte, nachdem der Gemeinderat einen Sanierungszuschuss von 700.000 Mark zugesagt hatte.

Ehrenamtliche engagierten sich massiv

Zehn Gründungsmitglieder hatte der neue Verein, und die klotzten sofort richtig ran. Sie sammelten nicht nur Spenden ein (die Sanierungskosten wurden auf 1,5 Millionen Mark taxiert, was freilich nicht ausreichte), sie organisierten auch ehrenamtliche Bauhelfer, die selbst Hand anlegten. „Das war bürgerschaftliches Engagement in Reinform“, sagt Michael Borrasch, heute Geschäftsführer der Kultureinrichtung.

Altes und Modernes sind im Gebäude der Zehntscheuer kein Widerspruch. (Foto: Verein Zehntscheuer )

Die Sanierung war in der unglaublich kurzen Zeit von gut einem Jahr vollendet und sofort danach startete der regelmäßige Spielbetrieb. Dass das so schnell ging, erklärt Gründungsmitglied Wolfgang Engelberger so: „Außer dem Theaterstadel in Markdorf gab des damals in der weiteren Umgebung keine vergleichbare Spielstätte für Künstler. Das hat sich blitzartig herumgesprochen.“

Über 100 Veranstaltungen im Jahr

So schnell, dass „wir anfangs viel zu viele Veranstaltungen machten“, sagt Engelberger. Dabei stießen die Ehrenamtlichen schnell an ihre Grenzen. Necker: „Wir machten alles selbst, Einlass, Technik, Bier zapfen und in der Pause Saitenwürstle aufwärmen. Das wurde zu viel.“ Die Zahl der Veranstaltungen wurde daher auf 60 pro Jahr gedeckelt. Heute sind es über 100.

Die Kulturbühne bietet ein vielseitiges Programm mit viel Musik. (Foto: Verein Zehntscheuer )

Die Ravensburger Laienbühne war anfangs ständig zu Gast, das Maulartkabarett auch. Wolfgang Engelberger schätzt, dass er selbst rund 250 Mal auf der Zehntscheuerbühne stand. Auftrag des städtischen Kulturamts sei es von Anfang an gewesen, einen kulturellen Gemischtwarenladen anzubieten und Nischen zu bedienen, „nicht nur den Mainstream“.

Im Lauf der Zeit verschoben sich dabei die Schwerpunkte. Das Kabarett wurde etwas weniger, Musik dafür immer mehr. Neue Formate wie Poetry Slams kamen hinzu. Obwohl in der Umgebung, selbst in kleineren Gemeinden, ähnliche Spielstätten entstanden, schadete das der Ravensburger Zehntscheuer nicht. Michael Borrasch: „Der Name war eingeführt, und das besondere Ambiente des Gebäudes begeistert Publikum wie Zuschauer.“

Gäste nehmen auch weitere Wege auf sich

Die Besucher reisen aufgrund der attraktiven Veranstaltungen inzwischen sogar aus weiter entfernten Regionen an, berichtet Borrasch. Und die Künstler schätzen die Betreuung durch die Ehrenamtlichen und die persönliche Atmosphäre. Rund 200 Besucher finden in der Zehntscheuer Platz. Sie kann auch für private Veranstaltungen, außer Hochzeiten und Geburtstage, gemietet werden.

Finanziell steht der Verein Zehntscheuer mit seinen aktuell 206 Mitgliedern solide da. Das liegt vor allem an der Förderung der Stadt Ravensburg (175.000 Euro im Jahr) und der Unterstützung durch das Land. Hinzu kommen Mitgliedsbeiträge und Eintrittsgelder ‐ von denen natürlich dann wieder die Künstler bezahlt werden müssen.

Die Zehntscheuer lebt vom Ehrenamt

Nur vier Personen arbeiten gegen Bezahlung für die Zehntscheuer, keiner davon hat nur annähernd einen Vollzeitjob. Daher lebt die Arbeit des Vereins vor allem durch die rund 40 Ehrenamtlichen, die sich regelmäßig zum Beispiel um Einlass oder Künstlerbetreuung kümmern. Das ist eine gute Quote bei rund 200 Mitgliedern, denn ohne diese Menschen könnte die Scheunenbühne nicht sein, was sie ist: Ein Kulturort mit überregionaler Ausstrahlung und ein bedeutender Teil der Ravensburger Stadtgesellschaft.

Jubiläumstage in der Zehntscheuer

Anlässlich des 40. Geburtstags der Kulturbühne gibt es im Oktober einige Jubiläumstage mit einem besonderen Festprogramm. Dabei treten auf: Andreas Schaerer & Hildegard lernt fliegen (18. Oktober, 20 Uhr); Peter Pux (19. Oktober, 20 Uhr) und Helene Blum & Harald Haugaard Band (20. Oktober, 20 Uhr). Höhepunkt ist die Verleihung des Ravensburger Kulturpreises Kupferle am 21. Oktober um 19.30 Uhr an Johnny & the Yooahoos und Attwenger. Weitere Infos, auch zum Kartenverkauf, unter www.zehntscheuer-ravensburg.de