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Interims-Schulleiter erfolgreich

Ravensburger Waldorfschule hat Ausschluss aus Landesverband abgewendet

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Im Lehrerkollegium war ein Reichsbürger aufgeflogen. Ein Ausschluss der Schule aus dem Landesverband ist jetzt vom Tisch. Die Schulgemeinschaft scheint aber gespalten.
Veröffentlicht:12.11.2023, 12:00

Von:
  • Lena Müssigmann
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Die Waldorfschule Ravensburg wird nicht aus dem Landesverband der Freien Waldorfschulen ausgeschlossen. Das hat der Interims-Schulleiter Alfred Rapp durch Gespräche in Stuttgart abwenden können. Alle Mitarbeiter der Genossenschaft bekennen sich jetzt in der schärferen, von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg (LAG) geforderten Form zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das war notwendig geworden, nachdem ein Reichsbürger im Lehrerkollegium aufgeflogen war. In der Schule brodelt es trotzdem noch.

Spaltung scheint weiterhin tief zu sein

Es ist ein gutes halbes Jahr her, dass sich die Waldorfschule Ravensburg von einem Gartenbaulehrer getrennt hat, der sich der Reichsbürgerszene zuordnete. Die Vorwürfe waren im April bekanntgeworden. Der Lehrer soll einen Reichsbürgerausweis in der Schule dabei gehabt haben und hat sich nach Angaben des Schulvorstandes tendenziös und suggestiv in Zusammenhang mit dieser Ideologie gegenüber Schülern geäußert haben. Reichsbürger lehnen die Existenz oder Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Rechtsordnung ab. Eltern hatten den Fall über das Nachrichtenportal „Zeit-Online“ öffentlich gemacht.

Daraufhin ist von Teilen der Schulgemeinschaft intern nach „Verrätern“ gesucht worden, die diesen Fall an die Öffentlichkeit getragen haben, wie aus Kreisen einer kritischen Elternschaft zu hören ist. Und die Spaltung in der Schulgemeinschaft scheint weiterhin tief zu sein ‐ zwischen denen, die den Lehrer als Mensch schätzten und deshalb gerne über den Vorfall hinweggesehen hätten. Und jenen, denen die Aufarbeitung des Vorfalls bis heute nicht tief genug gegangen ist.

Waldorf-Eltern wirken in die Schule hinein

Dieser Streit entzündet sich an der Frage, ob auch Eltern ein Positionspapier unterschreiben sollten, in dem sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennen. Es gibt Eltern, die sich das wünschen, um klarzustellen, dass diese Werte auch in einer freien Waldorfschule nicht zur Debatte stehen.

Dadurch, dass die Schule von einer Genossenschaft getragen ist, wirken auch viele Eltern in die Schule hinein, erklärt eine Familie, deren Kind die Schule besucht. Gerade deshalb sei es wichtig, dass auch Eltern so eine Verpflichtung unterschreiben. Sich in einem demokratischen Staat zur demokratisch-freiheitlichen Grundordnung zu bekennen, sei nichts Außergewöhnliches, aber an einer Privatschule, deren Mitglieder „sehr im eigenen Glaubenskreis stehen“ und an der es den Reichsbürger-Vorfall gab, sei das durchaus erforderlich, finden Unterstützer dieser Idee.

Experte hat Spaltung in Bericht bescheinigt

Die Idee, ein Positionspapier auch von Eltern unterschreiben zu lassen, hat auch Albrecht Hüttig begrüßt, wie Mitglieder der Schulgemeinschaft berichten. Hüttig war zur Aufarbeitung des Reichsbürger-Falls als externer Begleiter hinzugezogen worden. Er ist Vorstandsmitglied im Verein „Bildungseinrichtungen gegen Rechtsextremismus“ mit Sitz in Hannover. Hüttig hatte zuletzt auch die Aufarbeitungsbemühungen der Schule als nicht ausreichend bezeichnet und darauf hingewiesen, dass es noch immer eine uneinheitliche Haltung der Beteiligten zur Aufarbeitung gibt.

Ein Datum für die weitere Zusammenarbeit mit ihm ist aber nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ bisher nicht vereinbart worden. Aus Hüttigs Sicht ist die Aufarbeitung aber noch nicht abgeschlossen. Mit Verweis auf das laufende Verfahren beantwortet er keine Fragen der „Schwäbischen Zeitung“.

Teil der Elternschaft soll Druck gemacht haben

Aus dem einen Lager der Schulgemeinschaft, das gerne weiter mit Hüttig zusammenarbeiten würde, wird vermutet, dass es intern Druck auf die Leitungsgremien der Schule gegeben haben muss ‐ und zwar von Eltern, die so ein Papier nicht unterzeichnen wollen. Und weil die Schule Angst davor habe, Familien zu verlieren, und nicht wenige dagegen seien, habe die Leitungsebene dem Druck nachgegeben, so die These.

Der neue Interims-Geschäftsführer der Schule, Alfred Rapp, legt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ dar, warum er den Eltern kein Positionspapier zur Unterschrift vorlegen wird. So ein Papier unterschreiben zu lassen, sei aus seiner Sicht nicht geeignet, um Leute mit einer Gesinnung aufzuspüren, die an der Schule nicht erwünscht ist. Denn so jemand hätte auch kein Problem damit, die Unterschrift allein zur Verschleierung eigener Ansichten zu unterzeichnen, ist er überzeugt. „Ich will nichts auf den Weg bringen, was nicht praktikabel ist.“

Erarbeitung des Leitbildes steht bevor

Viel wichtiger sei ihm, dass die Schule handlungsfähig ist und künftig schneller als bisher reagiert, wenn jemand nicht im Sinne der Schule agiert. Er will sich für Klarheit in der Kommunikation und kürzere Entscheidungsprozesse einsetzen. Probleme wolle er „abräumen, statt sich wegzuducken“. Laut Rapp erarbeitet die Schule jetzt ein neues Leitbild.


Die Waldorfschule Ravensburg, Meersburger Straße 148, lädt ein zum Tag der offenen Tür am Samstag, 18. November, von 9 bis 14.30 Uhr. Als Programm wird neben Führungen durchs Schulgebäude (9 und 13 Uhr), Schülerdarbietungen (10 Uhr), auch offener Unterricht (ab 12 Uhr) angeboten.