Gefängnis in Ravensburg wird ausgebaut

Ravensburger JVA soll auch Jugendgefängnis werden

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Beim Ausbau der Haftplätze im Land spielt Ravensburg eine zentrale Rolle. Jetzt gibt es neue Pläne und Einblicke in das größte Gefängnis der Region.
Veröffentlicht:31.05.2023, 17:00

Von:
  • Frank Hautumm
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Das Gefängnis in Hinzistobel könnte bald neben Adelsheim zur zweiten großen Justizvollzugsanstalt (JVA) für Jugendliche des Landes Baden–Württemberg werden. Das sagte Thomas Mönig, Leiter der JVA Ravensburg, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.

Als Gast der Redaktion sprach Mönig auch über die kleine Welt hinter Gittern, in der es neben Problemen mit Drogen, Übergriffen und fehlenden Fachkräften auch so etwas wie einen angenehmen Alltag gibt.

Unter Thomas Mönig hat sich der Standort Hinzistobel in den vergangenen zehn Jahren zu einer stetig wachsenden Haftanstalt entwickelt, die inzwischen beim Wandel zu einem modernen Strafvollzug im Land eine wesentliche Rolle spielt.

2012 hatte der heute 49–jährige Bad Wurzacher das Amt von Alexander Boger übernommen, der Leitender Oberstaatsanwalt in Ravensburg wurde. Damals hatte die JVA knapp 370 Haftplätze im geschlossenen Vollzug. Wenn Ausbau und Sanierung vollständig abgeschlossen sind, werden es gut 200 zusätzlich sein.

Nicht Bewohner und nicht Knackis

Gerade erst ist ein neues Gebäude fertig geworden, das Platz für 120 zusätzliche Häftlinge bietet. Mönig spricht übrigens konsequent von „Gefangenen“: „Ich sage nicht Bewohner, denn das wäre unpassend. Ich sage aber auch nicht Knackis.“ Schon jetzt sind die Gefängnisse im Land voll, Experten sagen, parallel dazu steige auch der Behandlungs– und Betreuungsbedarf der Gefangenen.

„Die Anforderungen haben sich geändert, gleichzeitig stammen viele Anstalten im Land noch aus dem 19. Jahrhundert“, sagt Mönig. Zeitgemäße Erweiterungen und Neubauten seien an vielen Stellen aber schwer umzusetzen, auch, weil sich regelmäßig der Widerstand der Bürger organisiere.

Das liegt sicher auch daran, dass viele dieser Ängste rein abstrakter Natur sind.

Thomas Mönig

In Ravensburg sei diese Stimmung kein Thema. Zusammen mit der Lage am Rande der Stadt wohl ein Grund dafür, dass Hinzistobel im notwendigen Wachstumsprozess der Gefängniskapazität zu einem Schwerpunkt im Land geworden ist, glaubt Thomas Mönig. Er ist froh, dass er nicht wie Kollegen an anderen Stellen gegen massive Ängste von Anwohnern ankämpfen muss.

„Das liegt sicher auch daran, dass viele dieser Ängste rein abstrakter Natur sind. Die Leute, die in der Nähe einer JVA leben, wissen das. Entweichungen aus dem offenen Vollzug hat es beispielsweise praktisch seit Jahren nicht bei uns gegeben“, so Mönig. Die öffentliche Aufmerksamkeit bei diesem Thema liegt derzeit eher auf dem Zentrum für Psychiatrie in Weißenau. „Wenn ich morgens zur Arbeit fahre, freue ich mich, dass mir in Hinzistobel Nachbarn, Schulkinder und Freigänger gleichermaßen entgegenkommen. Das ist die Idealsituation, wenn es so selbstverständlich läuft.“

Neue Häftlinge in Ravensburg

Das soll auch so bleiben, wenn neue Häftlinge in Ravensburg ankommen. Ein Teil der Plätze soll nach dem Abschluss der Erweiterung für junge Straftäter genutzt werden. Ravensburg würde dann neben Adelsheim, wo mehr als 417 männliche Jugendstrafgefangene zwischen 14 und 23 Jahren ihre Zeit absitzen, zum zweiten Standort in Baden–Württemberg für den Jugendstrafvollzug.

Ein Argument dafür ist, dass es in Hinzistobel schon Ausbildungseinrichtungen gibt. Gut zehn Berufsabschlüsse können Gefangene hier erwerben.

In der JVA ist die Ausbildungsreife vieler Insassen aber kaum noch vorhanden und die persönlichen Fähigkeiten sind deutlich limitierter als früher. „Das spiegelt zum einen die Entwicklung in der gesamten Gesellschaft wider, wir sehen die Defizite auch in den regulären Handwerksbetreiben“, sagt der JVA–Leiter.

Dazu sehe man im Gefängnis aber natürlich so etwas wie eine „Negativauswahl“: Wer einen festen Arbeitsplatz hat, hat vor dem Richter oft einen Punkt beim Strafmaß und kommt wegen einer besseren Prognose vielleicht mit einer Bewährung davon. Wer bei Thomas Mönig und seinen Kollegen landet, der ist oft schon durch alle Raster gefallen.

Verbale Angriffe sind an der Tagesordnung

„Das ist ein großer Nachteil, denn Arbeit, Beschäftigung überhaupt, ist zentral für das Leben im Gefängnis“, sagt Mönig. Es gehe um Tagesstruktur, um ein gewisses Maß an Normalität, ums Miteinander an der Arbeit und nicht zuletzt auch um die Vorbereitung auf das Leben draußen.

Der 49–Jährige: „Lamentieren hilft nicht, wir müssen die Leute so nehmen, wie sie sind. Wir müssen im Schul– und Ausbildungsbereich niederschwellige Angebote entwickeln, denn auch diese Tätigkeiten werden gebraucht.“ Die Zahlen allerdings sind bedenklich: Von einst 80 Azubis hat die JVA derzeit gerade noch die Hälfte.

Fatal ist eine willkürliche Ausübung von Macht.

Thomas Mönig

Dazu gebe es Gefangene mit „klaren Defiziten in der Persönlichkeit“. Das sei zwar der weitaus kleinere Teil, aber dieser kleinere Teil mache die größten Probleme. „Da fehlt der Respekt untereinander, aber auch meinen Mitarbeitern gegenüber“, sagt Mönig. Froh ist er darüber, dass körperliche Übergriffe nur alle paar Wochen vorkommen.

Verbale Angriffe seien aber an der Tagesordnung. Mönig hält viel von einer klaren Rollenverteilung („auf Augenhöhe zu kommunizieren ist nicht vorgesehen“), aber auch von einem Umgang mit Achtung voreinander. Dazu gehöre auch ein klares Nein gegenüber nicht erfüllbaren Bedürfnissen der Gefangenen, aber Mönig will, dass diesem Nein eine vernünftige Begründung folgt. „Fatal ist eine willkürliche Ausübung von Macht.“ Das erfordere ein tägliches Bemühen der Mitarbeiter.

Drogen in der JVA

Probleme in einer JVA gebe es aber natürlich trotzdem. Drogenschmuggel und -konsum beispielsweise lassen sich trotz aller Anstrengungen nicht gänzlich verhindern. „Wir reden hier von Süchtigen, und Süchtige suchen immer nach Wegen“, sagt Mönig.

Eine JVA, die gleichzeitig auch ein Unternehmen sei, komme gleichzeitig nicht ohne Kontakte und Materialtransporte von und nach außen aus, die eine potenzielle Schwachstelle seien.

2016 war die JVA in Hinzistobel in die Schlagzeilen geraten, weil es gleich zwei Suizide in der Anstalt gab. Selbstmord hatte auch der Mann verübt, der seine Familie in Untereschach aus Eifersucht ausgelöscht hatte und der deshalb im Gefängnis saß. Es sei anstrengend gewesen damals, mit viel Kritik und Fragen von außen, bestätigt Mönig.

„Es ist aber wichtig, in solchen Situationen nüchtern darauf hinzuweisen, dass es objektive Grenzen und Restrisiken gibt.“ Auch in einem Gefängnis ließen sich Suizide nicht immer verhindern. Wenn man eine nahezu hundertprozentige Sicherheit bei einigen wolle, dann sei diese nur mit massiven Einschränkungen der Freiheit für alle zu haben. „Das wäre ein hoher Preis, deshalb ist es wichtig, Folgen von Maßnahmen zu bedenken und nicht Reflexen nachzugeben“, glaubt Mönig.

„Gutes Miteinander“

Inzwischen ist es wieder ruhiger geworden vor den Toren der Stadt. Der ganz normale Alltag mit seinen eingespielten Abläufen ist das, was Mönig anstrebt.

„Und dann gibt es mit der großen Masse der Gefangenen auch ein gutes Miteinander. Diesen Alltag in einem Gefängnis darf und kann man auch als angenehm empfinden.“