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Unverständnis

Autofahrer: „Stadt hat mich verklagt wegen zehn Euro“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Ein E-Autofahrer streitet mit dem Ravensburger Ordnungsamt wegen des Parkens an einer Ladesäule ‐ jetzt landet die Sache vor Gericht. Es geht um einen Bagatellbetrag.
Veröffentlicht:02.10.2023, 12:00

Von:
  • Lena Müssigmann
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Ulrich Struben hat sein E-Auto am 26. Februar in der Ravensburger Charlottenstraße auf einem dafür vorgesehenen Parkplatz mit Ladesäule geparkt. Dabei hat er sich aus Sicht des Ravensburger Ordnungsamtes nicht korrekt verhalten, so dass die Sache jetzt vor Gericht geklärt werden muss. Es geht um einen Bagatellbetrag.

Autofahrer findet die Vorschrift „doppelt gemoppelt“

Am besagten Tag im Februar parkte Struben sein Auto, steckte das Stromkabel ein, startete den Ladevorgang und ging in die Stadt. Als er zurückkam, hatte er einen Strafzettel: Er hatte vergessen, eine Parkuhr hinter die Windschutzscheibe zu legen. Allerdings zeigte die Ladesäule bei seiner Rückkehr an, dass der Ladevorgang erst zwei Stunden und 42 Minuten dauerte. Es ist erlaubt, das Auto während des Ladevorgangs bis zu vier Stunden dort stehen zu lassen. Was also hat er sich zu Schulden kommen lassen, fragt sich Struben.

„Die Ladesäule zeigt die Zeit an, warum soll ich auch noch eine Parkscheibe benutzen? Das ist irgendwie doppelt gemoppelt“, sagt er zur Erklärung, warum er nur den Ladevorgang gestartet und die Parkscheibe vergessen hat. Außerdem fügt er hinzu: 

Die Ladesäule lässt sich nicht manipulieren. Die Parkscheibe kann ich aber nachstellen.

Ulrich Struben

Stadt will auch nach Erklärung Strafzettel nicht zurücknehmen

Der Pressesprecher der Stadt, Timo Hartmann, sagt dazu, dass es die Parkscheibe brauche, um die Höchstparkdauer von vier Stunden kontrollieren zu können: „Es reicht aus rechtlicher Sicht nicht aus, dass unser gemeindlicher Vollzugsdienst die Angaben an der Ladesäule überprüft.“

Nachdem Struben den Strafzettel unterm Scheibenwischer hervorgezogen hatte, machte er sofort ein Foto, das sowohl Knöllchen als auch Zeit auf der Ladesäule zeigt. Er schickte es an die Stadt, schilderte sein Unverständnis für die doppelte Erfordernis, die Parkzeit nachzuweisen. Auch ein Widerspruchs-Formblatt füllte er aus. Er erhielt eine Antwort, dass nach mehrfacher Prüfung der Strafzettel nicht zurückgenommen werden könne. Der Kontrolleur sei „nicht verpflichtet, die Zeit des Ladevorgangs zu prüfen“, schrieb das Ordnungsamt an Struben.

So erklärt die Stadt Ravensburg ihr Vorgehen

Wenn er den Strafzettel nicht bezahle, leite die Stadt rechtliche Schritte gegen ihn ein. So ist es jetzt. Im Oktober landet die Sache vor Gericht. Für Struben unglaublich: „Die Stadtverwaltung hat mich verklagt wegen zehn Euro, geht’s eigentlich noch?“

Die Stadtverwaltung erklärt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass der Betrag für die Weiterreichung eines Falls ans Gericht nicht entscheidend ist. „Es gibt da also keine Bagatellgrenze. Im Zweifel geht der Fall, egal bei welchem Betrag, ans Gericht“, so Hartmann.

Tausende Bürger haben ihre Strafzettel bezahlt

Im Jahr 2022 liefen bei der Stadt Ravensburg rund 65.000 Verfahren wegen Park- und Tempoverstößen sowie sonstigen Ordnungswidrigkeiten. „Nur 164 davon mussten ans Gericht abgegeben werden, alle anderen wurden durch Zahlung erledigt oder eingestellt“, so Hartmann.

Struben ist es wichtig, zu betonen, dass er nicht meint, über dem Gesetz zu stehen: „Wenn ich etwas falsch mache, dass zahle ich das Knöllchen ohne Wenn und Aber.“ Dafür sei wichtig, dass Regeln „in sinnvoller Weise die Lebensrealität abbilden“, sagt er. „Das ist hier leider nicht gegeben.“

Struben ärgert sich über den bürokratischen Aufwand

Sein Ärger entzündet sich auch daran, dass ihm Augenmaß und Beurteilung des Falls mit logischem Menschenverstand fehlen, wie er sagt. „Es wird permanent über Entbürokratisierung gesprochen. Die Verwaltungen klagen über Personalmangel, lassen dann aber so einen Fall bis zum Gerichtsverfahren eskalieren. Das ist doch absurd.“ Struben findet: „Die Stadtverwaltung ist eine Bürgerverwaltung. Die sollte bürgernah und ergebnisorientiert arbeiten.“

Um die zehn Euro geht es ihm nicht. Der Fall wäre durch die Bezahlung schnell abgehakt gewesen. Aber Struben hat sich mit einem ihm persönlich bekannten Verwaltungswissenschaftler über den Fall ausgetauscht und sagt: „Er befürwortet mein Vorgehen explizit, da es aufgrund eines Beharrens auf dem Ist-Zustand regelmäßig zum Innovationsstau in den Verwaltungen kommt. Nur wenn sinnlose Dinge moniert werden, werden Änderungen angestoßen.“