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Zukunft der Kinderbetreuung

Personalnot in Kitas: Staatssekretär stellt sich Eltern-Fragen

Kreis Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Zu wenige Erzieherinnen und Erzieher, immer mehr Kinder und die nahende Rente der Boomer–Generation. Müssen sich Eltern überall auf kürzere Öffnungszeiten einstellen?
Veröffentlicht:09.03.2023, 17:00

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Boris Palmer ist vorgeprescht: Der Tübinger Oberbürgermeister (Grüne, Mitgliedschaft ruhend) hat mit seinem Gemeinderat beschlossen, die Öffnungszeiten in den städtischen Kitas teils stark zu reduzieren. Die Gründe dafür, Personalmangel und immer mehr Kinder in Betreuung, gibt es nicht nur in Tübingen. Auch im württembergischen Allgäu kämpfen Kindergärten in den Großen Kreisstädten und in kleinen Landgemeinden mit zu wenigen Erzieherinnen für zu viele Kinder.

Auf Einladung der Landtagsabgeordneten Petra Krebs (Grüne) und Raimund Haser (CDU) stellte sich Staatssekretär Volker Schebesta (CDU, mitte) in Kißlegg den Fragen von Eltern, Trägern und Erzieherinnen.
Auf Einladung der Landtagsabgeordneten Petra Krebs (Grüne) und Raimund Haser (CDU) stellte sich Staatssekretär Volker Schebesta (CDU, mitte) in Kißlegg den Fragen von Eltern, Trägern und Erzieherinnen. (Foto: pama)

Fachkräfte, Eltern und Einrichtungsträger haben den zuständigen Staatssekretär im Kultusministerium, Volker Schebesta (CDU), nun gefragt, wie sich die Landesregierung die Zukunft der Betreuung vorstellt. Die Landtagsabgeordneten Petra Krebs (Grüne) und Reimund Haser (CDU) hatten ihn hierfür nach Kißlegg geladen.

Alles hängt am Personal

Was die „größte Baustelle“ in puncto Kinderbetreuung ist, nannte Volker Schebesta als erstes: das notwendige Personal. Der Landespolitiker weist aber Vorwürfe wegen Untätigkeit ab:

Wir haben in den vergangenen 15 Jahren die Kopfzahl beim Personal verdoppelt, gleiches gilt für die Ausbildungsplätze.

 Wegen der ausgeweiteten Betreuung von unter Dreijährigen, längeren Öffnungszeiten und dem Zuzug nach Baden–Württemberg reiche das aber nicht. Und das Problem wird sich verschärfen. Ab 2026 gibt es laut Bundesgesetz einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen — auch hier wird pädagogisches Personal gebunden sein.

Betreuungsschlüssel sollen gleich bleiben

Was könnte die Landesregierung also tun? Den Personalschlüssel senken, sodass weniger Erzieherinnen mehr Kinder betreuen? Der Staatssekretär winkte ab. „Wenn die Fachkräfte dann wegen der Mehrbelastung die Branche wechseln, ist nichts gewonnen.“ Und eine Stelle in einem anderen Bereich würden die meisten wohl leicht finden.

Fachkräftemangel ist kein Alleinstellungsmerkmal der Kinderbetreuung. Deswegen plane das Land eine Kampagne, so Schebesta. „Die Freude, Kinder ins Leben zu begleiten, wollen wir in den Vordergrund rücken.“ Aber auch vom Image des unterbezahlten Jobs soll der Erzieher-Beruf weg. Laut dem Staatssekretär verdiene eine Fachkraft nach fünf bis sieben Jahren 3696 Euro brutto im Monat. „Und genau das schreiben wir auf die Plakate.“

Diese Sorgen hat Leutkirchs OB

Eine Idee, die Leutkirchs OB Hans-Jörg Henle nicht gerade für frisch hält, wie er dem Staatssekretär sagte: „Plakate und Kampagnen macht doch jeder, egal ob’s um Verwaltungskräfte oder Lkw-Fahrer geht.“ Man müsse die Fachkräfte im Alltag entlasten, damit sie sich wirklich auf die Pädagogik konzentrieren, so Henle. Hauswirtschaftliche Arbeiten könnten auch andere erledigen.

Leutkirchs OB Hansjörg Henle erinnerte daran, dass Werbekampagnen für mehr Fachkräfte schon seit Jahren im Handwerk oder der Industrie laufen.
Leutkirchs OB Hansjörg Henle erinnerte daran, dass Werbekampagnen für mehr Fachkräfte schon seit Jahren im Handwerk oder der Industrie laufen. (Foto: pama)

Außerdem müsse die Ausbildung attraktiver werden: „Ich weiß zwar nicht, wo wir das Geld hernehmen sollen“, sagte der OB, „aber in vielen Branchen sind die Ausbildungsgehälter schon bei 1000 Euro, da müssen wir nachziehen.“

Chef des Landeselternbeirats meldet sich zu Wort

Henle mahnte auch, der Bevölkerung nichts vorzumachen. „Wir müssen aufhören, den Leuten zu sagen, dass wir die jetzigen Standards schon irgendwie halten können.“ Ähnlich äußerte sich auch Claus Mellinger, Vorstand der Landeselternvertretung baden–württembergischer Kindertageseinrichtungen, der aus Reutlingen nach Kißlegg gekommen war: 

Wir können die Rechtsansprüche in Zukunft schlicht nicht mehr halten.

Schebesta gab Henle und Mellinger zwar in einige Punkten recht, sagte aber, dass etwa eine Erhöhung des Ausbildungsgehalts derzeit nicht geplant ist. Man probiere aber im Moment in einem Politprojekt Quereinsteiger aus anderen Branchen in den Erzieher-Beruf zu locken. „Und die werden so entlohnt, dass sie sich den Wechsel auch im mittleren Lebensabschnitt leisten könnten“, sagte der Staatssekretär.

Auch Claus Mellinger, Vorstand der Landeselternvertretung baden-württembergischer Kindertageseinrichtungen, stellte in Kißlegg kritische Fragen.
Auch Claus Mellinger, Vorstand der Landeselternvertretung baden-württembergischer Kindertageseinrichtungen, stellte in Kißlegg kritische Fragen. (Foto: pama)

In Wangen gibt’s ein Platzproblem

Eine Frage abseits des Personalmangels hatte Michaela Nell, Gesamtelternbeirätin in Wangen. In ihrer Stadt und den Ortschaften gebe es massiven Platzmangel. „Wohnungen werden gebaut, aber wie können die Kindergärten mitwachsen?“, wollte sie wissen. Ein entsprechendes Förderprogramm des Bundes sei ausgelaufen, erklärte Schebesta. Das Land werde hier die Lücke schließen.

Nicht das einzige Mal, dass er auf „Versäumnisse des Bundes“ hingewiesen hat, wo Baden-Württemberg nun einspringt. Etwa werden die Sprachheilkindergärten — noch bis Juni vom Bund gefördert — weiter existieren, weil das Land die entsprechenden Mittel stellt.