Langwieriger Genehmigungsprozess

Neuer Regionalplan ist noch lange nicht absehbar

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Das Ministerium schafft es nicht, den Regionalplan für Bodensee–Oberschwaben im ersten Quartal zu genehmigen.
Veröffentlicht:11.03.2023, 18:00

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Die einen warten sehnsüchtig auf ihn, die anderen lehnen ihn komplett ab: Wann der neue Regionalplan für die Region Bodensee–Oberschwaben genehmigt wird, ist noch lange nicht klar. Dabei ist dieser Grundlage für die Entwicklung der ganzen Region. Offenbar braucht das zuständige Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden–Württemberg länger als ursprünglich gedacht. Einen Termin für die Genehmigung kann das Ministerium auch noch nicht nennen. Derweil rufen Bürgerinitiativen weiterhin dazu auf, eine Petition zu unterschreiben, die sich gegen den Regionalplan in seiner von der Regionalversammlung verabschiedeten Form wendet.

Schon die SPD–Fraktion in der Regionalversammlung monierte vor kurzem, dass das Genehmigungsverfahren zu lange dauert. Denn noch gilt in der Region Bodensee–Oberschwaben, die die Landkreise Bodensee, Ravensburg und Sigmaringen umfasst, der alte Regionalplan aus dem Jahr 1996. Die Genehmigung des Plans sei dringend nötig, die Kommunen und Firmen der Region warteten auf rasches Handeln in Stuttgart, schreibt der SPD–Fraktionsvorsitzende Norbert Zeller in einem Brief an CDU–Ministerin Nicole Razavi.

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Ganz praktisch müssen die Kommunen bei ihren Planungen jedoch bereits nach den Vorgaben des neuen, noch nicht genehmigten Regionalplans arbeiten.

Termin kann nicht gehalten werden

Der Regionalplan ist eine bedeutende Rechtsgrundlage für die Planung von Gewerbe– und Wohngebieten für die Kommunen, aber auch für Infrastrukturprojekte und Rohstoffabbaugebiete — so zum Beispiel auch für das umstrittene Kiesabbaugebiet bei Vogt–Grund im Altdorfer Wald, das heftige Proteste in Oberschwaben ausgelöst hatte.

Wann genau die Region auf den Regionalplan hoffen kann, blieb auf Nachfrage Zellers beim zuständigen Ministerium auch unbeantwortet. Nach einer Ministeriumsauskunft vom Herbst gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ war von einem Entscheid im ersten Quartal 2023 die Rede, das jedoch in wenigen Wochen endet. Offenbar kann dieser Termin nicht gehalten werden, wie es jetzt auf Nachfrage heißt.

Keine zeitlichen Angaben

„Die Genehmigungsprüfung wird im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten zielorientiert vorangetrieben. [...] Wegen der Vielschichtigkeit der Themen wird die Prüfung jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens können derzeit weder zeitliche noch inhaltliche Angaben gemacht werden“, schreibt ein Ministeriumssprecher.

Im Juni 2021 hat die Region der Fortschreibung des Regionalplans zugestimmt, seit Ende Oktober 2021 liegt der Plan beim Ministerium. Die Gründe für die lange Bearbeitungszeit erklärt die Behörde so: „Durch die Komplexität des Verfahrens nimmt die Prüfung ein großes Zeitfenster in Anspruch. Ein weiterer Grund hierfür ist auch das große öffentliche Interesse am Regionalplan, das sich in zahlreichen Anfragen an das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen widerspiegelt und erhebliche Kapazitäten bindet.“

Der Protest geht weiter

Während es manchen mit der Genehmigung nicht schnell genug gehen kann, weil weitere Planungen davon abhängen, wollen andere den Plan in dieser Form verhindern. Dazu zählt auch Barbara Herzig von der „Initiative Zukunftsfähiger Regionalplan“. Noch läuft eine Petition der Initiative auf der Online–Plattform Open–Petition. Hauptkritikpunkt der Gegner: Der Plan vernachlässige sowohl Nachhaltigkeit als auch Klimaschutz. „Mein Eindruck ist, dass noch immer nicht angekommen ist, dass Klimaschutz und Raumplanung zusammenhängen“, so Herzig.

Denn tatsächlich ist es so, dass die Regionalplanung auf den Bevölkerungsprognosen beruht. Stark vereinfacht gesagt, rechnet der Regionalverband so: Durch das Bevölkerungswachstum braucht es neue Baugebiete. Wirtschaftswachstum und Zuzug bedeuten mehr Bedarf für Gewerbegebiete und Straßen. Dies hat wiederum einen höheren Bedarf an Baurohstoffen, wie etwa Kies, zur Folge.

In Oberschwaben wartet man

„Die geplanten über 3000 Hektar an Fläche sind mehr als doppelt so viel als nachhaltig wäre und den Klimazielen entspräche. Auch der geplante Abbau von natürlichen Ressourcen, vor allem Kies, ist ähnlich überdimensioniert und nicht nachhaltig“, wird Manfred Walser von den Scientist–4-Future Ravensburg in einer Pressemitteilung zitiert.

Beim Regionalverband Bodensee–Oberschwaben wartet man auf den Regionalplan. Ursprünglich sei die Erwartung gewesen, dass der neue Plan im Verlauf von 2022 genehmigt wird, sagt Wolfgang Heine, Direktor des Regionalverbandes, in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Doch auch dort weiß man keinen Zeitplan. 

Wir gehen davon aus, dass der Regionalplan im Laufe dieses Jahres genehmigt wird, 

sagt Heine.

Beim Regionalverband hänge man deswegen zwischen den Stühlen. Bei jeder Stellungnahme müsse man den noch gültigen Regionalplan von 1996 berücksichtigen, aber auch den neuen, der schon Wirkungen zeige, etwa bei der vorgeschriebenen Bruttowohndichte für neue Wohngebiete. „Wir müssen immer zwei Vertragswerke betrachten“, sagt Heine.

Ministerium greift inhaltlich nicht ein

Der Verbandsdirektor glaubt jedoch nicht, dass der im Regionalplan ausgewiesene und von Umweltbewegungen kritisierte Flächenverbrauch ein Grund für die lange Prüfzeit ist. Denn tatsächlich greift das Ministerium inhaltlich nicht in die Regionalplanung ein. Die inhaltliche Hoheit liegt in der Region. Das Ministerium prüft lediglich auf Rechtsfehler, wie auch der Ministeriumssprecher erklärt. Es handle sich bei dem Genehmigungsverfahren ausschließlich um eine umfassende Rechtsprüfung.

So ist auch davon auszugehen, dass das Ministerium den Plan genehmigen wird, da der ehemalige Verbandsdirektor Wilfried Franke, der den Plan bis zu seinem Ruhestand fertiggestellt hat, für seine akribische Arbeit bekannt war.

Es könnte Klagen geben

Nichtsdestotrotz kann gegen den Regionalplan geklagt werden — auch wenn die Hürden hoch sind. So könnte etwa der BUND rechtlich aktiv werden, der schon ein Rechtsgutachten hat erstellen lassen. Oder auch der Zweckverband Wasserversorgung Baienfurt–Baindt, der sein Wasser aus dem Altdorfer Wald in der Nähe des umstrittenen Kiesabbaus bezieht.

„Wenn es nach einer juristischen Prüfung eine Perspektive gibt, muss man den Weg der Klage gehen. Das müssen jedoch die Gemeinderäte Baienfurt und Baindt sowie die Verbandsversammlung beschließen“, sagt der Baienfurter Bürgermeister Günter A. Binder. Er wolle den Weg zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim empfehlen.