Im Wandel
Neue Cafés und neue Gastro-Konzepte gehen in Ravensburg an den Start
Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Ruth Auchter-Stellmann
Ausgestorben ist die Ravensburger Innenstadt nicht gerade ‐ insbesondere Cafés und Restaurants sind trotz Inflation meist rappelvoll. Doch auch zahlreiche Leerstände gehören mittlerweile zum Stadtbild. Hört ein Geschäft auf, gestaltet es sich meist zäh, einen Nachfolger zu finden. Hat das endlich geklappt, setzt die Stadtverwaltung mit allzu pingelig gehandhabten Vorgaben offenbar häufig noch eins drauf, sagen Kritiker. Mit dem Ergebnis, dass manch mühsam gefundener Nachmieter frustriert wieder abspringt. Aber es gibt auch gute Nachrichten.
„Der Wandel der Innenstädte ist auch in Ravensburg voll im Gang ‐ die Handelsflächen werden weniger“, sagt Eugen Müller, Geschäftsführer des Wirtschaftsforums Pro Ravensburg. Stattdessen übernehmen Restaurants, Cafés, Imbisse oder Dienstleister frei werdende Flächen. Seit der Corona-Pandemie ist die Nachfrage von Selbstständigen, die einen Laden führen wollen, dürftig. „Viele sind verunsichert, selbst Filialisten sind vorsichtiger“, so die Erfahrung von Immobilienmakler Marc-Ernst Oberscheid. „Heute ist niemand mehr bereit, 35 Euro für den Quadratmeter zu bezahlen“, bestätigt Timo Fiehl von Immobilien Sterk.
„Eigentümer müssen mit den Mieten um 30 Prozent runter“
Immobilienmakler Berndt Hochmann wird noch deutlicher: Fast alle Preise seien momentan zu hoch ‐ und eben nicht marktgerecht. Bei vielen Hauseigentümern sei noch immer nicht angekommen, „dass sie mit den Mieten um 30, 35 Prozent runter gehen müssen“. Am besten sollten sie etwaige Interessenten zudem noch mit einem halben Jahr Mietfreiheit anlocken. Andernfalls werde das Aussterben ganzer Straßen, wie es etwa in der Adlerstraße zu beobachten ist, kaum aufzuhalten sein.
Derweil tut sich in der Gastro-Szene einiges: So zieht ins ehemalige Café Glücklich in der Grüner-Turm-Straße 25 ab 25. November wieder Leben ein. Özkan Sezgin verwirklicht dort seinen Traum vom eigenen Café-Bistro. Im Moda will er täglich zwischen 8 und 20 Uhr internationale Frühstücksvarianten, einen Mittagstisch sowie Kaffee und Kuchen anbieten ‐ Kinderecke inklusive. Der gelernte Innenarchitekt hat das Lokal komplett umgestaltet und im Boheme-Style sanieren lassen, wie seine Frau Serife Sezgin mitteilt.
Neues Konzept im ehemaligen Café Miteinander
Auch das ehemalige Café Miteinander in der Herrenstraße hat nun wieder geöffnet, und zwar dienstags bis samstags jeweils von 9 bis 17.30 Uhr. Es heißt jetzt nach der neuen Pächterin, Kamala Mauerer, Café Kamala. Die gelernte Sozialarbeiterin will eine Art Sozial-Kultur-Café betreiben, in dem sich unterschiedliche Gruppen treffen können. Zudem sind Kleinkunstveranstaltungen oder Lesungen geplant; und im Service wird jemand mit Handicap eingestellt.
Noch mehr Gastronomie steht in den Startlöchern: Nachdem die Betreiberin des Blumenladens „Grün am Turm“ abgesprungen ist, versucht die Stadtverwaltung nun offenbar, Gastronomen für die Gewerbeflächen in der Bauhütte am Holzmarkt zu begeistern. Spruchreif ist freilich noch nichts. Auch wer den Kiosk zum Frauentorplatz hin betreiben wird, ist laut Stadtsprecher Timo Hartmann noch nicht heraus.
Etwas weiter gediehen sind die Pläne für ein „hochwertiges Gastrokonzept“ im Seelhaus, wie Eigentümer Marcus Thommel verrät. Nach der Insolvenz der Modekette Hallhuber hatte auch die Filiale in der Ravensburger Bachstraße dicht gemacht. Der mögliche neue Mieter, der bereits in verschiedenen deutschen Großstädten aktiv sei, „würde toll zu Ravensburg passen“ und zwei Stockwerke des historischen Baus aus dem Jahr 1408 gastronomisch bespielen, so Thommel. Noch fehle die Unterschrift, aber „es sieht gut aus“.
Stadtverwaltung mache einem das Leben schwer
Auch Thomas Walser hat für seine 140 Quadratmeter große Immobilie an der Ecke Untere Breite/Adlerstraße Interessenten mit einem Gastro-Mischkonzept an der Hand. Am 31. Dezember verabschiedet sich nämlich die Bösinger Fleischwaren GmbH, die dort unter den Namen Walser Spezialitäten eine Filiale betreibt. Obschon fündig mit „qualitativ hochwertigen Nachmietern“ geworden, wie er sagt, ist er nicht recht froh: Denn damit diese einziehen können, ist eine Nutzungsänderung nötig. Das wiederum koste Zeit, Geld und Nerven. Aufgrund zahlreicher Detail-Vorgaben etwa in Bezug auf Brand- und Lärmschutz, Toiletten oder Stellplatzablöse werde einem das Leben von der Stadtverwaltung „nicht erleichtert, wenn man jemanden hat, dessen Konzept toll nach Ravensburg passen würde“, bedauert Walser.
Dasselbe Problem plagt auch andere Hauseigentümer. Die meisten wollen sich nicht mit Namen dazu äußern, aus Sorge, dass ihr Antrag dann „ganz unten in den Stapel rutscht“, wie einer befürchtet. Oder davor, dass sie womöglich bei zukünftigen Projekten vom städtischen Bauordnungsamt getriezt werden könnten. Branchen-Insider berichten von „katastrophalen bürokratischen Hürden“ und diversen Steinen, die umbauwilligen Hausbesitzern beziehungsweise etwaigen neuen Mietern in den Weg gelegt würden. Mit der Folge, dass letztere immer wieder das Handtuch werfen.
Woanders geht es offenbar schneller
Walser wünscht sich daher mehr Befugnisse für Wirtschaftsförderer Andreas Senghas. Und generell eine großzügigere Stadtverwaltung, um längere Leerstände, „die auch den umliegenden Geschäften extrem schaden“, zu vermeiden. Woanders gehe sowas „durchaus unkompliziert“ und zügiger als in Ravensburg über die Bühne. Da würden Projekte möglich gemacht und „alle arbeiten zusammen“, weiß Walser, der mit seinem Geschäftspartner in zwölf Städten weitere Pano-Cafés betreibt, aus eigener Erfahrung.
Baubürgermeister Dirk Bastin räumt auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“ ein, die Vorwürfe seien teilweise berechtigt und man schaue, wo man im Rahmen des geltenden Baurechts bestimmte Auflagen lockern könne. Zudem wolle man die Einhaltung bestimmter Vorgaben künftig nicht mehr so akribisch überprüfen wie bisher, sondern die Verantwortung dem jeweiligen Architekten überlassen.
verspricht Bastin.Wir erarbeiten in den nächsten Monaten neue Standards für die Altstadt“,
Oft gehen die Nachbarn auf die Barrikaden
Zu Verzögerungen komme es häufig auch wegen der Nachbarn. Die sind laut Bastin in der Regel nämlich gar nicht begeistert, wenn unter ihrer Wohnung plötzlich ein Restaurant eröffnen will: „Viele wehren sich vehement gegen eine Nutzungsänderung.“ Erschwerend hinzu komme die vom Gemeinderat beschlossene Erhaltungssatzung für die Altstadt. Hürden dieser Art gebe es beispielsweise im während des Zweiten Weltkriegs zerbombten Friedrichshafen nicht.