Geistliches Wort zu Pfingsten

Kirche war schon immer!

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Ravensburger Impuls zu Pfingsten von Jozef Köllner, Pfarrer der alt–katholischen Gemeinde Konstanz
Veröffentlicht:28.05.2023, 08:00

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In vielen Predigten und Auslegungen zum Pfingstfest gibt es die Aussage, dass Pfingsten die Geburtsstunde der Kirche sei. Diese Meinung ist fest verknüpft mit dem Verständnis der Kirche und ihres Ursprungs. Wenn Kirche als österliche Glaubensgemeinschaft, die von Jesus gesendet wurde in der Kraft des Heiligen Geistes die frohe Botschaft in alle Welt zu verkünden und zu bezeugen, verstanden wird, dann mag diese Aussage auch stimmen. Wie verorten wir aber das Leben und Wirken Jesu vor dem Pfingstereignis? Außerhalb des Lebensraums dieser Kirche? Und die Empfängnis Mariens, die Geburt Jesu und seine Epiphanie als die Vorbereitung dieses Prozesses, dieser Geburtsstunde der Kirche?

Kirche beginnt nicht mit dem ersten Satz des Neuen Testamentes, sondern Kirche war schon im Alten Testament als eine Beziehungsangelegenheit zwischen Gott und den Menschen verankert. Mit der Erwählung Israels als Volk Gottes bekräftigte Gott sein Liebesangebot an die Menschen. Kirche war und ist sein erwähltes Volk Gottes. Ich gehe noch weiter zurück an die ersten Sätze des Alten Testamentes. In der Erschaffung der Welt und des Menschen als Gottes Abbild gründet für mich der Ursprung der Kirche. Nicht der einzelne Mensch allein ist ein Abbild Gottes, sondern der Mensch in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen ist ein Abbild der Dreifaltigkeit, die in sich als Gemeinschaft eine Beziehung zwischen Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist ist. Die Kirche — bei allen unterschiedlichen Bezeichnungen — spiegelt dieses Bild in uns und durch uns Menschen. So gesehen, war und ist die Kirche eine Beziehungsangelegenheit zwischen Gott und den Menschen schon immer — und nicht erst seit Pfingsten.

Aber zurück zu Pfingsten selbst. Dieses Fest wurzelt in der jüdischen Geschichte. Es war ursprünglich das Fest der Erstlingsfrüchte. Die ersten geernteten Früchte des Jahres waren Gott geweiht. Sie wurden nicht gegessen, sondern im Tempel als Gabe für Gott abgegeben. Später wurde daraus das jüdische Wochenfest. Während dieser Zeit wurde der Dank an Gott für das Gesetz, das er Mose auf dem Berg Sinai übergab, ins Zentrum gerückt. Das Wochenfest wurde 50 Tage nach Pessach, dem Erinnerungsfest an den Auszug aus Ägypten gefeiert. Diese jüdische Geschichte und Tradition waren den Jüngerinnen und Jüngern Jesu vertraut, aber es fehlte die Übertragung und die Transformation in ihre aktuelle Situation nach der Himmelfahrt Jesu. Die Sendung des Heiligen Geistes belebte und durchdrängte neu ihre Erwählung und Berufung. Durch ein Brausen wie ein Sturm, und die Zungen wie ein Feuer erfüllte sie der Heilige Geist. Sie konnten aus diesem Heiligen Geist in verschiedenen Fremdsprachen reden und wurden verstanden. Verschiedene Gnadengaben, verschiedene Dienste, verschiedene Kräfte bildeten den einzigen Leib, der die Kirche ist.

Welche Erkenntnisse aus diesen Überlegungen gewinnen wir für uns heute? Die Kirche gibt es nicht erst seit mehr als 2000 Jahren, oder die alt–katholische Kirche seit 150 Jahren, sondern schon immer. Wenn wir Kirche bloß als eine strukturelle Glaubensgemeinschaft sehen, dann erstarren wir in ihren Ordnungen und Satzungen. Der Heilige Geist kann sie zu einer liebenden Beziehung zwischen Gott und uns Menschen erfüllen. Diese drückt sich in der Liturgie, in der Diakonie und in der Caritas aus. Früchte dieser Beziehung sind die Gaben des Heiligen Geistes. Neben den bekannten sieben Gaben des Heiligen Geistes spricht Paulus im Galaterbrief (Gal 5,22) von den Früchten des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Langmut, Sanftmut, Treuer, Bescheidenheit, Selbstbeherrschung und Keuschheit.

Wenn die Gaben des Heiligen Geistes wie Tugenden sind, sind die Früchte des Heiligen Geistes die Handlungen, die diese Tugenden hervorbringen.

Lasst uns überall im Alltag eine Kirche sein, in der und durch sie diese Früchte geerntet werden. Jeder von uns ist gefragt! Dann wird Pfingsten wirklich ein Fest der Früchte des Heiligen Geistes sein.