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Oberschwabenklinik

Neue Corona-Mutante: Intensivmediziner der OSK sorgt sich vor Covid-Winterwelle

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Warum ein OSK-Chefarzt die Maskenpflicht in Innenräumen fordert
Veröffentlicht:24.10.2022, 19:00

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Momentan stagniert die Zahl der Covid-Patienten an den Häusern der Oberschwabenklinik (OSK) um die 45 – nach einem starken Anstieg in den vergangenen Wochen auf 59 Patienten gab es wieder einen leichten Rückgang. Aber auf den kommenden Winter blicken die Krankenhausärzte sorgenvoll.

Auch angesichts neuer Mutanten, die sich aktuell in Europa und Nordamerika ausbreiten und den Immunschutz von Geimpften und Genesenen offenbar umgehen können.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir glatt durch den Winter kommen,

sagt Andreas Straub, „obwohl ich es natürlich hoffe.“ Der Chefarzt für Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin an der OSK würde es daher begrüßen, wenn möglichst schnell wieder eine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen eingeführt würde – und sich mehr Menschen aus den Risiko-Gruppen mit den neuen Omikron-Impfstoffen boostern lassen.

Corona-Infektionen schwächen schwerkranke Patienten zusätzlich

Nach wie vor erkranken Menschen schwer an Corona oder sterben daran – auch wenn es dank der Impfungen und der etwas milderen Omikronvariante weniger sind als in früheren Pandemiewellen. „Mit Omikron sehen wir weniger schwere Verläufe, das stimmt“, sagt der habilitierte Mediziner.

„Aber wenn ein kranker Organismus zusätzlich durch die Virusinfektion belastet wird, ist das für die Genesung nicht hilfreich. Im Gegenteil“, beschreibt er die Gefahr, wenn sich Herzinfarkt-, Schlaganfall- oder Krebspatienten noch zusätzlich eine Corona-Infektion einfangen. Selbst eine einfache Atemwegsinfektion könne Entzündungswerte schon verschlechtern – und damit den Allgemeinzustand des Patienten weiter schwächen.

Und immer noch komme ein bedeutender Teil der meist älteren Patienten tatsächlich wegen Covid ins Krankenhaus. Ungefähr zehn Prozent der Infizierten müssten auch weiterhin auf der Intensiv- oder Intermediate-Care-Station strenger überwacht werden.

Vor allem mit bestimmten Vorerkrankungen oder Übergewicht. Älter heißt: Schon ab einem Lebensalter von 50 bis 60 Jahren ist laut Straub das Risiko, schwer zu erkranken, erhöht.

Erhöhte Gefahr für Asthmatiker, Zuckerkranke und Krebspatienten

Wenn dann noch eine chronische Lungenerkrankung wie Asthma oder COPD, Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen (auch einfacher Bluthochdruck) hinzukomme, könne ein schwerer Verlauf mit Covid-Lungenentzündung folgen, der eine Beatmung notwendig macht.

Besonders stark gefährdet seien Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind, welche das Immunsystem unterdrücken. Zum Beispiel Organtransplantierte oder Patienten mit bestimmten Autoimmunerkrankungen.

Ein Problem sei dabei auch, dass die Impfstoffe der ersten Generation, die ja auf Basis des ursprünglichen Wuhan-Virus hergestellt wurden, gegen die aktuell im Umlauf befindlichen Omikron-Varianten nicht mehr so gut schützen.

„Wer zu den Risikogruppen gehört, sollte sich boostern lassen, das empfiehlt ja auch die Stiko“, sagt der Intensivmediziner. Bei den dreifach geimpften älteren Menschen, die derzeit im Krankenhaus behandelt werden müssen, liege die dritte Impfung oftmals schon ein Jahr zurück.

Neue Mutante breitet sich schnell aus

Sorgen machen sich viele Mediziner und Virologen derzeit über neue Omikron-Varianten, die dank weiterer Mutationen im Spike-Protein offenbar den Immunschutz umgehen können: Vor allem BQ.1.1 breitet sich laut einem „Spiegel“-Bericht in Europa und Nordamerika rasant aus.

„Ich sehe da das Potenzial für ein relevantes Problem“, sagt Straub. „Unsere Ressourcen sind ohnehin schon knapp. Uns fehlen Ärzte und vor allem Pflegekräfte. Wenn wir mit steigenden Zahlen konfrontiert werden, kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem wir medizinisch nicht mehr leisten können, was wir leisten wollen.“

Denn das Virus mache ja nicht vor den Mitarbeitern Halt, und steigende Patientenzahlen träfen in einer starken Winterwelle auf einen hohen Krankenstand beim Personal. Zudem sei der Aufwand, isolierte coronapositive Patienten zu pflegen, deutlich größer und koste mehr Zeit. Da spiele es keine Rolle, ob Covid der Hauptgrund für den Krankenhausaufenthalt oder nur eine Begleitdiagnose sei.

Maskenpflicht muss auch kontrolliert werden

Genau wie die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund appelliert der Ravensburger Chefarzt daher dringend an die Landespolitik, die Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Räumen, etwa Supermärkten und Einzelhandelsgeschäften, wieder einzuführen, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen.

Idealerweise, bevor das System kollabiert. Diese sollte dann auch kontrolliert werden. Das sei heute leider in den wenigen Bereichen, in denen sie noch gilt, nicht immer der Fall. „Ich bin letztens Bahn gefahren und musste fünf, sechs Leute in meiner Umgebung bitten, die Maske anzuziehen. Es war sonst niemand anwesend, der auf die Notwendigkeit der Maske hingewiesen hätte.“

Generell wünscht er sich mehr Wertschätzung für Krankenhauspersonal. Solange die Arbeitsbedingungen wegen des Fachkräftemangels nicht besser würden, müssten die Mitarbeiter wenigstens besser bezahlt werden.

Da die Bewerber auf dem Markt nicht reichen würden, um den Bedarf an medizinischem Nachwuchs zu decken, müssten zudem dringend mehr Medizinstudienplätze geschaffen werden, meint Straub. Es werde ansonsten immer schwerer, den Krankenhausbetrieb aufrechtzuerhalten.

Aktuell 44 Infizierte in den Kreis-Kliniken

Am Montag lagen insgesamt 44 Corona-Infizierte in den OSK-Krankenhäusern, je 22 in Ravensburg und Wangen. Zwei sind so schwer erkrankt, dass sie auf der Intensivstation besonders streng überwacht werden müssen.