Waaghaus
Drei Generationen, ein Feuerwehr-Gen
Ravensburg / Lesedauer: 5 min

An diesem Wochenende feiert die Freiwillige Feuerwehr Ravensburg ihr 175-jähriges Bestehen. Eine lange Zeit, über die es viel zu berichten gibt.
Den besten Eindruck aus vergangenen Tagen bekommt man im 600 Quadratmeter großen Feuerwehrmuseum, das im Rahmen der Feierlichkeiten das ganze Wochenende geöffnet ist. Über die Zeit von 1962 bis heute sprach die „Schwäbische Zeitung“ mit Rolf , Markus und Florian Sauter. Alle drei Generationen einer Familie sind engagierte Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Ravensburg, Abteilung Stadt.

Eine „Weckerlinie“ in der Innenstadt
Rolf Sauter war zwölf Jahre alt, als an einem Sonntagmorgen in der Nachbarschaft, in der Wilhelm-Hauff-Straße, ein Band ausbrach. Beim Beobachten der Löscharbeiten wurde ihm klar: „Ich muss zur Feuerwehr .“ Doch es gab ein großes Hindernis – sein Vater war dagegen. So musste der heute 77-Jährige bis zu seinem 18. Geburtstag warten, an dem er dann heimlich der Feuerwehr beitrat.
„Mein Vater bekam es erst mit, als die Alarmeinrichtung, ein Kugelwecker in der Wohnung installiert wurde. Aber da konnte er nichts mehr machen – ich war 18 Jahre alt“, so Sauter. Es gab eine sogenannte „Weckerlinie“ in der Innenstadt, mit Draht verbunden. Rote Leitungen zeigten den Verlauf.
Bei Feueralarm wurde die Glocke geläutet, gesteuert von einer Außenstelle der Polizei, die im Waaghaus stationiert war. Die Feuerwehrmänner eilten dann zum Lederhaus und wurden auf die Fahrzeuge verteilt, die im Waaghaus, in der Schulgasse und im Lederhaus stationiert waren.
Erster Einsatz nach drei Monaten
Rolf Sauter erinnert sich noch genau an seine erste Kleiderausrüstung. „Sie war ausrangiert, getragen von Ehemaligen. Die Ärmel und Hosen waren zu kurz und zu weit. Auch die Stiefel waren gebraucht.“ Seinen ersten Einsatz hatte er nach drei Monaten bei einem Großbrand in der Marktstraße bei Behr Möbel am 27. Mai 1962. Es sollten mehr als 5000 Einsätze folgen.
Gut erinnert er sich noch an einen Einsatz, nachdem er 1964 einen Atemschutzgeräteträger Lehrgang absolviert hatte. Beim Brand einer Kohlenhalde bei der Firma Kohlen Schindele stand er als einziger Atemschutzgeräteträger auf der Halde und löschte von oben, während seine Kameraden von unten den Brand bekämpften.
Heiße Heustöcke und tödliche Unfälle
In den 1970er-Jahren gab es im Sommer und Winter viel zu tun. Im Sommer waren heiße Heustöcke ein großes Thema. Einmal musste die Feuerwehr vier Wochen lang fast täglich ausrücken, um die Heustöcke zu kühlen und belüften. „Davon waren zwei Wochen in meinem Urlaub“, erinnert sich Sauter.
Und an mehreren Tagen im Winter entfernte man mit der Drehleiter Eiszapfen und Eisplatten von Dächern und Dachrinnen, die herunterzufallen drohten. Auch von schlimmen Einsätzen berichtet Sauter. So etwa von einem schweren Verkehrsunfall bei der Tankstelle Wurm in Eschach, wo drei französische Soldaten den Tod fanden.

100-prozentige Unterstützung der Ehefrau
Heute ist er in der Altersabteilung aktiv. Man trifft sich mindestens einmal im Monat. Rückblickend nennt er die Kameradschaft überwiegend positiv. Besonders die mit der FFW Wangen sei hervorragend. Wichtig ist ihm zu betonen, dass dies alles nicht ohne die 100-prozentige Unterstützung seiner Frau möglich gewesen wäre.
Auch habe sie immer die Sorge gehabt, ob Mann oder Sohn und jetzt der Enkel von den Einsätzen wieder gesund nach Hause kommen.
Schon mehr als 5000 Einsätze
Für den Sohn Markus , heute 55 Jahre war von Anfang an klar: „Für mich gab es nichts anderes.“ Mit zwei Freunden trat er mit 16 Jahren der Feuerwehr bei. Damals gab es noch keine Jugendfeuerwehr. Die Jungen bekamen bei den Übungen einfach rote Helme auf. Auch er hat schon mehr als 5000 Einsätze hinter sich.
Besonders in Erinnerung hat er noch an folgende Großbrände: am 24. November 1986 im Wernerhof, am 19. Oktober 1987 im Waaghaus, am 11. August 1988 in der Bleicherei, am 18. April 1990 in der Bachstraße und am 19. Mai 1990 bei Fischereirecycling in der Bleicherstraße.
Angst um den Vater
Im Laufe der Zeit haben sich die Einsatzzahlen erhöht. Zusätzliche Aufgaben kamen hinzu. Wie zum Beispiel die Unfallrettung, der Katastrophen- und Strahlenschutz. Auch wird das Spektrum rund um die technische Hilfeleistung immer größer. Prägend für ihn war der Brand am Frauentor am 14. März 1982, den er als 15-Jähriger beobachtete und Angst um seinen Vater hatte, der dort seit 4.30 Uhr in der Nacht im Einsatz war.
Damals starben drei Feuerwehrmänner. Markus Sauter ist auch Gründungsmitglied des Fanfarenzuges St. Florian Ravensburg . 1986 erwarb man bei einem Feuerwehrausflug nach Prag günstige Instrumente und man beschloss, einen Fanfarenzug zu gründen.
Erster Einsatz des Enkels
Der jüngste Spross, Florian, hat das Feuerwehr-Gen auch in sich. Verstärkend hinzu kam vielleicht, dass die Familie von 1998 bis 2010 in einer der drei Wohnungen über der Feuerwache wohnte. Seit 2011 ist er dabei, zuerst bei der Jugendfeuerwehr.
Seinen ersten Einsatz hatte er bei einem Brand in der Oberschwabenklinik. Genau erinnert er sich noch an den Großbrand im „Stippe“ mitten in der Altstadt im Mai 2020. Auch er hat jetzt schon mehr als 200 Einsätze hinter sich.

Die Freiwillige Feuerwehr Ravensburg verfügt aktuell über 429 Mitglieder in vier Abteilungen. Davon sind 308 aktiv, davon 19 Frauen; in der Altersabteilung sind es 74 altgediente Kameraden und in der Jugendfeuerwehr sind es 47.
Allein in der Abteilung Stadt gibt es 95 Angehörige, davon 11 Frauen. Die Führung der Gesamtfeuerwehr obliegt Kai Willach. Er ist der erste hauptamtliche Kommandant seit Jahrzehnten. Die Feuerwehr verzeichnet zirka 600 Einsätze pro Jahr.