Neue Bürgergruppe
Das sind die selbsternannten Botschafter für's Biosphärengebiet
Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Paul Martin
Eine Bewegung „von unten“ soll es sein, wenn in Oberschwaben und dem Allgäu ein Biosphärengebiet entsteht.
So steht’s im grün–schwarzen Koalitionsvertrag. Verschiedene Bürger aus dem Allgäu und teilweise auch aus Oberschwaben haben sich nun auf der Waldburg getroffen, um erstmals als selbsternannte „Biosphärenbotschafter“ für das Biosphärengebiet zu werben — nicht alle ohne Eigeninteresse.
Denn das Biosphärengebiet hat nicht nur Befürworter — vor allem Grundbesitzer aus der Land– und Forstwirtschaft gehören zu den Gegnern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der neuen Gruppe.
Wer sind die Biosphärenbotschafter?
Gottfried Härle, Brauerei–Chef aus Leutkirch, und Andreas Morlok, Agraringenieur aus Isny, sprechen für die Gruppe. Sie haben 25 Mitstreiter um sich geschart. Das Gros der Biosphärenbotschafter kommt aus dem Allgäu.
Die Männer und Frauen haben unterschiedliche Hintergründe: Es sind etwa Gastronomen dabei, die das Biosphärengebiet gerne als Marke für die touristische Region haben würden. Aber auch Moorschutzexperten, die sich dadurch mehr Renaturierungen und einen entsprechenden Klima–Effekt versprechen.
Thema des Biosphärengebiets sollen nämlich die besonders schützenswerten oberschwäbischen Moore sein. Außerdem finden sich einige (Bio-)Landwirte in der Gruppe, die in dem Biosphärengebiet eine Chance für ihre Branche sehen.
Was motiviert die Biosphärenbotschafter?
Die Beweggründe der Biosphärenbotschafter, sich für das Biosphärengebiet einzusetzen, gehen von A wie Artenvielfalt bis Z wie Zuzug von Fachkräften. Ein Überblick:
„Diese Region hat es verdient, ein Biosphärengebiet zu werden. Wir sind der Landkreis mit den meisten Feuchtgebieten in Baden–Württemberg“, sagt etwa der Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, Siegfried Roth. Denn die Moore in Oberschwaben könnten einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Petra Müller ist Bäuerin aus Arnach und findet: „Die Landwirtschaft steht eh im Fokus, die lassen uns nicht so weitermachen. Deshalb müssen wir selber agieren und nicht reagieren.“ Damit meint sie, dass es einen Strukturwandel hin zu mehr Nachhaltigkeit ohnehin geben muss und das Biosphärengebiet den Bauern in der Region eine Vorreiterrolle ermöglichen könnte.
„Das ist ein basis–demokratisches Experiment mit offenem Ausgang. Und gerade wir Landwirte können es gelingen oder scheitern lassen“, hält Alfons Notz, Ruheständler aus Weipoldshofen bei Leutkirch, vor Augen.
Max Haller, Waldburg–Wirt und Kreis–Chef des Hotel– und Gaststättenverbands, sagt klar:
Max HallerIch bin nicht der große Naturschützer. Mir geht es um die Arbeitsplätze.
7000 sozialversicherungspflichtige Beschäftige habe die Tourismusbranche im Landkreis. „Die Stimmen meiner Kollegen aus den Biosphärengebieten auf der Alb und im Schwarzwald sind nur positiv. Diese Riesenchance für den Tourismus müssen auch wir hier ergreifen.“
„Das Biosphärengebiet ist eine Chance, unseren Wirtschaftsstandort zu stärken — zum Beispiel im Tourismus. Und gleichzeitig schützen wir dadurch unsere Natur von den Mooren bis zur wilden Argen und machen sie erlebbar“, sagt die Wangener Stadt– und Kreisrätin Doris Zodel.
Verschiedene Aspekte reizen Gottfried Härle an der Idee eines Biosphärengebiets in Oberschwaben und im Allgäu. Zum einen verspricht er sich eine engere Verzahnung der Unternehmer, sodass es zu einem Denken „in regionaler Kreislaufwirtschaft“ kommt. Als grüner Kommunalpolitiker sagt er aber auch:
Gottfried HärleWir können dadurch mehr öffentliche Mittel von Land und Bund in unsere Kommunen holen.
Beim Klimaschutz durch Moorschutz gebe es „enorme Potenziale“. Die müsse man aber, so Härle, „wirtschaftlich erschließen“.
Sprich: Wenn sich ein Landwirt um entsprechende Flächen kümmert, muss er entlohnt werden.
Was sagen sie den Kritikern eines Biosphärengebiets?
„Wir wollen die Sorgen nicht Kleinreden“, sagt Gottfried Härle. Stattdessen wolle man auf Chancen hinweisen. „Die Industrie könnte zum Beispiel davon profitieren, wenn unsere Region für Fachkräfte attraktiver wird.“
Doch auch aus Land– und Forstwirtschaft gibt es wichtige Akteure, die dem Biosphärengebiet mehr als skeptisch gegenüberstehen. „Hinter deren Bedenken kann man manchmal ein Fragezeichen setzen“, holt Härle aus. Schließlich gebe es in einem Biosphärengebiet drei Zonen und in der größten, der Entwicklungszone, sei praktisch alles möglich.
Wie machen die Biosphärenbotschafter weiter?
Für das Biosphärengebiet wollen die Botschafter im positiven Sinn Öffentlichkeit herstellen. Und sie wollen sich, so kündigt es Gottfried Härle an, in die offiziellen Prozesse und Arbeitskreise des Regionalmanagements einbringen.
Auf Anfrage kommen auch Botschafter zu Info–Veranstaltungen, Podien oder in Stadt– und Gemeinderatssitzungen. Außerdem wollen die 25 Männer und Frauen im persönlichen Gespräch andere vom Biosphärengebiet überzeugen. Dafür suchen sie noch Mitstreiter. „Ich hoffe, dass es noch mehr werden“, so Härle.