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Apotheker protestieren

Fast alle Filialen im Kreis Ravensburg schließen am Mittwoch

Oberschwaben / Lesedauer: 3 min

Apotheker machen viel Geld – ein Vorurteil, wie drei von ihnen berichten. Diese Filialen übernehmen am Protesttag den Notdienst.
Veröffentlicht:21.11.2023, 05:00

Von:
  • Lea Dillmann
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Tausende Apotheken im Land haben am Mittwoch wegen eines Protesttages geschlossen. Im Kreis Ravensburg machen die meisten Apotheken mit und bleiben zu.

Wer also Medikamente braucht, sollte diese noch am Dienstag besorgen. Der Notdienst wird aber besetzt sein.

Zwei Protestaktionen in einem Jahr

Markus Heinzelmann wird seine Apotheke am Goetheplatz in Ravensburg am Mittwoch nicht wie gewohnt um 8 Uhr öffnen. Stattdessen steigt er in den Zug nach Stuttgart. Dort veranstaltet der Landesapothekerverband eine zentrale Kundgebung. Es ist die dritte Aktion in diesem Jahr. Schon Mitte Juni und im September protestierten die Apotheker.

Wenn wir die Bevölkerung mit Medikamenten versorgen sollen, dann müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Markus Heinzelmann

„Und die stimmen schon seit Jahren nicht mehr.“ Die Gründe dafür seien vielfältig. Zum Beispiel: Die Bürokratie steige immer weiter und damit die Arbeitsbelastung für Apotheker und ihre Mitarbeiter.

Geschäft lohnt sich nicht mehr

Die staatlich geregelte Vergütung ist zuletzt 2012 „marginal“ erhöht worden, wie Florian Becker betont. Er ist Apotheker aus Bad Waldsee und Vorsitzender des Apothekerverbands in Oberschwaben.

„Es ist ein gesetzlicher Auftrag, den wir haben, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen, und der muss auch im Bereich gesetzliche Krankenversicherung nicht nur kostendeckend sein, sondern auch gewinnbringend.“ Durch enorme Kostensteigerungen sei es aber inzwischen ein Minusgeschäft.

Steigende Kassenabschläge würden die schwierige wirtschaftliche Situation der Apotheker noch verschärfen. Darauf verweist Silke Rieser von der Rosen- und der Altdorf-Apotheke in Weingarten.

Was bedeutet das? Apotheken müssen den Krankenkassen einen Zwangsrabatt auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren. Anfang des Jahres stieg dieser von 1,77 auf 2 Euro pro abgegebener Packung. Damit möchte die Bundesregierung die hoch verschuldeten gesetzlichen Krankenversicherungen entlasten. Pro Apotheke bedeutet das aber 1000 bis 1500 Euro im Monat weniger Einnahmen, wie Silke Rieser betont.

Der Nachwuchs fehlt

Sorge bereitet den Apothekern laut Landesverband auch, dass immer mehr Kollegen oder Kolleginnen schließen müssten. Zum einen, weil sich der Betrieb ohne einem Arzt in der Nähe und damit ohne die Ausgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten wirtschaftlich nicht mehr lohne. Oder, weil der Nachwuchs fehle.

„Das will keiner mehr machen“, sagt Markus Heinzelmann mit Blick auf die jungen Pharmazie-Absolventen. Viele von ihnen entscheiden sich lieber für einen gut bezahlten Job in der Industrie.

Am Mittwoch bleiben die Lichter aus: Die Apotheke am Goetheplatz hat wegen einer landesweiten Protestaktion geschlossen. (Foto: Lea Dillmann)

Inzwischen können die Menschen in Baden-Württemberg nur noch in 2292 Filialen Medikamente erwerben – 372 Filialen weniger als noch vor zehn Jahren. In Ravensburg wurden in dieser Zeit fünf Apotheken für immer geschlossen, in Weingarten drei.

Kritik an „Light-Apotheken“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte sogenannte Light-Apotheken fördern und damit die Versorgung auf dem Land gewährleisten. Diese Art von Apotheken müssten nicht mehr alle Pflichten erfüllen. Es bräuchte nicht einmal mehr einen Apotheker vor Ort.

„Diese Apotheken sollen keinen Notdienst mehr machen, sie sollen keine Rezepturen mehr machen können, sie sollen kein Labor mehr haben. Es ist eigentlich keine Apotheke mehr“, sagt Florian Becker. Markus Heinzelmann warnt: „Das geht zulasten der Qualität.“ Das wäre nur noch eine Abgabestelle, „ganz miserabel“, sagt Silke Rieser.

Auch sie wird am Mittwoch nach Stuttgart fahren und auf ihre Anliegen aufmerksam machen, allerdings nicht allein. Ihre Mitarbeiter begleiten sie. Silke Rieser freut sich über die Unterstützung: „Weil auch sie sehen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.“