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Wildtierinstitut

Lebt ein Wolf in Oberschwaben? Spuren und Fotos deuten darauf hin

Berg / Lesedauer: 5 min

Spuren und Fotos deuten darauf hin – Ein Fall wird derzeitig noch untersucht
Veröffentlicht:07.08.2022, 09:00

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Gibt es einen Wolf in Oberschwaben? Schenkt man den Gesprächen auf dem Dorf Glauben, dann lebt im Landkreis Ravensburg ein Wolf. Ganz abwegig ist das nicht, wie die Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“ zeigen: Tatsächlich hat es in den vergangenen beiden Monaten mehrere Sichtmeldungen im Landkreis Ravensburg gegeben.

Das Wildtierinstitut in Freiburg hält es in einem Fall in Berg sogar für wahrscheinlich, dass es sich um einen Wolf handeln könnte. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht. Ein weiterer Fall wird derzeit noch untersucht.

Die Meldungen über mögliche Sichtungen von Wölfen häufen sich im Landkreis Ravensburg. Gleich sechs Meldungen hat das Landratsamt Ravensburg im Juni und im Juli registriert und an das zuständige Wildtierinstitut bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg weitergegeben.

Das Ergebnis aller Auswertungen: Die Existenz eines Wolfs kann weder bestätigt noch widerlegt werden. Bei einigen Fällen könnte es jedoch sogar wahrscheinlich sein, dass es sich um Spuren eines Wolfs handelt.

Reh in Berg angefressen

Den ersten Verdacht in der Region gab es am 9. Juni in der Gemeinde Berg, wo sich die Meldungen derzeit häufen. Auslöser für den Verdacht war ein totes Reh, das gerissen worden sein könnte. Stefan Kordeuter, Mitarbeiter im Wildtiermonitoring und stellvertretender Obmann der Berger Jagdgenossenschaft, kennt sich aus mit Wolfsspuren und war an jenem Tag vor Ort.

Er nahm Proben vom Kadaver, der zwischen dem Berger Schützenhaus und Unterbelzenhofen gefunden worden ist. Das tote Reh sei schon stark angefressen gewesen, beschreibt er den Fund. Das Bild, das sich ihm bot, war jedoch alles andere als eindeutig. „Es könnte ein Wolf gewesen sein. Streng genommen könnte auch ein Hund in Betracht kommen oder das Tier könnte überfahren worden sein, weil der Ort in der Nähe der Straße ist“, sagt Kordeuter.

Das Ergebnis der Untersuchung des Wildtierinstituts brachte auch keine Klarheit. Die Analyse der Proben konnte kein bestimmtes Tier nachweisen. Experte Felix Böcker vom Wildtierinstitut in Freiburg sagt aber auch, dass der Einfluss eines Wolfs plausibel sei, jedoch nicht sicher bestätigt werden könne.

Hat eine Kamera einen Wolf dokumentiert?

Etwas deutlicher wird Böcker bei einer Aussage zu einem Fall, der sich ebenfalls am 9. Juni in der Gemeinde Berg zugetragen hat: Eine Fotofalle hat ein Tier im Bild festgehalten, das einen Wolf darstellen könnte.

Eine Verwechslung mit einem Hund kann nicht ausgeschlossen werden. Wir schätzen es jedoch als wahrscheinlich ein, dass es sich bei dem Tier um einen Wolf gehandelt hat,

so Böcker.

Proben, die am 19. Juli von einem angefressenen toten Rinderkalb in der Gemeinde Berg genommen wurden, werden derzeit im Senckenberg-Institut in Frankfurt auf Wolf-DNA untersucht. Bei einem weiteren toten Reh vom 23. Juni wiesen die genetischen Proben einen Hund nach. Ansonsten sind dem Landratsamt am 13. Juli ein Wolf in Ravensburg und am 18. Juli ein Tier in der Gemeinde Fronreute gemeldet worden.

Wolfspopulation steigt an

Zum ersten Mal seit ihrer Ausrottung in Deutschland wurden Wölfe 2010 nachgewiesen. Seither breitet sich das streng geschützte Tier aus. In einem Bericht der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ (DBBW) vom November 2021 ist die Rede von bundesweit 157 Wolfsrudeln, 27 Paaren und 19 territorialen Einzeltieren.

Der Schwerpunkt der Wolfspopulation liegt dabei in Nord- und Nordostdeutschland. Doch auch in Baden-Württemberg ist davon auszugehen, dass die Population steigt – gleichwohl nur drei territoriale Einzelwölfe im Schwarzwald bekannt sind.

Warum werden dennoch vermehrt Wölfe in Baden-Württemberg auch zweifelsfrei nachgewiesen? Wie kommt ein Wolf nach Oberschwaben? Das hängt mit dem Verhalten der Tiere zusammen. Sie legen mehrere Hundert oder über tausend Kilometer zurück, bis sie sich in einem geeigneten Territorium oder bei einem geeigneten Partner niederlassen, um ein Rudel zu gründen. In manchen Nächten schaffen Wölfe sogar bis zu 70 Kilometer, wie aus den Informationen des Umweltministeriums zu entnehmen ist. Deshalb kann theoretisch ein einzelnes Tier auch an mehreren Orten auftauchen.

Wolfsbestand wird zunehmen

Die Experten des Wildtierinstituts rechnen damit, dass sich in Baden-Württemberg vor allem im Schwarzwald, im Odenwald und auf der Schwäbischen Alb Wölfe ansiedeln. Zudem sei die Bildung von Paaren und Rudeln abzusehen. „Auch in anderen Regionen des Landes kann dies nicht ausgeschlossen werden“, so Felix Böcker vom Wildtierinstitut.

Das heißt, auch Oberschwaben käme rein theoretisch als Lebensraum für den Wolf in Betracht. Die Region könnte von Wölfen aber auch nur durchquert werden, weil sie auf der Durchreise sind und sich hier nur kurz aufhalten.

Einen eindeutigen Wolfsnachweis, einen sogenannten C1-Nachweis, hat es in Oberschwaben bis heute nicht gegeben. In der weiter gefassten Region war dies zuletzt im März 2021 in Singen der Fall. Weitere C1-Nachweise gab es im Mai 2019 und Februar 2018 in Beuron im Donautal, dreimal im Juni 2017 in Stockach und Überlingen sowie im Juni 2017 in Unlingen bei Riedlingen.