Fasnet in Bad Waldsee
Narrenrecht abgeholt: Waldseer Narren starten in die Hochfasnet
Bad Waldsee / Lesedauer: 5 min

Wolfgang Heyer
Die Narrenzunft hat am Mittwochabend wieder einmal erfolgreich ihr Narrenrecht während der Hochfasnet eingefordert und erstmals live und in bekannter Manier Oberbürgermeister Matthias Henne entmachtet. 2020 hat Henne das weit über Bad Waldsees Stadtgrenzen hinaus bekannte Narrenrechtabholen noch von den Zuschauerrängen aus verfolgt. Kurz darauf trat er sein Amt als Stadtoberhaupt an und doch war es ihm bislang nicht vergönnt, dieses närrische Treiben als Stadtoberhaupt live mitfeiern zu können. Der Grund ist bekannt: Corona. Nun, 2023, hat sich das geändert und OB Henne wurde als Zeichen der Entmachtung der Strohhut aufgesetzt. Das Narrenrechtabholen ist ein geselliges Stück Waldseer Fasnet.

Zunächst stimmte die Nachtwächtergruppe die Gäste – darunter viel politische Prominenz, wie Alexander Graf Lambsdorff (FDP) – auf die fünfte Jahreszeit ein. Gekonnt wie eh und je verlas Büttel Franz Müller Kuriositäten. Nicht nur diese Gruppe glänzte wie ihre Glocke, die zudem laute Laute ausstieß – also die Gruppe, ebenso wie die Glocke. Das Publikum war hingerissen.
Der Strohhut auf dem Kopf
Dann trat der Kurier mit festem Schritt in den Sitzungssaal im Rathaus ein und forderte Gemeinderat und Stadtspitze unmissverständlich dazu auf, Narrenrecht und Narrenfreiheit vorherrschen zu lassen. Widerwillig, wie es sich gehört, ließ das Gremium die Bitte nach einer launigen Debatte zu. Als Zeichen der Machtübernahme der Narren unterzeichnete Henne erstmals den für die Zunft so begehrten Narrenbrief und sogleich zierte seinen Kopf der bekannte Strohhut.
Hofmarschall Felix Schmidinger verarbeitete das Stadtgeschehen in Reimform und erntete ein ums andere Mal Applaus der Gäste. So betonte er die Verwechslungsgefahr des Verwaltungsneubaus am Stadtsee mit dem Firmensitz von Ritter Sport, beklagte fehlenden Teer auf dem Langen Weg durchs Ried sowie den bröckelnden Putz am Wächse-Haus Albrecht, dessen Eigentümer aufgrund des Denkmalschutzes mehrere Absagen erhalten habe. Abwechselnd gab es Kritik und Lob für die Stadtspitze OB Henne und Bürgermeisterin Monika Ludy. „Umtriebig sind beide, arbeiten zügig im Akkord, manch städtischer Mitarbeiter hatte jahrzehntelang nicht so viel Sport“, erklärte Schmidinger.
Schlagfertiger Konter von Franz Daiber
Dass es auf der Bleichestraße trotz fehlender Busbuchten bislang nur wenig Rückstau gab, hob der Hofmarschall hervor und erinnerte an den Gegenwind aus der Bevölkerung – auch von Stadtrat Franz Daiber. „Mir sind froh, dass ihm der neueste Trend war damals no it bekannt und er sich auf’d Bloiche-Stroß g’klebt hat mit der Hand“, so Schmidinger süffisant. Schlagfertig konterte Daiber: „Noi Hofmarschall, des ka it sai, do steigt bis heut ja keiner ei.“

Auch den bislang vielfach kritisierten Markenprozess nahm Schmidinger auf die Schippe. „Menschlich, malerisch, meisterlich, da gibts für Waldsee au bessere Sprüch. Und manch künstlerischer Lokalmatador wär dafür garantiert der bessere Illustrator. Dazu wäre der bloß halb so teier – René Auer oder Riche Allgaier.“ Die Zuhörer applaudierten zustimmend.
Zu Lambsdorff erfuhren die Gäste, dass er einst seinen Oldtimer per Mailverteiler im Europäischen Parlament zum Kauf anbot. Lautes Gelächter erschallte zudem, als Schmidinger die Getränkesituation beim Bürgerfest skizzierte. Während die Bürger im Klosterhof lange für ein Getränk anstehen mussten, schauten die VIPs von oben mit reichhaltigem Buffet herab. „So etwas kann man bei einem Bürgerfest fast it bringa und unten hörte man den ein oder anderen gar singa: Gott bewahre uns vor Drei Dingen – Hunger, Durst und Sigmaringen.“ Sigmaringen, weil Ministerpräsident Kretschmann dort der Biolehrer von OB Henne war.
Besondere Ehrung mit Porträt
Eine besondere Ehrung wurde Franz Mosch zuteil. Für seine langjährigen Verdienste als Landschaftsvertreter der Landschaft Oberschwaben-Allgäu in der Vereinigung Schwäbisch Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) erhielt Mosch von Zunftmeister Roland Haag ein Porträt gemalt von René Auer. „Das ist ein Unikat“, unterstrich Haag die Ehrung. Alle Gäste erhoben sich als Zeichen der Wertschätzung von ihren Sitzplätzen.

Dass Narren auch ernste Themen besprechen können, zeigte sich an diesem Abend wieder. Erst sprach sich Haag gegen „Zahlen-Daten-Fakten-Krankenhäuser“ aus und bemängelte die Schließung der Waldseer Klinik. Dann machte die Generaloberin der Franziskanerinnen von Reute, Maria Hanna Löhlein, deutlich, dass „wir wieder darauf schauen müssen, wie man einander unentgeltlich beisteht“. Und nicht zuletzt lobte der Waldseer Chefarzt Thomas Sapper die Arbeit seiner Kollegen im Elisabethenkrankenhaus in Ravensburg. „Ich möchte heute Mauern einreisen“, sagte Sapper und plötzlich wurde es mucksmäuschenstill im Saal: „Während wird feiern, sind die Kollegen in Ravensburg für uns alle da, wenn uns etwas passiert. Wir werden dort gut versorgt.“ Für alle Beiträge gab es anerkennenden Applaus.
Das Narrenrechtabholen stellte wieder einmal einen gelungenen Startschuss in die Hochfasnet dar und etliche Mäschkerle haben den „Mittwoch vor der Fasnet“ in der Narrenhochburg Bad Waldsee in den Restaurants und Kneipen ausgiebig gefeiert. Bei Einlagen der Nachtwächtergruppe, Prinzengruppe, Mords Comedia, „Der gemeine Rat“, Stadtflüsterer, Waldsee Auswärts und der Sammlermusik gab es außerdem viel zu lachen und zu schunkeln. AHA.