StartseiteRegionalOberschwabenBad Waldsee„Es war der Horror“: Schlimmes Krankenhauserlebnis sorgt für Ärger

Schwerer Vorwurf

„Es war der Horror“: Schlimmes Krankenhauserlebnis sorgt für Ärger

Bad Waldsee / Lesedauer: 5 min

Eine pflegende Angehörige prangert das Verhalten in der Notaufnahme in Ravensburg an. Die OSK bezieht Stellung dazu. Es sind zwei komplett unterschiedliche Sichtweisen.
Veröffentlicht:21.11.2023, 07:00

Von:
  • Wolfgang Heyer
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Dieses Krankenhaus-Erlebnis hat die pflegende Angehörige Angelika Erb schockiert. Obwohl die 86-Jährige Ottilie Seitz kaum auszuhaltende Schmerzen gehabt habe, sei sie kurz nach der Einlieferung schon wieder entlassen worden. Die Familie wirft der Oberschwabenklinik (OSK) gar „unterlassene Hilfeleistung“ vor. Dieser Vorwurf ist für die OSK nicht nachvollziehbar. Eine Aufarbeitung der Ereignisse ‐ mit unterschiedlichen Sichtweisen.

24. Oktober: Ottilie Seitz geht es schlecht. Sie hat eine Harnwegsinfektion und ist zudem gestürzt. Dabei hat sie sich den Kopf angeschlagen. „Sie hat vor Schmerzen geschrien“, erinnert sich die pflegende Angehörige Erb an den gesundheitlichen Allgemeinzustand der Tante ihres Ehemannes. Weil der Hausarzt im Urlaub ist, gehen sie zu einem Vertretungsarzt. „Sie hat ein Pülverchen bekommen“, so Erb. Das verschriebene Medikament schlägt aber nicht an.

25. Oktober: Die Schmerzen sind groß, die Schreie laut. „Es war richtig schlimm“, berichtet Erb. Sie ruft den Notarzt und Seitz wird in die Notaufnahme ins St.-Elisabethen-Klinikum nach Ravensburg gebracht. Noch am selben Tag selbst sei die 86-Jährige wieder nach Hause gebracht worden, wie Erb verständnislos berichtet: „Es sei nichts gebrochen, haben sie gesagt.“

26. Oktober: Wie Erb schildert, spuckt Seitz zwei Zähne aus, die sie sich bei ihrem Sturz angeschlagen haben muss.

Sie wurde nicht richtig untersucht, deswegen ist das niemandem aufgefallen,

echauffiert sich Erb.

Die Schmerzen und die Schreie bleiben.

So kommentiert die OSK den ersten Aufenthalt in der Notaufnahme

Die OSK erklärt auf SZ-Nachfrage, dass sich „die Patientin laut den erhobenen Messwerten in einem stabilen Zustand“ befunden habe. Das Schmerzempfinden sei wie üblich anhand der Schmerzskala erhoben worden. Es hätte sich um mittlere Schmerzen gehandelt und so seien Schmerzmittel verabreicht worden. Außerdem seien aufgrund des angegebenen Sturzes Röntgen- und CT-Untersuchungen durchgeführt worden. „Die Entlassung erfolgte, nachdem Knochenbrüche ausgeschlossen werden konnten“, teilt OSK-Sprecher Winfried Leiprecht mit. Zu den ausgespuckten Zähnen könne keine Aussage gemacht werden, da dieser Vorfall am Tag nach der Untersuchung stattgefunden hat.

Die Schmerzen von Seitz halten unvermindert an. Und Erb muss in den nächsten Tagen immer wieder den Notarzt rufen. Ins Krankenhaus wird Seitz aber nicht gebracht.

31. Oktober: Die Schmerzen sind kaum auszuhalten, Seitz bleibt die Luft weg, läuft blau an, wie Erb schildert. Dann wird sie wieder ins Krankenhaus nach Ravensburg eingeliefert. Es kommt zum Herzstillstand und Seitz wird wiederbelebt, wie Erb berichtet. Die OSK teilt dazu mit: „Herzstillstand stimmt nicht. Im Rahmen der Behandlung kam es für wenige Sekunden zu einem unregelmäßigen Herzschlag.“ Maßnahmen hätten nicht ergriffen werden müssen.

Nur kurz nach diesem Vorfall soll die 86-Jährige schon wieder entlassen werden, wie Erb frustriert berichtet: „Sie haben mich gefragt, ob ich damit einverstanden bin und ich habe nein gesagt. Aber ich wurde solange bequatscht, bis ich es eben hingenommen habe.“

Gegensätzliche Aussagen

Gemäß den Schilderungen der OSK habe die Patientin auf die für sie ungewohnte Situation im Krankenhaus abwehrend reagiert. Nach sorgfältiger Abwägung sei entschieden worden, dass es für eine stationäre Aufnahme keine zwingenden medizinischen Gründe gebe und sie in ihrem vertrauten Zuhause unkomplizierter versorgt werden könnte.

Wie die OSK versichert, hätten neurologische und internistische Untersuchungen keinen medizinischen Handlungsbedarf ergeben. „Die Patientin war stabil. Später meldeten sich die pflegenden Angehörigen telefonisch und berichteten, dass sich der Zustand verschlechtert habe. Der Arzt bot daraufhin am Telefon eine direkte Wiederaufnahme im Krankenhaus an. Dazu ist die Patientin aber nicht erschienen“, schildert OSK-Sprecher Leiprecht. Das stimmt laut Erb aber nicht.

Vielmehr hätten an diesem Tag Medikamente für Seitz mitgeschickt werden sollen, so Erb: „Das war nicht der Fall.“ Und so sei die Familie nochmals ins Krankenhaus gefahren, um diese abzuholen. Dort habe aber niemand etwas davon gewusst, wie es Erb schildert. Seitz habe außerdem ein jämmerliches Bild abgegeben, als sie nach Hause kam, erinnert sich Erb. Ein Anblick, der ihr zu diesem Zeitpunkt noch in den Knochen steckte. „Sie hatte nur einen Pulli und eine Windel an ‐ Hose, Unterhose und Schuhe fehlten komplett und der Pulli war voller Blut.“ Die Kleidungsstücke fehlen laut Erb bis heute.

Laut OSK seien der Patientin „Tabletten in ausreichender Zahl“ mitgegeben worden. Und zum erschreckenden Anblick von Seitz lässt Leiprecht wissen: „Die Patientin kam mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme und wurde auch vom Rettungsdienst wieder nach Hause gefahren. Zur Bekleidung ist bei uns nichts dokumentiert, so dass wir dazu keine Auskunft geben können.“

Vorwurf der „unterlassenen Hilfeleistung“

In den darauffolgenden Tagen rief Erb bei Ärzten in der Umgebung an und schließlich konnte Seitz im Krankenhaus Biberach aufgenommen werden, wo sie auf die Intensivstation verlegt wurde. Zwischenzeitlich ist Seitz verstorben ‐ wohl an Nierenversagen, wie Erb erklärt. „Das war alles ganz ganz schlimm ‐ Horror pur. Man hat mich in Ravensburg total hängen lassen“, sagt Erb und wirft der OSK in diesem Fall „unterlassene Hilfeleistung“ vor.

Dieser Vorwurf ist für die OSK indes nicht nachvollziehbar. „Unsere Ärzte und Pflegekräfte in der Notaufnahme haben sich im Gegenteil an beiden Tagen alle Mühe gegeben, einer Patientin gerecht zu werden, die mit der Situation in der Klinik Probleme hatte.“

Für Angelika Erb bleibt ein Gefühl der Ohnmacht zurück und so möchte sie sich rechtliche Schritte vorbehalten.