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Erfahrungsbericht

Wie man sich im Wald unter einem Windrad fühlt

Aulendorf / Lesedauer: 8 min

Ein Besuch im Windpark Bad Saulgau. Vier Windräder derselben Firma sind in Tannhausen geplant. Was positive Erlebnisse waren und welche Kritik es gibt.
Veröffentlicht:08.06.2023, 18:00

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Es ist idyllisch an diesem sonnigen Tag im Wald östlich von Bad Saulgau. Viele Vögel zwitschern, Hummeln schwirren umher und saugen Nektar, ein laues Lüftchen weht.

Würde nicht ein Schild am Waldweg „Vorsicht Eisfall im Umkreis von Windkraftanlagen“ auf den Grund des Besuchs hindeuten – es wäre erst beim direkten Anblick der drei Windräder offenbar geworden, dass in diesem Waldstück Energie produziert wird.

Die Firma Uhl Windkraft aus Ellwangen hat dort 2019 drei Anlagen des Typs Vestas V136 gebaut. Dasselbe Unternehmen will zusammen mit dem Haus Königsegg-Aulendorf bei Tannhausen vier Windräder bauen.

Bei Tannhausen werden die Windräder höher

Allerdings sollen die Windräder bei Tannhausen um einiges höher werden als die drei in Bad Saulgau. So liegt die geplante Nabenhöhe derzeit bei 199 Metern, in Bad Saulgau sind es 149 Meter, wie die Firma Uhl auf ihrer Homepage zu den beiden Standorten bekannt macht. Auch bei Kißlegg und nördlich der Gemeinde Hoßkirch plant die Firma Windräder.

Die drei bestehenden Anlagen im Saulgauer Wald nahe Allmansweiler fügen sich gut in die Natur ein, wie vor Ort sichtbar wird. Laute Geräusche sind an diesem Tag nicht zu vernehmen. Man muss schon die Ohren gezielt spitzen, um ab und an in einem bestimmten Abstand ein leichtes Surren zu hören, das an ein leises Brummen erinnert. Allerdings ist es beim Vor-Ort-Besuch auch nicht besonders windig, es ist diesbezüglich ein eher ruhiger Nachmittag. Ob die Geräusche bei starkem Wind zunehmen, ist an diesem Tag nicht erlebbar.

Ein Schild am Wegesrand macht auf die Windräder und eventuelle Gefahren für Spaziergänger aufmerksam.
Ein Schild am Wegesrand macht auf die Windräder und eventuelle Gefahren für Spaziergänger aufmerksam. (Foto: kik)

Rotorblätter drehen sich beständig

Dennoch drehen sich auch bei dem nur leichten Wind die Rotorblätter unentwegt — zwar langsam, aber beständig. Wo die Windräder, die jeweils in einigem Abstand zueinander stehen, zu finden sind, ergibt sich beim Spaziergang auf natürlich Weise, denn die Windräder stehen entlang des Waldweges.

Es ist aber nicht so, dass die Anlagen von überall im Wald oder von jeder Stelle aus zu sehen wären. Es muss je nach Standort sehr zwischen den Bäumen hindurch geschaut werden, um die Windräder zwischen Ästen zu entdecken. Insgesamt fügen sie sich optisch recht harmonisch in das Landschaftsbild ein. So ist zumindest der Eindruck beim Besuch.

Die Windräder im Windpark Bad Saulgau präsentieren sich für einen – im Vergleich – kleinen Menschen unglaublich groß.
Die Windräder im Windpark Bad Saulgau präsentieren sich für einen – im Vergleich – kleinen Menschen unglaublich groß. (Foto: kik)

Nur direkt vor einer Anlage stehend wird offensichtlich, wie unglaublich groß sie für einen — im Vergleich — kleinen Menschen sind. Jeweils rund um eine Anlage befindet sich eine weiträumige unansehnliche Schotterfläche.

Aufforstungen und neue Biotope

Dieser unschöne Eingriff in die Natur wird allerdings durch Aufforstungen und Biotope neben den Anlagen wieder mehr als wett gemacht. Insgesamt 0,16 Hektar Biotopflächen wurden angelegt, wie interessanten Informationsschildern zu entnehmen ist.

Sie bieten Spaziergängern einen Mehrwert, es werden viele Details erklärt. Bei den Biotopen quakt es munter vor sich hin, Libellen fliegen umher, grüne Seerosenblätter säumen stellenweise die Wasseroberflächen. Die angelegten Lebensräume sind definitiv ein Zugewinn für den Wald und die Artenvielfalt.

Was die neuen Bäume anbetrifft, die sichtbar zahlreich gepflanzt wurden: Auf insgesamt 1,5 Hektar fand eine naturnahe und klimaresiliente Wiederaufforstung statt, wie den Infotafeln zu entnehmen ist.

Auf insgesamt 1,5 Hektar fand eine naturnahe und klimaresiliente Wiederaufforstung statt.
Auf insgesamt 1,5 Hektar fand eine naturnahe und klimaresiliente Wiederaufforstung statt. (Foto: kik)

Nach Angaben der Firma Uhl wurden Baumarten wie Esskastanie, Wildobstsorten und andere Laubbäumen aufgeforstet. „Zusammen mit angelegten Waldbiotopen, die aus der Regenwasserabführung der Anlagen dauerhaft mit ausreichend Feuchtigkeit versorgt werden, können wir die Artenvielfalt aufblühen lassen. Diese Maßnahmen fanden in enger Abstimmung und Kooperation mit ForstBW statt“, heißt es vonseiten der Firma.

Auch einige neue Biotope wurden angelegt. So sind neue Lebensräume für die Artenvielfalt entstanden.
Auch einige neue Biotope wurden angelegt. So sind neue Lebensräume für die Artenvielfalt entstanden. (Foto: kik)

Eine 1,5 Kilometer lange Aushilfsstraße war nötig

Nicht verschwiegen wird in der Projektbeschreibung des Windparks in Bad Saulgau, dass für den Antransport aller Anlagenkomponenten eine 1,5 Kilometer lange Aushilfsstraße über landwirtschaftliche Flächen bei Allmannsweiler angelegt werden musste.

Es mussten Sonderfahrzeuge, die beispielsweise 25 Meter lange Turmsegmente und die 68 Meter langen Rotorblätter anliefern, passieren können. Die zurückgebauten Schotterflächen rund um die Anlagen waren für Kräne und Zwischenlagerung von Anlagenkomponenten nötig.

Mehr Windräder werden künftig gebaut

Der Aufbau der Windräder in den Wald war zweifelsohne ein Eingriff in die Natur, der jedoch durch Biotope und Ausgleichspflanzungen wiedergutgemacht wurde. Da in Deutschland und so auch in Baden–Württemberg verstärkt auf erneuerbare Energien gesetzt wird, ist auch in Oberschwaben der vermehrte Bau von Windrädern unumgänglich.

Hitzige Debatten sind daraufhin teilweise die Folge, wie derzeit in Vogt aufgrund der 39 geplanten Windräder im Altdorfer Wald zu beobachten ist. So sprechen Windkraftgegner beispielsweise unter anderem von negativen Auswirkungen auf das Herz–Kreislauf–System oder die Schlafqualität, was wissenschaftlich jedoch kaum nachgewiesen werden kann. Ob es tatsächlich Auswirkungen auf das Trinkwasser gibt — dazu fehlen noch Daten, die in ein Gutachten klären soll.

Der größte Windpark im Land im Altdorfer Wald

Bekanntlich soll im Altdorfer Wald auf einer Fläche von 2000 Hektar der größte Windpark Baden–Württembergs entstehen. Die Flächen gehören zum Großteil Forst BW, also dem Land Baden–Württemberg, und dem Fürstlichen Haus Waldburg–Wolfegg–Waldsee.

Geplant wird der Park von den Stadtwerken Ulm/Neu–Ulm zusammen mit der iTerra Energy GmbH aus Gießen. Vorgesehen sind Windräder des dänischen Windradbauers Vestas, Typ V172—7.2 — es wären die bisher höchsten in der Region. Diese Windräder haben eine Nabenhöhe von 199 Metern. Die Gesamthöhe mit Rotor beläuft sich auf 285 Meter.

Auch an Windrädern gibt es Kritik

Grundsätzlich sind Windräder allgemein aus unterschiedlichen Gründen nicht ohne Kritik, auch deshalb, weil sie viel Material verschlingen. So werden pro Windrad beispielsweise viele hundert Tonnen Stahl und Beton, der besonders CO2–intensiv hergestellt wird, und auch Kunststoff verarbeitet.

Und wie bei Batterien für Elektroautos geht es auch bei Windrädern nicht ohne Seltene Erden, die wiederum in anderen und teilweise fernen Ländern abgebaut werden — und das oft nicht besonders nachhaltig und zudem häufig mit schädlichen Auswirkungen für Menschen und Umwelt.

Gerade die Rotorblätter von Windrädern, die aus Faserverbundstoffen hergestellt werden, lassen sich im Gegensatz zu Stahl und Beton nicht einfach recyceln oder wiederverwerten. Ein Rotorblatt besteht aus einem Materialmix, der sich nur schlecht in seine Bestandteile zerlegen lässt.

Schwer wiederverwertbare Rotorblatt–Abfälle

Nach einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) sind allein in diesem Jahrzehnt beim Rückbau von Anlagen jährlich etwa 20.000 Tonnen an schwer wiederverwertbaren Rotorblatt–Abfällen zu erwarten. Die Menge werde noch weiter ansteigen.

Dass für Rotorblätter sehr viel Balsaholz verwendet wird, ist ebenfalls ein häufiger Kritikpunkt. Es gehört zu den leichtesten Hölzern überhaupt. Nach Angaben des UBA ist Balsa ist ein korkartiges Holz aus den Regenwaldgebieten des tropischen Mittel– und Südamerikas.


Laut dem UBA werden mehr als 90 Prozent des weltweit geernteten Balsaholzes in Windenergieanlagen verbaut. Da die Windenergie weltweit ausgebaut wird, nimmt daher auch die Abholzung von Balsabäumen zu.

Balsaholz aus Regenwaldgebieten

Das Bundesumweltamt teilt in seiner Studie mit: „Rotorblätter mit Längen von mehr als 50 Metern werden häufig in Hybridbauweise aus Carbon– und Glasfasern, Epoxidharz und überwiegend Balsaholz als Kernmaterial im Sandwichbereich hergestellt. Es ist ein schnell wachsender Baum, der bereits in fünf Jahren einen Durchmesser von 30 Zentimetern erreicht.“

Was das Recycling von Kupfer, Aluminium, Elektroschrott, Seltenen Erden und PVC anbelangt, teilt das UBA in der Studie mit: Ein hochwertiges Recycling erfordere eine sortenreine Trennung sämtlicher Materialien, auch Kupfer, Aluminium, Elektroschrott, Neodym und Kunststoffe.

Diese Wertstoffe stecken im Kabel– und Antriebsstrang, in den Steuerungselementen sowie in manchen getriebelosen Generatoren. Laut UBA lenken die Klassifizierungen des Metallhandels das Kupfer– und Aluminiumrecycling. Elektroschrott würden Sekundärkupferhütten entgegennehmen und Neodymmagnete würden sich zur Wiederverwendung durch Hersteller eignen.

Vor und Nachteile der Windenergie

Zurück zum Windpark Bad Saulgau: Wer dort vor den hohen Windrädern steht, macht sich zunächst wenig Gedanken um das Recyclen. Zu eindrücklich ist die pure Größe der Windräder und der Umstand, dass das Quaken der Frösche im Biotop daneben um ein Vielfaches lauter ist, als das ohnehin oft kaum hörbare Surren der Rotorblätter an diesem Tag.

Fest steht dennoch: Wie so häufig im Leben haben auch Windräder Vor– und Nachteile. Ohne Ressourcen aus anderen Ländern der Welt mitsamt den Auswirkungen des Abbaus, ist auch im Bereich Windkraft eine Energiewende wohl kaum möglich.

Der Windpark Bad Saulgau hat einen Eintrag in Google Maps und ist somit gut zu finden. Seit September 2019 führt der Themenpfad Energiewende über 23 Kilometer mit insgesamt 12 Stationen direkt durch den Windpark.
Der Windpark Bad Saulgau hat einen Eintrag in Google Maps und ist somit gut zu finden. Seit September 2019 führt der Themenpfad Energiewende über 23 Kilometer mit insgesamt 12 Stationen direkt durch den Windpark. (Foto: kik)

Der Windpark Bad Saulgau hat einen Eintrag in Google Maps und ist somit gut zu finden. Seit September 2019 führt der Themenpfad Energiewende über 23 Kilometer mit insgesamt 12 Stationen direkt durch den Windpark.