Interview

Finanzen in Aulendorf: „Eine Kreditaufnahme wird nötig sein“

Aulendorf / Lesedauer: 6 min

Bürgermeister Matthias Burth bezieht Position zu den städtischen Finanzen und zur Flüchtlingsunterbringung. Dabei äußert er deutliche Kritik an Land und Bund.
Veröffentlicht:22.03.2023, 07:00

Von:
  • Author ImageKarin Kiesel
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Wohnraummangel, Energiekrise, Finanzen, Klimawandel und die Unterbringung von geflüchteten Menschen — es gibt viele Themen, die die Kommunen allerorten derzeit beschäftigen. Die Aufgabenvielfalt ist auch in Aulendorf groß. Bürgermeister Matthias Burth bezieht im großen SZ–Interview mit Karin Kiesel Position zu aktuellen Themen und Herausforderungen. Heute: In Teil 1 geht es um den städtischen Haushalt und die Situation in der Flüchtlingsunterbringung.

Herr Burth, Aulendorf hat die klammen Zeiten hinter sich gelassen und will im laufenden Jahr 22 Millionen Euro in Projekte investieren. In Goldmünzen baden wie Dagobert Duck können Sie als Rathauschef aber nicht. Wie lässt sich die finanzielle Situation der Stadt beschreiben?

Sie ist solide, da wir relativ gut durch die Corona-Krise gekommen sind und es finanziell nur überschaubare Auswirkungen gab. Die Befürchtungen, dass es zu einem starken Konjunktureinbruch und weniger Gewerbesteuereinnahmen kommt, sind nicht eingetreten. Das lag auch an den Kompensationszahlungen des Landes und des Bundes, beispielsweise bei der Gewerbesteuer. Es war richtig und wichtig, die Kommunen finanziell gut auszustatten, denn sie sind Motor für die Konjunktur. 

Durch den Bau eines Kindergartens oder die Sanierung einer Straße beispielsweise wirken Kommunen als Konjunkturtreiber.

Hervorzuheben am Haushaltsplanentwurf 2023 ist, dass die Ertragskraft erfreulich gut ist und wir die Abschreibungen erwirtschaften können. Auch für dieses Jahr sind enorme Investitionen geplant, etwa für den Kindergartenneubau, die Erweiterung der Grundschule, die Sanierung der Sporthalle in der Schussenrieder Straße, den Breitbandausbau und kostenintensive Maßnahmen in der Kläranlage. Allerdings bedeutet das auch, dass in 2023 und in den nächsten Jahren ein großer Mittelabfluss stattfindet, sprich viel Geld ausgegeben wird.

Wie sieht es mit der Verschuldung aus?

2023 wird es keine Neuverschuldung geben, aber in den nächsten Jahren wird voraussichtlich eine Kreditaufnahme nötig sein, da weitere kostenintensive Maßnahmen wie beispielsweise Kanalsanierungen aufgrund der Eigenkontrollverordnung oder auf der Kläranlage nötig werden. Der Schuldenstand zum Jahresende wird rund 20 Millionen Euro betragen. Das ist die Gesamtverschuldung. Würde man den städtischen Haushalt separat betrachten, wären wir bald unter zehn Millionen. Wir haben aber vor zwei Jahren unsere Eigenbetriebe Wasser und Abwasser in den Haushalt integriert, sodass wir jetzt nur noch die Gesamtverschuldung darstellen. Im Bereich der Abwasserbeseitigung mussten wir auch in den letzten Jahren Kredite aufnehmen.

Aulendorf ist nicht mehr die am höchsten verschuldete Kommune im Land und es ist eine Liquidität für viele Projekte vorhanden...

Ja, aber die Verschuldung pro Kopf ist immer noch überdurchschnittlich hoch. Erfreulich ist daher, dass es 2023 keine neuen Kredite braucht. Die mittelfristige Finanzplanung für die nächsten Jahre sieht jedoch eine Kreditaufnahme vor. Im Gemeinderat werden wir hier eine Priorisierung der Maßnahmen beraten müssen.

Wechseln wir zu einem anderen aktuellen Thema: die Unterbringung von Geflüchteten. Auch Aulendorf wird weitere Menschen aufnehmen und integrieren. Wie stellt sich die derzeitige Situation dar?

Im Februar und März haben wir jeweils etwa 23 Menschen aus der Ukraine und fünf Asylbewerber aus unterschiedlichen Ländern vom Landratsamt aus der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung in der Verantwortung der Kommune zugewiesen bekommen. Für April sollen es etwa gleich viele sein. Im Februar haben wir es geschafft, diese Menschen unterzubringen, im März werden wir es nur teilweise schaffen. Die Beschaffung von Wohnraum ist sehr schwierig, die Kapazitäten sind ausgereizt. Aber auch bei der Betreuung oder Sprachkursen sind wir und viele andere Kommunen am Limit angelangt.

Land und Bund sind dringend aufgefordert zu erkennen, dass Kommunen nicht mehr leisten können. Daher gilt mein großer Dank allen Bürgern, die bei der Integration helfen und vor allem mit ihrem Wohnraum unterstützt haben, sonst wäre es unmöglich geworden. Ein großes Problem liegt aktuell darin, dass der Landkreis die Bewohner, sobald gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, aus seinen vorläufigen Unterkünften heraus bringen und in die Anschlussunterbringungen der Kommunen zuweisen muss, da das Land den Landkreisen sonst die Kosten nicht erstattet. Da könnte das Land anders agieren, um die Kommunen zu entlasten.

Welche Möglichkeiten gebe es Ihrer Ansicht nach noch?

Die Idee der nationalen Ankunftszentren finde ich interessant. Dort würden die Verfahren abgewickelt und es werden nur diejenigen Asylbewerber in die Kommunen verteilt, die hohe Bleibechancen haben. Zudem bräuchte es nicht nur eine gerechtere Aufteilung innerhalb Europas, sondern auch innerhalb Deutschlands. Andere Bundesländer haben schon viel früher signalisiert, dass sie an der Kapazitätsgrenze angelangt sind. Die Aufnahme von geflüchteten Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit also eine Aufgabe des Bunds, das leistbar zu steuern. Zudem gibt es meiner Meinung nach einige Liegenschaften in Besitz von Land und Bund, die vermehrt genutzt werden könnten, wie beispielsweise leerstehende Kasernen. Ich bin überzeugt, dass es viele Gebäude gebe, die für die Unterbringung von Menschen geeignet wären.

Welche Pläne hat die Stadt, neue Unterkunftsmöglichkeiten zu schaffen?

In der Zollenreuter Straße haben wir das Marland–Gebäude erworben. Dort sind noch einige bauliche Maßnahmen vorzunehmen, dann stehen dort mehrere Wohneinheiten zur Verfügung, um Menschen in der städtischen Anschlussunterbringung in Aulendorf aufzunehmen. Zudem baut der Landkreis die Containerwohnanlage im Spitalweg. Das ist eine vorläufige Unterbringung in der Verantwortung des Landkreises, der damit auch für die Betreuung zuständig ist.

Es sollen zudem weitere 100 Menschen aus der Ukraine in Aulendorf aufgenommen werden. Da die Schulsporthalle vom Tisch ist — steht schon fest, in welchem Gebäude sie wohnen sollen?

Hierzu befinden wir uns noch in der Einigungsphase. Daher lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Vollzug vermelden.

In Aulendorf fällt hierzu häufig das Stichwort Vita–Hotel. Können Sie das bestätigen?

Nein. Noch sind die Verhandlungen nicht abgeschlossen, so dass sich zum jetzigen Zeitpunkt kein Name öffentlich nennen lässt.

Es leben zahlreiche Menschen aus verschiedenen Nationen in Aulendorf, die seit 2015 aufgenommen wurden. Wie bewerten Sie die bisherige Integration?

Das Zusammenleben hat großteils gut funktioniert. Es leben beispielsweise viele Syrer in Aulendorf, das hat gut geklappt. Der Aufwand ist jedoch häufig groß, vor allem was die Sprache anbelangt. Bei vielen Asylbewerbern ist der Betreuungsbedarf oft höher als bei Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine, die zumeist gut vernetzt, recht selbstständig und viel digital unterwegs sind. In der Vergangenheit hat der Helferkreis wertvolle Arbeit bei der Integration geleistet, es wurde ein Integrationsbeirat gegründet. Auch das Integrationszentrum am Hofgartentreff ist ein wichtiger Baustein und das Integrationsmanagement der Caritas funktioniert ebenfalls gut. Leider will das Land beim Thema Integrationsmanagement die Vorschriften ändern, so dass bei steigenden Flüchtlingszahlen gleichzeitig die finanziellen Fördermittel reduziert werden. Das passt nicht zusammen.


Der Gemeinderat kommt am Montag, 27. März, ab 18 Uhr zu einer öffentlichen Sitzung im Ratssaal im Schloss zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt ist die Beschlussfassung des Haushaltsplans für das Jahr 2023.